Gegensätze: Unterschied zwischen den Versionen
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** italienisch: am ehesten '''correlazione''' (Korrelation), '''contesto''' (Kontext), '''connezione''' (Verbindung) im Italienischen aufgrund der später von Guardini selbst gebildeten Verbindung mit "Einheit" allein mit "unità" (Einheit) wiedergegeben | ** italienisch: am ehesten '''correlazione''' (Korrelation), '''contesto''' (Kontext), '''connezione''' (Verbindung) im Italienischen aufgrund der später von Guardini selbst gebildeten Verbindung mit "Einheit" allein mit "unità" (Einheit) wiedergegeben | ||
** englisch: am ehesten '''correlation''' (Korrelation), '''context''' (Kontext), '''connection''' (Verbindung) oder '''connectedness''' (Verbundenheit); im englischen fälschlich mit "unity" (Einheit) wiedergegeben; in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich "Einheit" angegeben. Aber: Zusammenhang ist im Deutschen nicht gleich Einheit! | ** englisch: am ehesten '''correlation''' (Korrelation), '''context''' (Kontext), '''connection''' (Verbindung) oder '''connectedness''' (Verbundenheit); im englischen fälschlich mit "unity" (Einheit) wiedergegeben; in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich nur noch "Einheit" angegeben. Aber: Zusammenhang ist im Deutschen nicht gleich Einheit! | ||
* 8b) Gliederung | * 8b) Gliederung | ||
** italienisch: am ehesten '''subdivisione'''; der von Guardini | ** italienisch: am ehesten '''subdivisione'''; der von Guardini in der Ausführung an Stelle von "Gliederung" gebrauchte Begriff "Mannigfaltigkeit" (Vielfalt) wird mit im Italienischen mit "moltiplicità" (Vielzahl) wiedergegeben, besser wäre aber '''diversità''' (Verschiedenheit/Vielfalt); im Italienischen findet man für Gliederung fälschlich auch "pluralità" (Pluralität) oder "singularità" (Einzigartigkeit); | ||
** englisch: am ehesten '''subdivision''' (Teilung); urpsrünglich "limbation" von "limb" Glied; im Englischen | ** englisch: am ehesten '''subdivision''' (Teilung); urpsrünglich "limbation" von "limb" Glied; der von Guardini in der Ausführung an Stelle von "Gliederung" gebrauchte Begriff "Mannigfaltigkeit" (Vielfalt) wird im Englischen mit "multiplicity" (Vielzahl), besser wäre aber "diversity" (Verschiedenheit/Vielfalt) wiedergegeben; im Englischen findet man für Gliederung fälschlich auch "plurality" (Pluralität) oder "singularity" (Einzigartigkeit); in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich nur noch "Vielheit" angegeben. Aber: Gliederung ist im Deutschen nicht gleich Vielheit! | ||
== Missverständnisse == | == Missverständnisse == |
Version vom 22. April 2022, 13:06 Uhr
Guardini kennt Gegensätze im Verhältnis von Gegensatzpaaren, die er in Gegensatzreihen und Gegensatzkreuzungen miteinander in Beziehung stehen.
Spannungseinheit
Guardini sieht für jedes Gegensatzpaar die Notwendigkeit, die Polarität in einer Spannungseinheit auszuhalten. Ausdrücklich unterscheidet er somit die Spannungseinheit von der Synthese oder einer Koinzidenz.
Kategoriale und transzendentale Gegensätze
Guardini unterscheidet dabei "oberste" kategoriale Gegensatzpaaren von "obersten" transzendentalen Gegensatzpaaren. Innerhalb der kategorialen Gegensatzpaare trifft Guardini außerdem die Unterscheidung zwischen intraempirischen und transempirischen Gegensatzpaaren.
Gegensatzreihe
Guardini bildet zwei Reihen:
- intraempirische kategoriale Gegensatzpaare
- Akt und Bau
- Dynamik und Statik
- Fülle und Form
- Einzelheit und Ganzheit
- transempirische kategoriale Gegensatzpaare
- Produktion und Disposition
- Ursprünglichkeit und Regel
- Immanenz und Transzendenz
- transzendentale Gegensatzpaare
- Ähnlichkeit und Besonderung
- Zusammenhang und Gliederung
Spannungseinheit
Jeder Pol kann für ein anderes Gegensatzpaar die Funktion der Spannungseinheit einnehmen. Entscheidend ist dabei lediglich, dass die Spannungseinheit für Guardini auf einer anderen Ebene eigenständig ist und die Wirkung der beiden anderen Polen in sich aufnimmt, ohne die Pole selbst aufzuheben. Dadurch kann es die Spannung der Pole aufrechterhalten. Dieses eigenständige Sein "auf anderer Ebene" als Spannungseinheit ist ein "Mehr", aber nicht im überordnenden Sinne, sondern aufgrund der gleichen Charakteristik bei gleichzeitig anderen, zusätzlichen Rolle, Aufgabe, Funktion.
Der Primat eines über den anderen Gegensatz
Guardini kennt dabei innerhalb eines Gegensatzpaares auch einen Primat. Er entwickelt dieses Merkmal erstmals am "Primat des Logos über das Ethos". Dabei handelt es sich ausdrücklich um keinen absoluten, sondern um einen relativen Primat (Vorrang), also keinen Vorrang der Würde, des Wertes oder der Bedeutung, sondern lediglich einen Vorrang des Anfangs oder der Ordnung. Beschrieben hat er dies vor allem in seiner Schrift '>'Vom Geist der Liturgie am Beispiel des Primats des Logos über das Ethos.
Probleme in der Übersetzung
Ein großes Problem bei Guardini-Übersetzungen ist es, dass in der Regel nicht die Rückübersetzbarkeit überprüft wird. Dies wird mitunter umso skuriler und verfremdender, wenn eine Übersetzung ins Englische nicht aus dem Deutschen direkt, sondern über das Italienische erfolgt.
- 1a) Akt
- italienisch: atto, mitunter auch fälschlich "attività" (Aktivität/Tätigkeit)
- englisch: act
- 1b) Bau
- italienisch: fälschlich mit "struttura" wiedergegeben, die Bedeutung von Bau ist aber nicht "Struktur", sondern ist im Italienischen mit "costruzione" oder noch genauer mit "edificio" richtig übersetzt.
- englisch: fälschlich mit "structure" wiedergegeben, die Bedeutung von Bau ist aber nicht "Struktur", sondern ist im Englischen mit "construction" oder noch genauer mit "building" richtig übersetzt.
- 2a) Fülle
- italienisch: pienezza, Sommavilla ergänzt pienezza informa, mitunter wird auch fälschlich mit "abbondanza" (Überfluß) "informe" (Unform, Unförmigkeit, Formlosigkeit) übersetzt.
- englisch: fullness, mitunter wird auch nicht so treffend mit "abundence" (Überfluß) oder auch fälschlich "formlessness" (Formlosigkeit) übersetzt.
- 2b) Form
- italienisch: forma
- englisch: form
- 3a) Einzelheit
- italienisch: singularità, nicht ganz treffend findet man auch "individualità", "partialità", "differenziazione", "particolarità"
- englisch: singularity, nicht ganz treffend findet man auch individuality, partiality, differentiation, particularity
- 3b) Ganzheit
- italienisch: fälschlich mit "totalità" wiedergegeben, die Bedeutung von Ganzheit ist aber nicht "Totalität", sondern ist im Italienischen mit "tutto" richtig übersetzt.
- englisch: whole, mitunter findet man nicht so treffend "entirety", oder wohl aus dem Italienischen übernommen fälschlich "totality"
- 4a) Produktion
- italienisch: produzione
- englisch: production
- 4b) Disposition:
- italienisch: disposizione, bei der englischen Übersetzung von Borghesi heißt es fälschlich "provisione"
- englisch: disposition
- 5a) Ursprünglichkeit
- italienisch: originalità
- englisch: originality, mitunter finden sich auch "origination" (Herkunft, Entstehung) und fälschlich "spontaneity", da im Deutschen "Spontaneität" nicht gleich "Ursprünglichkeit" ist.
- 5b) Regel
- italienisch: regola, mitunter findet sich auch fälschlich "regulazione" oder "regularità", da im Deutschen "Regulierung" und Regularität nicht gleich Regel ist.
- englisch: rule, mitunter findet sich auch fäschlich "regulation" oder "regularity", das im Deutschen "Regulierung" und "Regularität" nicht gleich Regel ist.
- 6a) Immanenz
- italienisch: immanenza
- englisch: immanence, nicht nachvollziehbarer Weise findet sich mitunter auch die Übersetzung mit "Interiority", was im Deutschen aber nicht Immanenz, sondern Innerlichkeit bedeutet.
- 6b) Transzendenz
- italienisch: traszendenza
- englisch: transcendence
- 7a) Ähnlichkeit
- italienisch: similarità, fälschlich mit affinità (Affinität) wiedergegeben;
- englisch: similarity, fälschlich mit affinity (Affinität) oder "relatedness" (Verwandtschaft) wiedergegeben; in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich "Verwandtschaft" angegeben. Aber: "Ähnlichkeit" ist im Deutschen nicht gleich "Verwandtschaft"!
- 7b) Besonderung
- italienisch: pecularità, nicht ganz treffend mit "particularità" (Partikularität) oder "specialità" (Spezialität), "distinzione" (Abweichung, Unterscheidung), "differenza" (Unterschied), "differenziazione" (Unterscheidung)
- englisch: pecularity, nicht ganz treffend mit "particularity" (Partikularität) oder "speciality" (Spezialität), "distinction" (Abweichung, Unterscheidung), difference (Unterschied), "differentiation" (Unterscheidung)
- 8a) Zusammenhang
- italienisch: am ehesten correlazione (Korrelation), contesto (Kontext), connezione (Verbindung) im Italienischen aufgrund der später von Guardini selbst gebildeten Verbindung mit "Einheit" allein mit "unità" (Einheit) wiedergegeben
- englisch: am ehesten correlation (Korrelation), context (Kontext), connection (Verbindung) oder connectedness (Verbundenheit); im englischen fälschlich mit "unity" (Einheit) wiedergegeben; in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich nur noch "Einheit" angegeben. Aber: Zusammenhang ist im Deutschen nicht gleich Einheit!
- 8b) Gliederung
- italienisch: am ehesten subdivisione; der von Guardini in der Ausführung an Stelle von "Gliederung" gebrauchte Begriff "Mannigfaltigkeit" (Vielfalt) wird mit im Italienischen mit "moltiplicità" (Vielzahl) wiedergegeben, besser wäre aber diversità (Verschiedenheit/Vielfalt); im Italienischen findet man für Gliederung fälschlich auch "pluralità" (Pluralität) oder "singularità" (Einzigartigkeit);
- englisch: am ehesten subdivision (Teilung); urpsrünglich "limbation" von "limb" Glied; der von Guardini in der Ausführung an Stelle von "Gliederung" gebrauchte Begriff "Mannigfaltigkeit" (Vielfalt) wird im Englischen mit "multiplicity" (Vielzahl), besser wäre aber "diversity" (Verschiedenheit/Vielfalt) wiedergegeben; im Englischen findet man für Gliederung fälschlich auch "plurality" (Pluralität) oder "singularity" (Einzigartigkeit); in der deutschen Rückübersetzung der italienischen Borghesi-Übersetzung wird schließlich tatsächlich nur noch "Vielheit" angegeben. Aber: Gliederung ist im Deutschen nicht gleich Vielheit!
Missverständnisse
Papst Franziskus hat im Anschluss an Romano Guardinis Gegensatzlehre vier Handlungsprinzipien bzw. -linien entwickelt, die er für den Aufbau geschwisterlicher, gerechter und friedlicher Gesellschaften vorgeschlagen hat:
- "Die Zeit ist mehr wert als der Raum"; "Il tempo è superiore allo spazio"; "Time is greater than space";
- "Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt"; "L’unità prevale sul conflitto"; "Unity prevails over conflict";
- "Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee"; "La realtà è più importante dell’idea"; "Realities are more important than ideas" (das Englische geht hier unnötigerweise in den Plural);
- "Das Ganze ist dem Teil übergeordnet." "Il tutto è superiore alla parte"; "The whole is greater than the part";
Zu bemängeln ist hier schon einmal die nicht stringente Übersetzung von "è superiore" (ist höher) mal mit "greater" (größer), mal mit "mehr wert"; die Vermischung von "mehr wiegen" mit "überwiegen". Obwohl hier Papst Franziskus nicht von Gegensätzen oder Polaritäten spricht und die Begriffe in einem Über- bzw. Unterordnungsverhältnis sieht ("mehr wert sein", "mehr wiegen", "wichtiger sein", "übergeordnet sein"), gibt es einige Interpretatoren, die Zeit und Raum, Einheit und Konflikt, Wirklichkeit und Idee, das Ganze und das Teil als polare Gegensätze deuten. Das Problem ergibt sich auf der Suche nach der Spannungseinheit, besonders deutlich an der SpannungsEINHEIT von EINHEIT und Konflikt. Gemäß Guardinis Gegensatzlehre können dies aber keine sich ergänzenden Gegensätze bzw. komplementäre Polaritäten sein, wenn sie sich durch ein "mehr" an Wert und Bedeutung ausdrücken und nicht nur als relativer Primat des Anfangs oder der Ordnung. Im Grunde werden hier jeweils die Spannungseinheit und einer ihrer beiden Pole benannt. Vollständig müssten diese Gleichungen jeweils heißen:
- Die Gegensätze "Punkt" und "Raum" werden von der Spannungseinheit "Zeit" zusammengehalten, denn es gilt den richtigen Zeitpunkt (Beginn) als auch den richtigen Zeitraum (ausreichende Dauer) zu finden;
- Die Gegensätze "Kooperation" (Zusammenarbeit) und "Konflikt" (Auseinandersetzung) werden von der Spannungseinheit "Einheit" zusammengehalten, denn es gilt die Einheit sowohl in der Kooperation als auch im Konflikt aufrechtzuerhalten;
- Die Gegensätze "Idee" und "Werk" werden von der Spannungseinheit "Wirklichkeit" zusammen gehalten, denn die Wirklichkeitserkenntnis und die Wirklichkeitsgestalt bedingen einander;
- Die Gegensätze "Teil" (Fragment, Glied) und werden von der Spannungseinheit "Ganzheit" zusammengehalten, denn die Ganzheit ist einerseits im Teil (Fragment, Glied) enthalten, aber eben nur perspektivtisch, während nur der auf den Zusammenhang der einzelnen Teile blickt, die Grenzen des jeweiligen Ganzen wahrnehmen kann.
Warum Papst Franziskus den Zeitpunkt, die kooperative Einheit, die im Werk geschaffene Wirklichkeit und den Zusammenhang der Glieder "vernachlässigt", wird in der Kennzeichnung als Handlungsprinzip oder -linie deutlich, denn in der Handlung selbst ist es wichtiger,
- sich genügend Zeit (Zeitraum) zu nehmen, als am richtigen Ort (Raum) zur richtigen Zeit zu beginnen, da beginnen leichter ist als vollenden:
- sich auch im Konflikt der Einheit gewahr zu bleiben, was schwerer ist, als wenn man sich schon in der Kooperation befindet; wobei jede noch so gut gemeinte Kooperation nicht zur Einheit führt, wenn die Bereitschaft, Konflikte richtig auszutragen fehlt;
- sich die Wirklichkeit in der konkreten Verwirklichung gerne in einen Aktivismus und Technizismus flüchtet, der glaubt, ohne eine mühsame Klärung der zugrundeliegenden Ideen auskommen zu können;
- sich die Ganzheit ohnehin gern als großer, grober Zusammenhang darstellt und dabei die Liebe zum feinen Teil (Detail) außer Acht lässt.
Wenn Franziskus, wie aufgrund seiner intensiven Beschäftigung mit Guardini anzunehmen ist, die Gegensatzlehre Guardinis in ihrer Gestalt wahrgenommen hat, lag es ihm wohl fern, mit seinen vier Handlungsrichtlinien polare Gegensätze zu beschreiben, sondern wichtige handlungsleitende Begriffe so in Beziehung zu setzen, dass die Prioritäten in den Blick kommen, die als Spannungseinheiten die polaren Gegensätze auch wirklich in Spannung halten können.