Vom klassischen Geist: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Ein Ersatzreferent für den Bereich Wirtschaft, [[Heinrich Erman]] berichtet von der stimmungsvollen Goethe-Feier am 28. August 1924 (Bei den Quickbornern, in: Bodenreform. Deutsche Volkstimme, Frei Land, 35, 1924, 5. Oktober, Sp. 298-300, hier Sp. 299 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=_1VsTwZHW9YC):
Ein Ersatzreferent für den Bereich Wirtschaft, [[Heinrich Erman]] berichtet von der stimmungsvollen Goethe-Feier am 28. August 1924 (Bei den Quickbornern, in: Bodenreform. Deutsche Volkstimme, Frei Land, 35, 1924, 5. Oktober, Sp. 298-300, hier Sp. 299 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=_1VsTwZHW9YC):
* ''"So wunderte es mich auch kaum mehr, als zum Abschluß, am 28. August, „um nach dem vielen kritisch zersetzenden, etwas positives zu geben“, eine überaus stimmungsvolle Goethefeier stattfand, in der einer der geistigen Führer der Quickbornbewegung, der Priester und Berliner Universitätsprofessor Romano Guardini, von italienischer Abkunft und Erscheinung, aber in Mainz als Deutscher geboren [sic!] und erzogen, eine schöne und tiefe Parallele zog zwischen Goethe und dem vor 700 Jahren geborenen Thomas von Aquino, den man spottend den Philosophien der Selbstverständlichkeit genannt habe. Sie seien beide Genies der Selbstverständlichkeit, der übermenschlichen Klarheit, die allen Kampf und Wirrwarr der Weltdinge in ihrem Zusammenhang und ihrer letzten Einheit durchschaue und erfasse. Danach sprach unsere Bundesfreundin Frau [[Vilma Moenkeberg]] Goethes „Stirb und werde“, „Meine Göttin“ und aus Hermann und Dorothea. [...] Das rückhaltlose Bekenntnis zu Goethe fiel mir auf gegenüber manchen katholischen Aeußerungen über sein „Heidentum“; aber in der mir jetzt zugegangenen Zeitschrift der älteren Quickborner: die „Schildgenossen“, heißt es über Goethe: „Möchte man doch absehen können von den landläufigen Kategorien der Urteilsbildung über diesen Mann und möchte man dem auf der Höhe seines Lebens in den Sphären des Mythischen und des Weisen ragenden Menschen mit Maßstäben nahen, die nicht in hausbackener Gelehrsamkeit, sondern im fruchtbaren Acker der Welt, als der Schöpfung Gottes, gewachsen sind."''
* ''"So wunderte es mich auch kaum mehr, als zum Abschluß, am 28. August, „um nach dem vielen kritisch zersetzenden, etwas positives zu geben“, eine überaus stimmungsvolle Goethefeier stattfand, in der einer der geistigen Führer der Quickbornbewegung, der Priester und Berliner Universitätsprofessor Romano Guardini, von italienischer Abkunft und Erscheinung, aber in Mainz als Deutscher geboren [sic!] und erzogen, eine schöne und tiefe Parallele zog zwischen Goethe und dem vor 700 Jahren geborenen Thomas von Aquino, den man spottend den Philosophien der Selbstverständlichkeit genannt habe. Sie seien beide Genies der Selbstverständlichkeit, der übermenschlichen Klarheit, die allen Kampf und Wirrwarr der Weltdinge in ihrem Zusammenhang und ihrer letzten Einheit durchschaue und erfasse. Danach sprach unsere Bundesfreundin Frau [[Vilma Moenkeberg]] Goethes „Stirb und werde“, „Meine Göttin“ und aus Hermann und Dorothea. [...] Das rückhaltlose Bekenntnis zu Goethe fiel mir auf gegenüber manchen katholischen Aeußerungen über sein „Heidentum“; aber in der mir jetzt zugegangenen Zeitschrift der älteren Quickborner: die „Schildgenossen“, heißt es über Goethe: „Möchte man doch absehen können von den landläufigen Kategorien der Urteilsbildung über diesen Mann und möchte man dem auf der Höhe seines Lebens in den Sphären des Mythischen und des Weisen ragenden Menschen mit Maßstäben nahen, die nicht in hausbackener Gelehrsamkeit, sondern im fruchtbaren Acker der Welt, als der Schöpfung Gottes, gewachsen sind."''
== Häufig wiedergegebenes Zitat ==
Im Blick auf Guardinis Weltanschauungslehre wird häufig, besonders auch von [[Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz]], jene Stelle aus dieser Rede zitiert, in der Guardini zwei Weisen des Blicks bzw. des Blickens unterscheidet:
''"Dazu gehört vor allem die Weise, wie sie in die Welt schauen, nämlich mit einem ganz  offenen Blick, der eigentlich nie etwas `will´- daß dieses Ding so sei, jenes anders, das dritte überhaupt nicht. Dieser Blick tut einem Ding Gewalt an. Denn es gibt ja schon eine Gewalttätigkeit in der Weise des Sehens; eine Art, die Dinge ins Auge zu fassen, die auswählt, wegläßt, unterstreicht und abschwächt. Dadurch wird dem wachsenden Baum, dem Menschen, wie er seines Weges daherkommt, den aus sich hervorgehenden Geschehnissen des Daseins vorgeschrieben, wie sie sein sollen, damit der Blickende seinen Willen in ihnen bestätigt finde. Der Blick, den ich hier meine, hat die Ehrfurcht, die Dinge sein zu lassen, was sie in sich sind. Ja, er scheint eine schöpferische Klarheit zu haben, in welcher sie richtig werden können, was sie in ihrem Wesen sind; mit einer ihnen sonst nicht beschiedenen Deutlichkeit und Fülle. Er ermutigt alles zu sich selbst."''


== Nachdrucke und Auszüge ==
== Nachdrucke und Auszüge ==

Version vom 13. Juli 2024, 18:25 Uhr

136 (G 13/ORG 59): Vom klassischen Geist, in: Die Schildgenossen, 5, 1924/25, 1 (November 1924), S. 64-68 [Mercker 0194, bei Mercker irrtümlich „1925“];

Geschichte

Ein Ersatzreferent für den Bereich Wirtschaft, Heinrich Erman berichtet von der stimmungsvollen Goethe-Feier am 28. August 1924 (Bei den Quickbornern, in: Bodenreform. Deutsche Volkstimme, Frei Land, 35, 1924, 5. Oktober, Sp. 298-300, hier Sp. 299 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=_1VsTwZHW9YC):

  • "So wunderte es mich auch kaum mehr, als zum Abschluß, am 28. August, „um nach dem vielen kritisch zersetzenden, etwas positives zu geben“, eine überaus stimmungsvolle Goethefeier stattfand, in der einer der geistigen Führer der Quickbornbewegung, der Priester und Berliner Universitätsprofessor Romano Guardini, von italienischer Abkunft und Erscheinung, aber in Mainz als Deutscher geboren [sic!] und erzogen, eine schöne und tiefe Parallele zog zwischen Goethe und dem vor 700 Jahren geborenen Thomas von Aquino, den man spottend den Philosophien der Selbstverständlichkeit genannt habe. Sie seien beide Genies der Selbstverständlichkeit, der übermenschlichen Klarheit, die allen Kampf und Wirrwarr der Weltdinge in ihrem Zusammenhang und ihrer letzten Einheit durchschaue und erfasse. Danach sprach unsere Bundesfreundin Frau Vilma Moenkeberg Goethes „Stirb und werde“, „Meine Göttin“ und aus Hermann und Dorothea. [...] Das rückhaltlose Bekenntnis zu Goethe fiel mir auf gegenüber manchen katholischen Aeußerungen über sein „Heidentum“; aber in der mir jetzt zugegangenen Zeitschrift der älteren Quickborner: die „Schildgenossen“, heißt es über Goethe: „Möchte man doch absehen können von den landläufigen Kategorien der Urteilsbildung über diesen Mann und möchte man dem auf der Höhe seines Lebens in den Sphären des Mythischen und des Weisen ragenden Menschen mit Maßstäben nahen, die nicht in hausbackener Gelehrsamkeit, sondern im fruchtbaren Acker der Welt, als der Schöpfung Gottes, gewachsen sind."

Häufig wiedergegebenes Zitat

Im Blick auf Guardinis Weltanschauungslehre wird häufig, besonders auch von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, jene Stelle aus dieser Rede zitiert, in der Guardini zwei Weisen des Blicks bzw. des Blickens unterscheidet: "Dazu gehört vor allem die Weise, wie sie in die Welt schauen, nämlich mit einem ganz offenen Blick, der eigentlich nie etwas `will´- daß dieses Ding so sei, jenes anders, das dritte überhaupt nicht. Dieser Blick tut einem Ding Gewalt an. Denn es gibt ja schon eine Gewalttätigkeit in der Weise des Sehens; eine Art, die Dinge ins Auge zu fassen, die auswählt, wegläßt, unterstreicht und abschwächt. Dadurch wird dem wachsenden Baum, dem Menschen, wie er seines Weges daherkommt, den aus sich hervorgehenden Geschehnissen des Daseins vorgeschrieben, wie sie sein sollen, damit der Blickende seinen Willen in ihnen bestätigt finde. Der Blick, den ich hier meine, hat die Ehrfurcht, die Dinge sein zu lassen, was sie in sich sind. Ja, er scheint eine schöpferische Klarheit zu haben, in welcher sie richtig werden können, was sie in ihrem Wesen sind; mit einer ihnen sonst nicht beschiedenen Deutlichkeit und Fülle. Er ermutigt alles zu sich selbst."

Nachdrucke und Auszüge

  • unter dem Titel "Von Goethe, und Thomas von Aquin und vom klassischen Geist. Eine Erinnerung" eingegangen in: In Spiegel und Gleichnis, 1932 (G 13)
  • Nachdruck in: Werner Becker (Hrsg.): Romano Guardini. Ein Gedenkbuch mit einer Auswahl aus seinem Werk, Leipzig 1970 [Mercker 1796] (Einbandtitel: „Romano Guardini. Leben und Christusbild. Gedenkband)

Guardini-Konkordanz

Übersetzungen (in mind. 2 Sprachen)

  1. ORG 59: Su Goethe e Tommaso d’Aquino e sullo spirito classico. Un ricordo, in: Nello specchio dell´ anima, Brescia 2010, Opere di Romano Guardini 59, S. 19-26; ins Italienische übersetzt von Giulio Colombi [neu aufgenommen]
  2. Гьоте и Тома от Аквино, и за класичния ум. Един спомен, in: Упование и смелост. Сборник (Hoffnung und Mut. Eine Sammlung), 2019 (Christijanska biblioteka fondacija "komunitas"); ins Bulgarische übersetzt von Georgi Kapriev (gemeinsam mit: Das Ende der Neuzeit, Das Wesen des Christentums, Kirche und Dogma, Wahrheit und Ironie, Von Gott geschaffen, Vom Geist der Liturgie) [neu aufgenommen]

Sekundärbibliographie

  • Zusätzlich zur oben genannten Zeitzeugenerinnerung:
  1. Paul Silas Peterson: The Early Hans Urs von Balthasar: Historical Contexts and Intellectual Formation, 2015, S. 52 - https://books.google.de/books?id=PQtfCAAAQBAJ&pg=PT52 (sehr einseitige und kritische Einordnung)