Puppenspiel: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Romano-Guardini-Handbuch
Zeile 6: | Zeile 6: | ||
== Rezeption == | == Rezeption == | ||
* [[Thomas Hasler]] zieht Guardinis "Puppenspiel" in seiner Studie "Architektur als Ausdruck: Rudolf Schwarz" (2000, S. 121) heran: "Im Unterschied zur realen menschlichen Figur im Theater, also dem Schauspieler, verkörpert die Puppe laut Guardini das Elementare, das Typische, das anstelle der individuellen Figur das überpersönlich Gültige ins Zentrum rückt: «Sie [die Puppe] sagt uns von vornherein; Ich für mich bin nichts. Ich bin einmal ein Herr oder eine Frau Soundso. Ich bin nur dafür da, dass Du Dich ganz hinein gebest in jenes unwirkliche, gespielte Reich, darin sich das Eigentliche erhebt, das Kunstwerk!"163 Im selben Text weist Guardini auf eine Diskussion im Kreis der Jugendbewegung Quickborn hin. In deren Verlauf war besonders die Problematik des Schauspiels erörtert worden, bei dem sich im ungünstigen Fall die Persönlichkeit des Akteurs zwischen die eigentliche Aussage und den Zuschauer schiebt. Nur die | * [[Thomas Hasler]] zieht Guardinis "Puppenspiel" in seiner Studie "Architektur als Ausdruck: Rudolf Schwarz" (2000, S. 121) heran: "Im Unterschied zur realen menschlichen Figur im Theater, also dem Schauspieler, verkörpert die Puppe laut Guardini das Elementare, das Typische, das anstelle der individuellen Figur das überpersönlich Gültige ins Zentrum rückt: «Sie [die Puppe] sagt uns von vornherein; Ich für mich bin nichts. Ich bin einmal ein Herr oder eine Frau Soundso. Ich bin nur dafür da, dass Du Dich ganz hinein gebest in jenes unwirkliche, gespielte Reich, darin sich das Eigentliche erhebt, das Kunstwerk!"163 Im selben Text weist Guardini auf eine Diskussion im Kreis der Jugendbewegung Quickborn hin. In deren Verlauf war besonders die Problematik des Schauspiels erörtert worden, bei dem sich im ungünstigen Fall die Persönlichkeit des Akteurs zwischen die eigentliche Aussage und den Zuschauer schiebt. Nur die Puppe, die keinerlei persönliche Ambitionen hege, stehe dem Stück nicht im Wege, schreibt Guardini.264. All diese Überlegungen zielten letztlich auf die Liturgiefeier hin - und damit auf die im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft". Hasler irrt bezüglich des Kreises, denn dieser war in Mainz nicht der Quickborn, sondern die Juventus. Die von Hasler gezogene Analogie vom Puppenspiel zum liturgischen Spiel vor Gott und eine von Guardini angeblich angezielte, "im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft", ist zu hinterfragen. | ||
Puppe, die keinerlei persönliche Ambitionen hege, stehe dem Stück nicht im Wege, schreibt Guardini.264. All diese Überlegungen zielten letztlich auf die Liturgiefeier hin - und damit auf die im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft". Hasler irrt bezüglich des Kreises, denn dieser war in Mainz nicht der Quickborn, sondern die Juventus. Die von Hasler gezogene Analogie vom Puppenspiel zum liturgischen Spiel vor Gott und eine von Guardini angeblich angezielte, "im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft", ist zu hinterfragen. | |||
== Nachdrucke und Auszüge == | == Nachdrucke und Auszüge == |
Version vom 18. August 2023, 15:43 Uhr
126 (G 41): Puppenspiel, in: Die Schildgenossen, 4, 1923/24, 5 (Mai 1924), S. 309-317 (Abdruck des Aufsatzes von Heinrich von Kleist: "Über das Marionettentheater". Im Anschluß daran Stellungnahme Guardinis mit den Zwischenüberschriften: "Eine Zwischenbemerkung"; "Der Historiker Ludovico Antonio Muratori"; "Eine Nachbemerkung") [Mercker 0159];
Werkgeschichte
- Vgl. dazu einen Merkzettel in Guardinis „Notizbuch“ für die Mainzer Juventus (1915–1920, unveröffentlicht) notiert „Kleist, Marionettentheater“. Gerl-Falkovitz geht davon aus, dass dieser die Grundlage für die Ausarbeitung "Puppenspiel" darstellt (Leibhaftes Spiel. Zur Anthropologie der Liturgie, in: Bärsch u.a. (Hrsg.): Heilige Spiele, 2022, S. 94).
- Tatsächlich stellt Guardini auch selbst den Zusammenhang mit einer Begebenheit fünf Jahre vor 1924, also 1919 her: "Wenn's ohne Anmaßung erlaubt ist, sich an die Gestalt der beiden großen Männer anzuschließen, so möchte ich erzählen, was wir einmal - es sind schon fünf Jahre her - in Mainz in einem kleinen Kreise fanden." (Wurzeln II, S. 195)
Rezeption
- Thomas Hasler zieht Guardinis "Puppenspiel" in seiner Studie "Architektur als Ausdruck: Rudolf Schwarz" (2000, S. 121) heran: "Im Unterschied zur realen menschlichen Figur im Theater, also dem Schauspieler, verkörpert die Puppe laut Guardini das Elementare, das Typische, das anstelle der individuellen Figur das überpersönlich Gültige ins Zentrum rückt: «Sie [die Puppe] sagt uns von vornherein; Ich für mich bin nichts. Ich bin einmal ein Herr oder eine Frau Soundso. Ich bin nur dafür da, dass Du Dich ganz hinein gebest in jenes unwirkliche, gespielte Reich, darin sich das Eigentliche erhebt, das Kunstwerk!"163 Im selben Text weist Guardini auf eine Diskussion im Kreis der Jugendbewegung Quickborn hin. In deren Verlauf war besonders die Problematik des Schauspiels erörtert worden, bei dem sich im ungünstigen Fall die Persönlichkeit des Akteurs zwischen die eigentliche Aussage und den Zuschauer schiebt. Nur die Puppe, die keinerlei persönliche Ambitionen hege, stehe dem Stück nicht im Wege, schreibt Guardini.264. All diese Überlegungen zielten letztlich auf die Liturgiefeier hin - und damit auf die im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft". Hasler irrt bezüglich des Kreises, denn dieser war in Mainz nicht der Quickborn, sondern die Juventus. Die von Hasler gezogene Analogie vom Puppenspiel zum liturgischen Spiel vor Gott und eine von Guardini angeblich angezielte, "im Idealfall stattfindende Überwindung der Subjektivität des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft", ist zu hinterfragen.
Nachdrucke und Auszüge
- eingegangen in: Wurzeln eines großen Lebenswerks. Romano Guardini (1885-1968). Aufsätze und kleinere Schriften, Bd. II, 2001 (G 41), S. 193-197 [neu aufgenommen]
Guardini-Konkordanz
Übersetzungen
- Bisher keine Übersetzungen bekannt (siehe aber Übersetzungsanfragen für Wurzeln eines großen Lebenswerks, Bd. II)