Die Grundlagen des Sicherheitsbewußtseins in den sozialen Beziehungen

Aus Romano-Guardini-Handbuch

009 (G 40/OO VI): Die Grundlagen des Sicherheitsbewußtseins in den sozialen Beziehungen, in: Historisch-politische Blätter, 152, 1913, S. 687-702 [Mercker 0004];

Geschichte des Vortrags

Goetz Briefs: Zur Soziologie der Demokratie, in: Carl-Sonnenschein-Blätter, 2, 1954, S. 59-91 [neu aufgenommen] - [Artikel] - [noch nicht online]; auch in: ders.: Ausgewählte Schriften, Band: Mensch und Gesellschaft, hrsg. durch Heinrich Basilius Streithofen, 1980, S. 162ff. [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://books.google.de/books?id=Gy0xAQAAIAAJ: „Vor vielen Jahren – ich war damals in der freien Studentenschaft in Freiburg – kam ein junger Seminarist zu mir und sagte: `Ich möchte einmal in unserem Kreis über ein Thema sprechen, das mir besonders am Herzen liegt.´ Ich sagte: `Wie lautet Ihr Thema?´ Er sagte: `Das Thema ist: Welche Garantie habe ich dafür, dass, wenn ich über die Straße gehe, der Nächstbeste mir nicht eins über den Kopf gibt?´ Ich war etwas erstaunt und sagte: `Das ist ja ein höchst merkwürdiges Thema´, worauf er sagte: `Ja glauben Sie denn, dass es selbstverständlich ist, dass Sie über die Straße gehen können, ohne dass Ihnen jemand eines über den Kopf gibt?´ Der Name des Betreffenden war Romano Guardini. Viele Jahre später, bei einer Abendgesellschaft in Washington, saß ich neben einem Konsul, der an der Harvard-Universität promoviert hatte. Wir kamen auf die Demokratie zu sprechen, und da sagte mir dieser junge Diplomat, ein klein wenig blasiert. `Ach, wissen Sie, all das Geschwätz über Demokratie. Ich glaube, Demokratie ist nur eine Summe von Maßnahmen, die verhüten soll, dass, wenn ich über die Straße gehe, mir jemand eins über den Kopf haut!´ Ich war ziemlich erschüttert über die Differenz zwischen Guardinis Thema und der Ansicht dieses amerikanischen Diplomaten.“ Briefs machte dann den Unterschied daran fest, dass Guardini in Demokratie eine Gesinnung sah, während in den Vereinigten Staaten das Bild pendelt sich „Demokratie als eine Instrumentalität, deren man sich bedient“, so wie der junge Diplomat sie gesehen hat, und Demokratie als „eine säkularistische Weltanschauung, in deren Form allein der Mensch sein Heil bewirken könne“.

  • Goetz Briefs: Wege und Umwege. Ein deutscher Gelehrter zieht Bilanz, in: Die politische Meinung, Bonn, 5, 1960, 45 (Februar 1960), S. 44-50, zu Romano Guardini S. 47 [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://books.google.de/books?id=qyoyAQAAIAAJ: „Ich möchte noch eines Gelehrten und Freundes gedenken, der in jenen Jahren für mich und für viele andere vieles bedeutete. Das ist ROMANO GUARDINI. Er wird sich seiner ersten Begegnung mit mir kaum erinnern. Als ich in Freiburg im Wintersemester 1910/11 als Vorstandsmitglied der Freien Studentenschaft fungierte, erschien ein asketisch aussehender Seminarist bei mir in der Universität und fragte, ob er in einer Abteilung der Freien Studentenschaft einen Vortrag halten könne. Ich fragte ihn, welches Thema er behandeln wolle; er sagte: „Sie werden sich etwas wundern: ich will sprechen über die Frage `Welche moralische Gewißheit habe ich, daß, wenn ich über die Straße gehe, der nächste beste, der kommt, mich nicht niederschlägt?´.“ Auf meine etwas erstaunte Feststellung, das Thema schiene mir etwas weit hergeholt, antwortete er sachlich trocken: „Welche moralische Gewißheit haben Sie denn?“ Erst zur Zeit der nationalsozialistischen Regierung wurde mir klar, daß seine Themastellung doch mehr Grund hatte, als ich in jenen Jahren vermutete. Nebenbei bemerkt, tauchte die guardinische Fragestellung in einer Diskussion in Washington auf. Ein Diplomat äußerte sich im kleinen Kreise etwas skeptisch über die Demokratie und bemerkte, es habe keinen Sinn, irgendwelche metaphysischen Hintergründe für sie ins Feld zu führen; sie sei im Grunde genommen nichts weiter als eine technische Veranstaltung, die dafür sorge, daß, wenn ich über die Straße gehe, der nächste beste mir nicht eins über den Kopf haue. Hier stand der Pragmatiker gegen den Moralisten.“
  • Guardini selbst berichtet zeitnäher in einem Brief an Josef Weiger vom 1./5. Juni 1913 aus Freiburg an seinen Freund Josef Weiger davon, dass er „auf Bitten eines Studenten... einen Vortrag in der Freistudentenschaft zugesagt” habe: „Ich will darüber sprechen, welches die Grundlagen der Sicherheit sind, aus der wir uns selbst oder etwas, was wir haben, anderen anvertrauen, m. a. W. die Grundlage der Sicherheit in den sozialen Beziehungen. Ich werde ausführen, dass es zuletzt weder die psychologische Rechnung ist, noch die Rücksicht auf die sozialen Machtfaktoren von öffentlicher Autorität, Sitte, Recht – sondern die Überzeugung, dass dieselben absoluten Gesetze und Werte, die mein Inneres (sittlich) beherrschen auch das des anderen bestimmen. Also nicht blindes Risiko, auch nicht mechanisch errechnete Gewissheit, sondern Vertrauen und Treue. Hoffentlich gelingt mirs; es sind meist Nichtkatholiken. Wenn der Vortrag etwas wird, soll er Dir zugehören.”

Nachdruck

Eingegangen in: Wurzeln eines großen Lebenswerks. Romano Guardini (1885-1968). Aufsätze und kleinere Schriften, Bd. I, 2000 (G 40) [neu aufgenommen]

Übersetzungen (in mind. 2 Sprache)

  1. OO VI: I fondamenti della coscienza della sicurezza nelle relazioni sociali, in: Opera omnia VI. Scritti politici, Brescia 2005 (hrsg. von Michele Nicoletti), S. 75-88; ins Italienische übersetzt von Maurizio Merlo, Maurizio Ricciardi und Giulio Colombi [neu aufgenommen]
  2. Los fundamentos de la conciencia de seguridad en las relaciones sociales, in: Escritos políticos, Madrid 2011, S. 303-320, ins Spanische übersetzt von José Mardomingo [neu aufgenommen]