Michelangelo: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Version vom 28. Mai 2022, 17:13 Uhr
Michelangelo Buonarroti - vollständiger Name Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni (1475-1564) war ein italienischer Maler, Bildhauer, Baumeister (Architekt) und Dichter. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der italienischen Hochrenaissance und weit darüber hinaus.
Primärliteratur Guardini
Weitere Zitate aus der Primärliteratur
Briefe an Josef Weiger
- S. 115: 34. Brief vom 02.11.1913, Freiburg: "Ein tiefes, gar zartes Gemüt, das nur meist nicht herauskann, weil der Kampf zu groß, weil das, was um es herum ist, zu stark und wild ist, - kommts aber einmal durch - wie der kurze Silberblick im kochenden Metall - dann ists von einer so zarten Schönheit, wie ein Wunder - ! Grünewald hats, Michelangelo, auch bei anderen hab ichs gefunden. Und an solchen Stellen schaut man dem Menschen tief ins Herz hinein; oft ists nur wie ein leises Lächeln, das vorüberhuscht, und bald ist die Stirn wieder finster; der Mund hart! Hat man es aber einmal gesehen, dann muß man ihn lieb haben, mit einer, fast möcht' ich sagen, sorgenden Liebe, dann hat man das Kind gesehen, unter dem schweren Panzer."
- S. 153: 50. Brief vom 10.01.1915, Freiburg: "Mit Roloff hatte ich seitdem manches interessante Gespräch. Neulich abend spielte und erklärte er mir eine Sonate von Beethoven. Du hättest mehr als ich davon gehabt, denn Musik liegt mir doch ferner als die bildende Kunst. Er erzählte viel von Beethoven, mit dem er seit Kindheitszeiten vertraut ist. Er meint, Schöpfertum sei wohl in keinem Musiker so rein und gewaltig gewesen, wie in Beethoven und er stellt ihn in nächste Parallele zu Michelangelo. Interessant ist, daß Goethe sich unter Beethoven unterordnete. Hättest Du Lust, einmal etwas über ihn zu lesen?"
- S. 194: 66. Brief vom 27.08.1916, Mainz: "Ich unterscheide Gefühl, das sich zur Leidenschaft steigern kann, von Gemüt. Jenes scheint mir die Seelenreaktion des Gestalters, dieses des Schöpfers zu sein. Jenes ist wesentlich dem Objekt zugewandt, oder steht wenigstens mit ihm in Beziehung; dieses ruht in sich. Jenes behält, bei aller Tiefe und Fruchtbarkeit etwas relativ Äußerliches; dieses ist in eminentem Sinn innerlich. Jenes hat Beziehung zur Rhetorik, dieses zum visionären Ausdruck. Raffael hatte Leidenschaft, Michelangelo (italienisches) Gemüt (ebenso Dante). Beide konnten sich nicht leiden, und, bezeichnenderweise, sagte Michelangelo, Raffaels Kunst sei nicht Natur, sondern gelernt, d.h.: nicht ex intimis aufsteigend, sondern »äußerlich«."
- S. 198f.: 68. Brief vom 20.10.1916, Mainz: "Daß Deine Gegenüberstellung von Seins- und Werturteil von größter Fruchtbarkeit ist, ist sicher. Ich habe das Empfinden, als ob die Begriffe noch geklärt werden müßten. Vielleicht decken sie sich mit denen von Idealismus und Realismus. Dabei verstehe ich unter dem ersteren die Verfassung des Geistes, die auf das gerichtet ist, »was sein sollte«, und es, mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Verachtung für das Wirkliche, in diesem durchzusetzen sucht; der andere ist auf das Wirklich-Gegebene gerichtet, und sucht von da aus weiterzukommen. Je nachdem nun, kann dieser »Idealismus« ein mehr willensmäßiger sein, und kommt dann im eigentlichen »Werturteil« zum Ausdruck (theoretisch in Fichte, praktisch in Luther, Kalvin, Savonarola ...) oder ein mehr schöpferisch-phantasiemäßiger und äußert sich im Schöpfer-Künstler (Michelangelo, Grünewald, Kaspar [!], Brahms ...) oder ein rein verständig-kontemplativer, (Plato) - analog hat der Realismus verschiedene Formen."
Religiöse Gestalten in Dostojewskijs Werk
- S. 293: über Parfen Semlonowitsch Rogoshin: "Er ist ein seltsamer, furchtbarer und rührender Mensch. Ich glaube nicht, daß er in der Welt Dostojewskijs einen Verwandten hat. Es ist, als sei er nur erst halb aus der Erde heraus. Man denkt an die unvollendeten Plastiken Michelangelos, deren Leiber sich aus dem Stein herausringen wollen, aber ihm verhaftet bleiben."
Hölderlin
- S. 50 f.: "Diese Güte »reizt« sie: das Wort meint jene geheimnisvolle Berührung, welche die Ekstasis des Lebens auslöst. Der visionäre Anruf - wir denken etwa an das, was der Gebärde der delphischen Sibylle Michelangelos voraufgegangen ist: an den inneren Laut, auf welchen hin der Kopf herumfährt - entrückt ins Schauen und Hören; aus ihm kommt jene Zustandsverwandlung der Dinge, durch welche sie »offen«, für den verborgenen Sinn durchscheinend werden. Die dionysische Berührung hebt in ein Handeln, durch welches die tägliche Tätigkeit ebenso überstiegen wird, wie das allgemeine Blicken und Verstehen durch das visionäre Schauen. Wie der Seher unter die Gesetze neuer Erkenntnis tritt, so der dionysisch Angerührte unter die eines neuen, des ekstatischen, Untergang bringenden Tuns."
Freiheit - Gnade - Schicksal
- S. 113: "einen Augenblick des Friedens also im beständigen Kampf und eine Verheißung beseligender Möglichkeiten im Überdruß des Alltags. Den gleichen Charakter haben gewisse Kunstwerke. Wiederum nicht die gewaltigsten, oder erhabensten, oder tiefsinnigsten, sondern jene, die zu reiner Leichtigkeit geraten sind. Bilder Matthias Grünewalds oder Plastiken Michelangelos haben ihn nicht;"
Der Anfang aller Dinge / Weisheit der Psalmen
- S. 38 "Michelangelo hat auf seinem vielgerühmten Deckenbild in der »Sixtina« den Menschen dargestellt, wie er schon lebt und Gott die Hand entgegenstreckt, um vom Finger des Schöpfers den Funken des Geistes zu empfangen. Das ergibt eine wunderbare Komposition, verfehlt aber den Sinn des Berichts, denn was nach diesem da liegt, ist noch erst lebloses Gebilde. Dann beugt sich Gott über es und haucht ihm »Odem des Lebens« ein. In dem Wort geht vieles ineinander: der Atem, der geheimnisvoll den Körper durchdringt; das Leben, das wächst, empfindet und sich regt; der Geist, der denkt und plant; ja sogar das Pneuma, der Gotteshauch, der den Propheten erfüllt. Alles das klingt an und läßt das Unerhörte der menschlichen Existenz empfinden."
- S. 95: "Und wie ist es mit den Großen? Blicken wir doch in das Antlitz Beethovens: Woher kommt der furchtbare Ernst darin? Woher die Traurigkeit in den Augen Michelangelos? Die Bitterkeit in den Zügen Dantes? Haben die großen Wissenschafter und Philosophen Gesichter, aus denen erfüllte Hoffnung spricht? Sehen die bedeutenden Staatsmänner, Erzieher, Sozialreformer aus, als seien sie ihres Werkes wirklich und im Innersten froh geworden?"
Unterscheidung des Christlichen - Band 1: Aus dem Bereich der Philosophie
- S. 220: "In Wahrheit ist es so, daß hier lebendige Gegenwerte stehen, in Paaren, wie folgende: echtes Wachsein und echter Schlaf; Licht und - nicht Finsternis, sondern: Dunkel; "Dunkel" in dem Sinne, wie ein Michelangelo, ein Novalis von ihm geredet haben. Höhe und - nicht die unterste Seinsstufe, sondern die lebendige Gegensphäre zur Höhe, die "Tiefe"; ein Sachverhalt, der etwa zum Ausdruck kommt, wenn im Lateinischen das gleiche Wort altus für hoch und tief steht, oder wenn das Urteil "dies ist tief" ebenwertig ist dem anderen "dies ist hoch", nur in entgegengesetzte Richtung zielt. Beide Gegensatzseiten sind Formen von Wert; Formen von Sinn; Formen von Leben; Formen von Geist, nur nach verschiedener Sinnrichtung gehend."
Predigten zum Kirchenjahr
- S. 17: "Die Schrift sagt, daß der erste Mensch »aus Erde« gebildet wurde. Hinter diesem Wort stehen alle Probleme der Wissenschaft. Darüber, wie das zugegangen ist, wie es mit den Fragen der Wissenschaft steht, spricht die Schrift nicht. Der Mensch, von dem die Schrift redet, ist der jenes Augenblickes, da er zu Gott erwacht. Ihr kennt vielleicht das Bild Michelangelos, wo der Leib des Adam daliegt, schwer, noch nicht fähig, sich frei zu bewegen; wie er die Hand zu Gott hinstreckt, noch schwach, gebunden - und es ist, als ob ein Funke vom Finger Gottes herüberspringe ..."
Ethik
- S. 652: "Es wäre zu erinnern an das merkwürdige Phänomen der Altersjugend: daß ein Mann, der den Sturm und Drang der Jugendepoche, und das ausgeglichene Werk seiner reifen Zeit durchlebt und durchschaffen hat, einen neuen schöpferischen Durchbruch, einen neuen Sturm erlebt: Tizian (Dornenkrönung), Michelangelo (Pieta), Beethoven (Spätwerk) ..."
- S. 799 f.: "In der Neuzeit gibt es Kunstwerke, in denen diese Tatsache noch elementar fühlbar wird; das größte ist das Drama Shakespeares. Darin redet die Welt. Doch wird die individuelle Initiative immer wirksamer. Immer mehr ist es dieser da, der spricht, ob es Michelangelo oder Rembrandt ist - die Kleineren und Kleinsten, die sich oft so wichtig nehmen, gar nicht zu nennen."
Dantes Göttliche Komödie
- S. 431: "Die Gedanken, Bilder, Formen der Antike werden als etwas angenommen was ebenso ursprünglich und gegeben ist wie die Natur ... Sozusagen Natur zweiten Grades ... Nicht als >heidnisch<, sondern als in einem Erwartungsverhältnis zum christlichen stehend. So auch Dante. Wenn [er] Christus »sommo Giove« nennt, ist das etwas ganz anderes, als wenn Michelangelo in der Sixtina ... Es ist eine ruhig-selbstverständliche In-Besitz-Nahme, wie wenn die Liturgie vom Christus-Sol redet ..."
Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 1
- S. 17: "Zwei Dinge sind in unser Leben getreten, die unsere Kultur zum schroffsten Gegensatz der Renaissance machen: die Maschine und ihre Schwester, die eiserne Arbeit. Was soll uns da die leuchtende Pracht eines Sebastiano del Piombo, die ziervolle Grazie Botticellis, die gelöste würdige Anmut Rafaels? Wie fern steht Bramante unserem architektonischen Empfinden, wie fern Michelangelo unserem Monumentalwillen! Kann er uns die Form offenbaren, die unsere Brücken und unsere Talsperren suchen?"
Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 3
- S. 137: "Wir wollen den Christus von Monreale, die Madonna von Torcello, die Heiligen von Sant’ Apollinare und was sonst noch an Mosaiken, Kirchenfenstern, Plastiken, Malereien von gleicher Art ist, Kultbilder nennen. Der Christus des Michelangelo hingegen, die Madonna des Tizian, die Gestalten Raffaels und Dürers und alles, was mit ihnen verwandt ist, sollen Andachtsbilder heißen. Das zweite Wort ist leider nicht gut, denn es enthält gegenüber dem hohen Anspruch des anderen einen etwas abwertigen Ton; ich finde aber kein besseres ..."
- S. 340: "Wodurch der Antrieb zum Werk ausgelöst wird, ist in verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Persönlichkeiten jeweils etwas anderes. Das Interesse mancher Künstler geht auf das Substantielle des Gegenstandes, auf die Gestalten in ihren Verhältnissen und Mächtigkeiten, so meistens in der Antike; das anderer auf die Atmosphäre zwischen den Gestalten, das Licht, die Stimmung, wie etwa bei den Impressionisten. Manche Künstler suchen die Konstruktion des Gegenstandes, die Architektur der Gruppe oder des Vorgangs, so ein Andrea del Sarto; andere die strömenden Kräfte, den Fluß der Bewegungen, das Dynamische des Geschehens – denken wir an die Fresken Michelangelos."
Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 4
- S. 260: "Unter „Kunststil“ wird die malerische, plastische, architektonische usw. Formensprache verstanden, wie sie jeweils durch die Art des Sehens und Empfindens, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die technischen Möglichkeiten usw. bestimmt ist. Von einem Stil in diesem Sinne reden wir mit Bezug auf ganze Epochen, etwa einem romanischen im Unterschied zum gotischen; mit Bezug auf soziale Schichten, etwa einem höfischen im Unterschied zum bürgerlichen; mit Bezug auf einzelne Meister, etwa dem Stil El Grecos im Unterschied zu dem Michelangelos."
Sekundärliteratur über das Verhältnis von Guardini zu Michelangelo
Internet
- Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Michelangelo