Henry Kissinger: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Romano-Guardini-Handbuch
 
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== Romano Guardini und Henry Kissinger ==
== Romano Guardini und Henry Kissinger ==


1954 schreibt Guardini einen "Brief eines Deutschen an einen Amerikaner", nämlich an den frisch promovierten Dr. phil. Heinz Alfred Kissinger, genannt Henry Kissinger.
1954 schreibt Guardini einen "Brief eines Deutschen an einen Amerikaner". Adressat ist Henry Kissinger.


=== Historischer Kontext ===
=== Historischer Kontext ===
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Das Typoskript [[Über Loyalität. Brief eines Deutschen an einen Amerikaner]], R2 auf R3 trägt das Datum vom 9. Februar 1954.  
Das Typoskript [[Über Loyalität. Brief eines Deutschen an einen Amerikaner]], R2 auf R3 trägt das Datum vom 9. Februar 1954.  


Offensichtlich hatte Kissinger schließlich aufgrund des anvisierten Erscheinungstermins am 16. Februar 1954 einen weiteren Brief an Guardini betreffend des Beitrages geschrieben (Bayerische Staatsbibliothek Ana 342, B21/02-019-1). Darin rekurriert er auf eine Konservation aus dem Jahr 1953 und gibt ihm einen Abgabetermin 10. April 1954 vor.
Offensichtlich hatte Kissinger schließlich aufgrund des anvisierten Erscheinungstermins am 16. Februar 1954 einen weiteren Brief an Guardini betreffend des Beitrages geschrieben (Bayerische Staatsbibliothek Ana 342, B21/02-019-1). Darin rekurriert er auf eine Konversation aus dem Jahr 1953 und gibt ihm einen Abgabetermin 10. April 1954 vor.


Dieser ist für Guardini nicht einzuhalten, zumal er mit seinem bisherigen Entwurf dazu, nicht ganz zufrieden war. Denn Guardini schrieb am 23. März 1954 sowohl an Kissinger als auch an [[Hans Egon Holthusen]], der wohl mit einem Brief vom 1. März 1954 zu vermitteln versuchte, eine Absage (B21/02-019-2 und B21/02-019-3). Gegenüber Kissinger bringt er zum Ausdruck, er sei nach dem ersten Entwurf "mit der Sache stecken geblieben", weil ihm sein Ansatz fraglich geworden sei. Da es ja aber um "schwer auszudrückende Dinge" handle, sah Guardini die Gefahr, die Sache "noch mehr" zu verwirren, so dass er den Aufsatz "nicht mit gutem Gewissen schreiben" könne. Holthusen gegenüber ergänzt er, dass dieser sicherlich wisse, wie es sei, wenn sich einem ein Thema "einfach nicht geben" wolle.
Dieser ist für Guardini nicht einzuhalten, zumal er mit seinem bisherigen Entwurf dazu, nicht ganz zufrieden war. Denn Guardini schrieb am 23. März 1954 sowohl an Kissinger als auch an [[Hans Egon Holthusen]], der wohl mit einem Brief vom 1. März 1954 zu vermitteln versuchte, eine Absage (B21/02-019-2 und B21/02-019-3). Gegenüber Kissinger bringt er zum Ausdruck, er sei nach dem ersten Entwurf "mit der Sache stecken geblieben", weil ihm sein Ansatz fraglich geworden sei. Da es ja aber um "schwer auszudrückende Dinge" handle, sah Guardini die Gefahr, die Sache "noch mehr" zu verwirren, so dass er den Aufsatz "nicht mit gutem Gewissen schreiben" könne. Holthusen gegenüber ergänzt er, dass dieser sicherlich wisse, wie es sei, wenn sich einem ein Thema "einfach nicht geben" wolle.
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Er hatte den Beitrag also angefangen, aber noch nicht für "druckreif" erachtet. Aufgrund seines hohen Anspruchs an sich selbst, hielt er ihn noch nicht für ausgereift. Er wurde daher weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten gedruckt und blieb im Archiv. Der Briefwechsel wurde von Guardini bzw. seiner Sekretärin in den jahrgangsweisen Ordnern "Absagen" abgelegt. Diese Ordner haben bislang in der Guardini-Forschung nur wenig Beachtung gefunden.
Er hatte den Beitrag also angefangen, aber noch nicht für "druckreif" erachtet. Aufgrund seines hohen Anspruchs an sich selbst, hielt er ihn noch nicht für ausgereift. Er wurde daher weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten gedruckt und blieb im Archiv. Der Briefwechsel wurde von Guardini bzw. seiner Sekretärin in den jahrgangsweisen Ordnern "Absagen" abgelegt. Diese Ordner haben bislang in der Guardini-Forschung nur wenig Beachtung gefunden.


Die Vermutung von [[Felix Messerschmid]], der Brief Guardinis an Kissinger "[[Über Loyalität]]" sei wohl "aus der in der damaligen Lage gebotenen politischen Diskretion vom Verfasser nicht veröffentlicht" worden (Felix Messerschmid (Hrsg.): Manuskripte aus dem Nachlaß, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Stuttgart, 21, 1970, S. 709) hinfällig, da der Beitrag gar nicht an Henry Kissinger abgeschickt wurde.  
Die Vermutung von [[Felix Messerschmid]], der Brief Guardinis an Kissinger "[[Über Loyalität]]" sei wohl "aus der in der damaligen Lage gebotenen politischen Diskretion vom Verfasser nicht veröffentlicht" worden (Felix Messerschmid (Hrsg.): Manuskripte aus dem Nachlaß, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Stuttgart, 21, 1970, S. 709) ist somit hinfällig, da der Beitrag gar nicht an Henry Kissinger abgeschickt wurde.  


Messerschmid selbst äußerte sich am 31. Januar 1973 noch einmal gegenüber Prof. Schäfers (BSB, B 4-2-39) genauer. Offensichtlich hatte er selbst nach der Veröffentlichung noch weitere Informationen bekommen. Demnach habe dem mit Guardini bekannten, fast befreundeten Hochkommissar für die amerikanische Besatzungszone in München, [[George N. Shuster]] viel daran gelegen, "seinen amerikanischen Landsleuten etwas von deutscher Mentalität begreiflich zu machen." Daher habe er Henry Kissinger, der nach der Kapitulation öfter in Bayern eingesetzt war, dazu veranlasst, "Guardini um eine Darstellung dieser oder ähnlicher Thematik zu bitten." Messerschmid betont, dass der Brief nur in Amerika veröffentlicht werden sollte, und es ihm und der Sekretärin Guardinis auch 1973 noch nicht gelungen sei, "festzustellen, ob und wo das geschehen ist." Messerschmid hatte zwar einen Briefwechsel von 1954 zwar in die Bayerische Staatsbibliothek abgegeben, aber zuvor offensichtlich nicht gelesen, da er auch im Nachlass "keine Anhaltspunkte dafür" gefunden habe. Auch seine Nachforschungen in Amerika selbst blieben ohne Ergebnis. Guardini habe ihm aber erzählt, "daß Mr. Shuster für den Brief sehr dankbar war. Guardini hatte den Eindruck, er habe dazu geholfen, daß die Amerikaner deutsches Bewusstsein besser verstanden." Eventuell hat Guardini daher den Entwurf später doch an [[George N. Shuster]] geschickt. Dafür gibt es allerdings bislang keinen von Messerschmids Gesprächserinnerung unabhängigen Beleg.
Messerschmid selbst äußerte sich am 31. Januar 1973 in einem Brief gegenüber Prof. Schäfers (BSB, B 4-2-39) noch einmal genauer. Offensichtlich hatte er selbst nach der Veröffentlichung noch weitere Informationen bekommen. Demnach habe dem mit Guardini bekannten, fast befreundeten Hochkommissar für die amerikanische Besatzungszone in München, [[George N. Shuster]] viel daran gelegen, "seinen amerikanischen Landsleuten etwas von deutscher Mentalität begreiflich zu machen." Daher habe er Henry Kissinger, der nach der Kapitulation öfter in Bayern eingesetzt war, dazu veranlasst, "Guardini um eine Darstellung dieser oder ähnlicher Thematik zu bitten." Messerschmid betont, dass der Brief nur in Amerika veröffentlicht werden sollte, und es ihm und der Sekretärin Guardinis auch 1973 noch nicht gelungen sei, "festzustellen, ob und wo das geschehen ist." Messerschmid hatte zwar einen Briefwechsel von 1954 in den Absage-Ordnern zwar in die Bayerische Staatsbibliothek abgegeben, aber zuvor offensichtlich nicht gelesen, da er angibt, auch im Nachlass "keine Anhaltspunkte dafür" gefunden zu haben. Auch seine Nachforschungen in Amerika selbst seien ohne Ergebnis geblieben. Guardini habe ihm aber erzählt, "daß Mr. Shuster für den Brief sehr dankbar war. Guardini hatte den Eindruck, er habe dazu geholfen, daß die Amerikaner deutsches Bewusstsein besser verstanden." Eventuell hat Guardini daher den Entwurf später doch an [[George N. Shuster]] geschickt. Dafür gibt es allerdings bislang keinen von Messerschmids Gesprächserinnerung unabhängigen Beleg.


Das 1952 von Kissinger begründete vierteljährliche Magazin „Confluence“ (Walter Isaacson: Kissinger. A Biography, New York u.a. 1992, Four: Harvard. The Ambitious Student, 1947-1955, S. 59) enthielt schließlich im Laufe des Jahrgang 1954 eine Reihe von Artikel über Loyalität, die wiederum ihren Ursprung in einem schriftlichen „Symposium on the ethics of loyalty“ zu haben scheinen (siehe: https://books.google.de/books?id=YOMdAAAAMAAJ). Dazu tragen aus dem deutschen Sprachraum Ernst Jünger, Karl Jaspers, Ernst von Salamon, Carl J. Friedrich und Hans Rothfels bei.
Das 1952 von Kissinger begründete vierteljährliche Magazin „Confluence“ (Walter Isaacson: Kissinger. A Biography, New York u.a. 1992, Four: Harvard. The Ambitious Student, 1947-1955, S. 59) enthielt schließlich im Laufe des Jahrgang 1954 eine Reihe von Artikel über Loyalität, die wiederum ihren Ursprung in einem schriftlichen „Symposium on the ethics of loyalty“ zu haben scheinen (siehe: https://books.google.de/books?id=YOMdAAAAMAAJ). Dazu tragen aus dem deutschen Sprachraum Ernst Jünger, Karl Jaspers, Ernst von Salamon, Carl J. Friedrich und Hans Rothfels bei.
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* Reinhold Niebuhr („The ethics of loyalty (A summery)“, in: Confluence, 3, 1954, Dezember, S. 480-489)
* Reinhold Niebuhr („The ethics of loyalty (A summery)“, in: Confluence, 3, 1954, Dezember, S. 480-489)


Da die Beiträge ja auch noch übersetzt werden mussten und im Laufe des Jahres 1954 alle erscheinen sollten (und die anderen auch erschienen sind), wäre Guardinis Beitrag, selbst wenn Kissinger den Abgabetermin über Mitte April hinaus verlängert hätte, also in jedem Fall zu spät gekommen. Die Absage wurde von Shuster und Kissinger sicherlich bedauert, zumal ein Leserbrief ausdrücklich die Abwesenheit des christlichen Standpunkts kritisierte (siehe Confluence, 4, 1955, S. 119).
Da die Beiträge ja auch noch übersetzt werden mussten und im Laufe des Jahres 1954 alle erscheinen sollten (und die anderen ja auch erschienen sind), wäre Guardinis Beitrag, selbst wenn Kissinger den Abgabetermin über Mitte April hinaus verlängert hätte, also in jedem Fall zu spät gekommen. Die Absage wurde von Shuster und Kissinger sicherlich bedauert, zumal ein Leserbrief ausdrücklich die Abwesenheit des christlichen Standpunkts kritisierte (siehe Confluence, 4, 1955, S. 119).


Bislang konnten auch für die Zeit nach 1954 keine weiteren Kontakte zu Romano Guardini aufgefunden werden.
Bislang konnten auch für die Zeit nach 1954 keine weiteren Kontakte zu Romano Guardini aufgefunden werden.

Aktuelle Version vom 3. Dezember 2023, 15:09 Uhr

Henry Alfred Kissinger (1923-2023) war ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler und ehemaliger Politiker der Republikanischen Partei.

Biographie

  • deutsch-jüdische Eltern
  • Kindheit und Jugend in Fürth
  • 1938 Emigration mit den Eltern in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er lebte zunächst in New York City, im damals deutsch-jüdisch geprägten Ortsteil Washington Heights von Manhattan.
  • Schulzeit auf der George Washington High School.
  • 19. Juni 1943 amerikanische Staatsbürgerschaft, nachdem er im selben Jahr zum Militärdienst eingezogen worden war. Im Ausbildungslager Camp Claiborne (Louisiana) lernte er den ebenfalls aus Deutschland emigrierten Juristen und Politologen Fritz G. A. Kraemer kennen, der ihn nachhaltig sein Denken beeinflusst habe. Der Zweite Weltkrieg brachte beide 1944 als Soldaten nach Deutschland zurück.
  • Nach Kriegsende blieb Kissinger in Deutschland und arbeitete zunächst von Mitte 1945 bis April 1946 in der amerikanischen Besatzungszone beim Counter Intelligence Corps in Bensheim (Hessen), dann war er als Dozent für die „European Command Intelligence School“ in Oberursel (Taunus) und/oder Oberammergau. Theoretisch könnte Kissinger in dieser Zeit Guardini kennengelernt oder zumindest als führende geistige Persönlichkeit wahrgenommen haben.
  • 1947 Rückkehr in die Vereinigten Staaten.
  • 1947 Studium der Politikwissenschaft am Harvard College
  • 1950 BA Degree Summa Cum Laude am Harvard College
  • 1952 und 1954 PhD Degrees an der Harvard University mit einer Dissertation unter dem Titel „A World Restored: Metternich, Castlereagh and the Problem of Peace 1812-1822“ (dt. „Großmachtdiplomatie. Von der Staatskunst Castlereaghs und Metternichs, Düsseldorf 1962), die große Beachtung fand.
  • 1954 (zum Zeitpunkt des Briefes von Guardini): Leitung der Sommeruniversität "Harvard International Seminar" an der Harvard University (bis 1971). Er gehörte dabei der Fakultät an, sowohl im Department of Government als auch im Center for International Affairs.
  • 1954 Arbeit über die Frage nach der militärischen Herausforderung der USA durch die Sowjetunion („Nuclear Weapons and Foreign Policy“; dt. „Kernwaffen und auswärtige Politik“, München 1959)
  • 1957-1960 Associate Direktor des Centers for International Affairs, als solcher Berater des New Yorker Gouverneurs Nelson Rockefeller
  • 1958-1971 Direktor des Harvard Defense Studies Program, ab 1962 als Professor, davon bis 1965 mit vollem, dann mit reduziertem Lehrdeputat, 1969-1971 mit überwiegenden Abwesenheiten; in dieser Funktion aber bereits Berater der amerikanischen Präsidenten Kennedy und Johnson in außenpolitischen, Sicherheits- und Abrüstungsfragen.
  • 1969-1975 Assistant to the President for National Security Affairs (Leiter des nationalen Sicherheitsrates unter Präsident Richard Nixon).
  • 1973-1977 56. Secretary of State of the United States (Außenminister der Vereinigten Staaten),zunächst noch unter Nixon, dann unter Präsident Gerald Rudolph Ford
  • 1973 Friedensnobelpreis gemeinsam mit dem vietnamesischen Politiker Le Duc Tho für ihre gemeinsamen Friedensbemühungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vietnam. Die beiden hatten ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen für Nordvietnam ausgehandelt.
  • 1977-1981 Direktor der amerikanischen Denkfabrik „Council on Foreign Relations“
  • 1982 Ruhestand, in diesem aber Tätigkeit für die eigene Beratungsfirma „Kissinger Associates“.

Romano Guardini und Henry Kissinger

1954 schreibt Guardini einen "Brief eines Deutschen an einen Amerikaner". Adressat ist Henry Kissinger.

Historischer Kontext

Das Typoskript Über Loyalität. Brief eines Deutschen an einen Amerikaner, R2 auf R3 trägt das Datum vom 9. Februar 1954.

Offensichtlich hatte Kissinger schließlich aufgrund des anvisierten Erscheinungstermins am 16. Februar 1954 einen weiteren Brief an Guardini betreffend des Beitrages geschrieben (Bayerische Staatsbibliothek Ana 342, B21/02-019-1). Darin rekurriert er auf eine Konversation aus dem Jahr 1953 und gibt ihm einen Abgabetermin 10. April 1954 vor.

Dieser ist für Guardini nicht einzuhalten, zumal er mit seinem bisherigen Entwurf dazu, nicht ganz zufrieden war. Denn Guardini schrieb am 23. März 1954 sowohl an Kissinger als auch an Hans Egon Holthusen, der wohl mit einem Brief vom 1. März 1954 zu vermitteln versuchte, eine Absage (B21/02-019-2 und B21/02-019-3). Gegenüber Kissinger bringt er zum Ausdruck, er sei nach dem ersten Entwurf "mit der Sache stecken geblieben", weil ihm sein Ansatz fraglich geworden sei. Da es ja aber um "schwer auszudrückende Dinge" handle, sah Guardini die Gefahr, die Sache "noch mehr" zu verwirren, so dass er den Aufsatz "nicht mit gutem Gewissen schreiben" könne. Holthusen gegenüber ergänzt er, dass dieser sicherlich wisse, wie es sei, wenn sich einem ein Thema "einfach nicht geben" wolle.

Er hatte den Beitrag also angefangen, aber noch nicht für "druckreif" erachtet. Aufgrund seines hohen Anspruchs an sich selbst, hielt er ihn noch nicht für ausgereift. Er wurde daher weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten gedruckt und blieb im Archiv. Der Briefwechsel wurde von Guardini bzw. seiner Sekretärin in den jahrgangsweisen Ordnern "Absagen" abgelegt. Diese Ordner haben bislang in der Guardini-Forschung nur wenig Beachtung gefunden.

Die Vermutung von Felix Messerschmid, der Brief Guardinis an Kissinger "Über Loyalität" sei wohl "aus der in der damaligen Lage gebotenen politischen Diskretion vom Verfasser nicht veröffentlicht" worden (Felix Messerschmid (Hrsg.): Manuskripte aus dem Nachlaß, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Stuttgart, 21, 1970, S. 709) ist somit hinfällig, da der Beitrag gar nicht an Henry Kissinger abgeschickt wurde.

Messerschmid selbst äußerte sich am 31. Januar 1973 in einem Brief gegenüber Prof. Schäfers (BSB, B 4-2-39) noch einmal genauer. Offensichtlich hatte er selbst nach der Veröffentlichung noch weitere Informationen bekommen. Demnach habe dem mit Guardini bekannten, fast befreundeten Hochkommissar für die amerikanische Besatzungszone in München, George N. Shuster viel daran gelegen, "seinen amerikanischen Landsleuten etwas von deutscher Mentalität begreiflich zu machen." Daher habe er Henry Kissinger, der nach der Kapitulation öfter in Bayern eingesetzt war, dazu veranlasst, "Guardini um eine Darstellung dieser oder ähnlicher Thematik zu bitten." Messerschmid betont, dass der Brief nur in Amerika veröffentlicht werden sollte, und es ihm und der Sekretärin Guardinis auch 1973 noch nicht gelungen sei, "festzustellen, ob und wo das geschehen ist." Messerschmid hatte zwar einen Briefwechsel von 1954 in den Absage-Ordnern zwar in die Bayerische Staatsbibliothek abgegeben, aber zuvor offensichtlich nicht gelesen, da er angibt, auch im Nachlass "keine Anhaltspunkte dafür" gefunden zu haben. Auch seine Nachforschungen in Amerika selbst seien ohne Ergebnis geblieben. Guardini habe ihm aber erzählt, "daß Mr. Shuster für den Brief sehr dankbar war. Guardini hatte den Eindruck, er habe dazu geholfen, daß die Amerikaner deutsches Bewusstsein besser verstanden." Eventuell hat Guardini daher den Entwurf später doch an George N. Shuster geschickt. Dafür gibt es allerdings bislang keinen von Messerschmids Gesprächserinnerung unabhängigen Beleg.

Das 1952 von Kissinger begründete vierteljährliche Magazin „Confluence“ (Walter Isaacson: Kissinger. A Biography, New York u.a. 1992, Four: Harvard. The Ambitious Student, 1947-1955, S. 59) enthielt schließlich im Laufe des Jahrgang 1954 eine Reihe von Artikel über Loyalität, die wiederum ihren Ursprung in einem schriftlichen „Symposium on the ethics of loyalty“ zu haben scheinen (siehe: https://books.google.de/books?id=YOMdAAAAMAAJ). Dazu tragen aus dem deutschen Sprachraum Ernst Jünger, Karl Jaspers, Ernst von Salamon, Carl J. Friedrich und Hans Rothfels bei.

  • Ernst Jünger („The retreat into the forest“, in: Confluence, 3, 1954, S. 127-142)
  • Richard Crossman (“The ethics of loyalty”, in: Confluence, 3, 1954, S. 143-154)
  • Sidney Hook (“Security and freedom”, in: Confluence, 3, 1954, S. 155-)
  • Karl Jaspers (“The fight against totalitarism”, in: Confluence, 3, 1954, S. 251-266)
  • Enzo Enriques Agnotelli („Is loyalty national or universal“, in: Confluence, 3, 1954, S. 267-279)
  • Raymond Aron („On treason“, in: Confluence, 3, 1954, S.280-294)
  • Ernst von Salomon (“The silent revolt”, in: Confluence, 3, 1954, S. 295-306)
  • Carl. J. Friedrich („Loyalty and authoriy“, in: Confluence, 3, 1954, S. 307-316)
  • William H. Whyte, Jr. (“Individualism in suburbia”, in: Confluence, 3, 1954, S. 317-329)
  • Robert K. Carr („Congressional Investigating Committees and the control of subversive activity“, in: Confluence, 3, 1954, S. 330-341)
  • Russell Kirk („Conformity and legislative committees, in: Confluence, 3, 1954, S. 342-354
  • Hans Rothfels (“Psychological and moral problems of the german opposition to Hitler”, in: Confluence, 3, 1954, S. 423)
  • Jules Monnerot (“Intellectual nihilism and the crisis of authority”, in: Conflulence, 3, 1954, S. 434-445)
  • Bernard Crick (“Can there be an american totalitarianism?”, in: Confluence, 3, 1954, S. 446-462)
  • Albert A. Mavrinac (“Congressional investigation”, in: Confluence, 3, 1954, S. 463-479)
  • Reinhold Niebuhr („The ethics of loyalty (A summery)“, in: Confluence, 3, 1954, Dezember, S. 480-489)

Da die Beiträge ja auch noch übersetzt werden mussten und im Laufe des Jahres 1954 alle erscheinen sollten (und die anderen ja auch erschienen sind), wäre Guardinis Beitrag, selbst wenn Kissinger den Abgabetermin über Mitte April hinaus verlängert hätte, also in jedem Fall zu spät gekommen. Die Absage wurde von Shuster und Kissinger sicherlich bedauert, zumal ein Leserbrief ausdrücklich die Abwesenheit des christlichen Standpunkts kritisierte (siehe Confluence, 4, 1955, S. 119).

Bislang konnten auch für die Zeit nach 1954 keine weiteren Kontakte zu Romano Guardini aufgefunden werden.

1970 Posthume Veröffentlichung

Messerschmid hat es dann in der von ihm mitverantworteten Zeitschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 1970 posthum drucken lassen:

Inhalt

Sekundärbibliographie