1905: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Romano-Guardini-Handbuch
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* Im Sommer des Jahres 1905 fiel der junge Student Guardini schließlich in eine tiefe religiöse Krise, die er selbst detailliert in seinen autobiographischen Aufzeichnungen beschreibt. An einem Sommerabend am Brunnen vor der Münchner Universität sei er „mit einem Studenten - einem Kunsthistoriker, der ein sehr kostspieliges Leben führte und Kantianer zu sein behauptete - über religiöse Fragen” ins Gespräch gekommen: “Ich legte ihm die üblichen Argumente für die Existenz Gottes dar, und er er-widerte mit den Gedankengängen der kantischen Kritik. Damals ist mir der ganze Glaube zerronnen; richtiger gesagt, ich habe gemerkt, dass ich keinen mehr hatte.” (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 67.) | * Im Sommer des Jahres 1905 fiel der junge Student Guardini schließlich in eine tiefe religiöse Krise, die er selbst detailliert in seinen autobiographischen Aufzeichnungen beschreibt. An einem Sommerabend am Brunnen vor der Münchner Universität sei er „mit einem Studenten - einem Kunsthistoriker, der ein sehr kostspieliges Leben führte und Kantianer zu sein behauptete - über religiöse Fragen” ins Gespräch gekommen: “Ich legte ihm die üblichen Argumente für die Existenz Gottes dar, und er er-widerte mit den Gedankengängen der kantischen Kritik. Damals ist mir der ganze Glaube zerronnen; richtiger gesagt, ich habe gemerkt, dass ich keinen mehr hatte.” (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 67.) | ||
* Leider ist es aufgrund der bereits zahlreichen Kunsthistoriker im damaligen Umfeld Guardinis heute wohl kaum mehr möglich, diesen selbsternannten „Kantianer” zu identifizieren. Von den schon bekannten Michel Stefan Oppenheimer, Karl Julius Berger und Franz Landsberger abgesehen, kommen zahlreiche Riehl-Schüler in Frage, unter anderem der zehn Jahre ältere [[Georg Martin Richter]] (1875-1942), der zum Sommersemester 1905 von einem Auslandsaufenthalt aus den Vereinigten Staaten zurückkehrte. | * Leider ist es aufgrund der bereits zahlreichen Kunsthistoriker im damaligen Umfeld Guardinis heute wohl kaum mehr möglich, diesen selbsternannten „Kantianer” zu identifizieren. Von den schon bekannten Michel Stefan Oppenheimer, Karl Julius Berger und Franz Landsberger abgesehen, kommen zahlreiche Riehl-Schüler in Frage, unter anderem der zehn Jahre ältere [[Georg Martin Richter]] (1875-1942), der zum Sommersemester 1905 von einem Auslandsaufenthalt aus den Vereinigten Staaten zurückkehrte. | ||
* Ähnlich wie Guardini war es in der Zwischenzeit wohl Karl Neundörfer ergangen, der schließlich in den Herbstferien 1905 seinen Freund besuchte. In diesem Zusammenhang beschreibt Guardini seinen Freund in seinen autobiographischen Erinnerungen: “Er kam aus einer tiefgläubigen katholischen Familie, geriet aber dann unter den Einfluss der damaligen neukantischen Strömung.... Unter dem Einfluss der kantischen Kritik hätte er die katholischen Überzeugungen aufgegeben und sich eine Lebensphilosophie zurechtgedacht, die in metaphysischen Dingen sehr zurückhaltend gewesen wäre und in einer durch religiöse Ehrfurcht hinterbauten Ethik gegipfelt hätte. Tatsächlich war auch er in die religiöse Krise geraten....” | * Ähnlich wie Guardini war es in der Zwischenzeit wohl Karl Neundörfer ergangen, der schließlich in den Herbstferien 1905 seinen Freund besuchte. In diesem Zusammenhang beschreibt Guardini seinen Freund in seinen autobiographischen Erinnerungen: “Er kam aus einer tiefgläubigen katholischen Familie, geriet aber dann unter den Einfluss der damaligen neukantischen Strömung.... Unter dem Einfluss der kantischen Kritik hätte er die katholischen Überzeugungen aufgegeben und sich eine Lebensphilosophie zurechtgedacht, die in metaphysischen Dingen sehr zurückhaltend gewesen wäre und in einer durch religiöse Ehrfurcht hinterbauten Ethik gegipfelt hätte. Tatsächlich war auch er in die religiöse Krise geraten. ...” (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 69 f.). | ||
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Version vom 10. August 2022, 07:16 Uhr
Biographie
- Im Sommer des Jahres 1905 fiel der junge Student Guardini schließlich in eine tiefe religiöse Krise, die er selbst detailliert in seinen autobiographischen Aufzeichnungen beschreibt. An einem Sommerabend am Brunnen vor der Münchner Universität sei er „mit einem Studenten - einem Kunsthistoriker, der ein sehr kostspieliges Leben führte und Kantianer zu sein behauptete - über religiöse Fragen” ins Gespräch gekommen: “Ich legte ihm die üblichen Argumente für die Existenz Gottes dar, und er er-widerte mit den Gedankengängen der kantischen Kritik. Damals ist mir der ganze Glaube zerronnen; richtiger gesagt, ich habe gemerkt, dass ich keinen mehr hatte.” (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 67.)
- Leider ist es aufgrund der bereits zahlreichen Kunsthistoriker im damaligen Umfeld Guardinis heute wohl kaum mehr möglich, diesen selbsternannten „Kantianer” zu identifizieren. Von den schon bekannten Michel Stefan Oppenheimer, Karl Julius Berger und Franz Landsberger abgesehen, kommen zahlreiche Riehl-Schüler in Frage, unter anderem der zehn Jahre ältere Georg Martin Richter (1875-1942), der zum Sommersemester 1905 von einem Auslandsaufenthalt aus den Vereinigten Staaten zurückkehrte.
- Ähnlich wie Guardini war es in der Zwischenzeit wohl Karl Neundörfer ergangen, der schließlich in den Herbstferien 1905 seinen Freund besuchte. In diesem Zusammenhang beschreibt Guardini seinen Freund in seinen autobiographischen Erinnerungen: “Er kam aus einer tiefgläubigen katholischen Familie, geriet aber dann unter den Einfluss der damaligen neukantischen Strömung.... Unter dem Einfluss der kantischen Kritik hätte er die katholischen Überzeugungen aufgegeben und sich eine Lebensphilosophie zurechtgedacht, die in metaphysischen Dingen sehr zurückhaltend gewesen wäre und in einer durch religiöse Ehrfurcht hinterbauten Ethik gegipfelt hätte. Tatsächlich war auch er in die religiöse Krise geraten. ...” (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 69 f.).
Archivalien
Sekundärbibliographie
Biographie und Allgemeines
Sommersemester 1905
- [1905-001] Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlich bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität zu München. - Sommersemester 1905, München 1905, zu Romano Guardini [historisch relevant für Sommersemester 1905 in München]; S. 68: Eintrag: „Name: Guardini Romano; Studium: Staatsw.; Heimat: Mainz, Hessen-D.; Wohnung: Veterinärstr. 4/2.“ [Mainz]/[München]/[Nationalökonomie] - [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://epub.ub.uni-muenchen.de/9658/1/pvz_lmu_1905_sose.pdf;
- [1905-002] Verzeichnis der Vorlesungen an der königlichen Ludwig-Maximilians-Universität zu München im Sommersemester 1905, München 1905 [historisch relevant für Sommersemester 1905 in München] [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://epub.ub.uni-muenchen.de/1123/1/vvz_lmu_1905_sose.pdf
- [1905-003] Aus der Münchener Studentenschaft, in: Allgemeine Zeitung. Münchener Stadt-Anzeiger und Bayerische Rundschau, München, 108, 1905, 234 (21. Mai 1905), Drittes Blatt, S. 8f. [historisch relevant für Sommersemester 1905 in München]: belegt Teilnahme und Redebeitrag Guardinis bei Versammlung von Freistudenten gegen einen antisemitischen Vorstandsbeschluß: „Herr cand. cam. GUARDINI weist darauf hin, daß der Beschluß dadurch verursacht worden sei, daß der 1. Schriftführer DREYFUS die Anschläge und Schriftstücke der Freien Studentenschaft ordnungsgemäß unterzeichnet habe. Es sei selbstverständlich, daß sich der Beirat durch seinen Beschluß einer Verletzung des § 3 der Statuten, die Gleichberechtigung ALLER Studenten betreffend, schuldig gemacht habe.“ [München]/[Freistudentenschaft] - [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://digipress.digitale-sammlungen.de/view/bsb00085793_00385_u001/9
Winteremester 1905/06
- [1905-004] Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin WH 1905/06, Berlin 1905, zu Romano Guardini [historisch relevant für Wintersemester 1905/06 in Berlin], S. 117: Eintrag „Guardini, Romano: Ostern: - Michaelis: 05; Italien; Studium: Staatsw.: Postbezirk: NW, Hausnummer: 26; Name der Straße: Calvin“ (Das ist zu diesem Zeitpunkt die Adresse des damaligen Leiters der Neuen Freien Volksbühne und Herausgebers der Zeitschrift „Das Literarische Echo“, Josef Ettlinger sowie dem Schauspieler und artistischen Leiter der Neuen Freien Volksbühne sowie Oberregisseur am Thalia-Theater Friedrich Moest und dessen Frau Else Schoch-Moest, ehemalige Opernsängerin und jetzt Gesangslehrerin) [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/1445/28729.pdf
Familiäres
- [1905-005] [Italienisch] Italy. Commissariato dell'emigrazione: Emigrazione e colonie. Raccolta di rapporti dei R. R. Agenti diplomatici e consolari, 1905, Band 1, S. 8: "Nelle altre città del distretto, - Darmstadt, Wiesbaden, Magonza, Cassel, ecc., - gli Italiani con dimora stabile sono invece scarsissimi; per lo più sono maestri di canto di musica, o piccoli commercianti di argrumi e frutta; salvo a Magonza, dove ha sede un´ importante casa di Verona per l´ esportazione delle uova, diretta dal cav. Romano Guardini." - [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://books.google.de/books?id=YEc5AQAAMAAJ und https://books.google.de/books?id=U5adPAdcRAwC