Vorlage:Forschungswerkstatt 2022

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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August 2022

  • Im Rahmen von Recherchen konnten einige neue Aspekte der Guardini-Rezeption in Norwegen und der Guardini-Rezeption in Schweden erarbeitet werden.
  • In einem Brief an Josef Weiger vom Januar 1915 steht eine französische Passage: "Hier ein paar Gedanken, die ich kürzlich fand. Man muß dem Nächsten communiquer la douce et bienfaisante chaleur de l'amour et réchauffer suavement son âme dans un contact plein de délicatesse; il faut, enfin, mettre notre intelligence à sa disposition soit pour lui communiquer nos idées, soit, surtout, pour lui permettre d'épancher facilement les siennes, car chacun aime à voir ses idées comprises et appréciées. Voilà l'amour parfait et la pleine donation de soi-même. Il faut estimer grandement et aimer, en chaque âme, sa propre manière d'être et de penser. Celleci est souvent la forme spéciale sous laquelle le Christ vit en cette âme. Recevons donc en notre esprit, la pensée du prochain, afin de l'aimer plus intimement et avec plus de tendresse. C'est, en quelque façon, prêter son intelligence pour y recevoir Jésus Christ, sous une forme particulière, comme par la Foi nous recevons Dieu tout entier. Das ist benediktinischer Geist! Dein M. wird das fein übersetzen können!" Gerl-Falkovitz mutmaßt in der Fußnote 416 noch: "Autor und Text sind unbekannt. Franz von Sales?" Jetzt ist der Auszug hingegen klar zuordenbar zu: Une âme bénédictine. Pie de Hemptinne, moine de l'abbaye de Maredsous (1912, S. 154-157 mit Auslassungen). Dies bedeutet, dass Guardini wohl zur Jahreswende 1914/15 dieses Lebensbild des jung verstorbenen Mönches der Abtei Maredsous Pius de Hemptinne (1880-1907), Neffe des noch bekannteren ersten Abtprimas Hildebrand de Hemptinne (1849-1913), gelesen hat. Es wurde durch den Bruder des Verstorbenen, ebenfalls Mönch in Maredsous, Jean de Hemptinne, verfasst.

Juli 2022

  • Fund für die Primärbibliographie im Jahr 1964: In der Korrespondenzmappe mit dem Rainer Wunderlich Verlag fand ich für das Jahr 1963 ein Typoskript mit einer kurzen Stellungnahme zur Lebensrechtsfrage. Angefordert hatte dieses Statement ein belgischer Autor. Dieser hat diese kurze Passage tatsächlich ins Französische übersetzt und gedruckt: Romano Guardini: Message, in: D´Otremont: Peut-on tuer?, hrsg. von La Mobilisation des consciences, Belgien, Bruges 1964, S. 28, vgl. https://books.google.de/books?id=NuoeAQAAMAAJ. Diese kurze Bekräftigung seiner Aussagen zum § 218 von 1947 war bislang in der Primärbibliographie unbekannt.

Juni 2022

  • Sombart-Kreis in der Fasenenstraße: In Guardinis Berichten über mein Leben heißt es: "Später wurde ich mit Werner Sombart bekannt, ich glaube über einen Kreis, der sich in der Fasanenstraße zu versammeln pflegte, und zu welchem auch Max Scheler gehörte." Bislang konnte dieser Kreis nicht näher lokalisiert und bestimmt werden. Durch einen Austausch mit dem Max-Scheler-Experten Prof. Wolfhart Henckmann konnte aber nun mehrere Zeugnisse gefunden werden, dass es sich dabei um einen seit dem Ersten Weltkrieg im Gasthaus "Alter Fasan" an der Ecke Kurfürstendamm 27/Fasanenstraße 21/22 tagenden Kreis handelte. Der Alte Fasan ging 1927 im Hotel und Restaurant Kempinski auf.
    • 1) Richard Müller-Freienfels: Allgemeine Sozial- und Kulturpsychologie, 1930, S. V: "Mit besonderem Danke bin ich mir mancher Förderung und Bereicherung bewußt, die nicht literarisch zu fixieren sind und die ich als Mitglied eines Kreises von Gelehrten empfing, der sich über ein Jahrzehnt lang im „Fasan“ in Berlin um Werner Sombart allvierzehntäglich zusammenfand. Außer Sombart selbst kamen mit wechselnder Regelmäßigkeit zu diesem Kreise unter andern K. Breysig, Jul. Guttmann, Jul. Schultz, H. L. Stoltenberg, A. Ansorge, Hans Sveistrup, als häufige Gäste von außerhalb auch Max Weber, Max Scheler, F. Tönnies und viele andre Forscher von Rang."
    • 2) H. L. Stoltenberg: Arno Holz, sein Kreis und sein Werk, in: Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft, Bd. 7, 1930, S. 8–19, hier S. 8: "Zur Zeit des Krieges befand sich um Werner Sombart in Berlin ein Kreis, der in den Winterhalbjahren an den „Fasan-Abenden“ regelmäßig zusammenkam und über die Grundfragen von Wissenschaft und Kunst Erörterungen pflog."
    • 3) Friedrich Lenger, Werner Sombart. 1863-1941, München 1994, 3. Aufl. 2012, S. 278 f.: „Jeden Mittwoch traf er sich nämlich mit Freunden wie dem Philosophen Julius Schultz, dem Universalhistoriker Kurt Breysig, dem Religionsphilosophen Romano Guardini und gelegentlichen Gästen wie Max Scheler oder Ferdinand Tönnies im ‚Fasanen‘.“ Lenger beruft sich dabei auf Sombarts Briefwechsel im Berliner GehStArchiv von 1924.

Mai 2022

  • Fund für die Primärbibliographie zu den Jahren 1950 bis 1952: Guardini war Mitherausgeber der Reihe "Gesetz und Urbild. Abhandlungen zur Pflege realistischen Denkens in der Wissenschaft", herausgegeben von Wilhelm Troll und K. Lothar Wolf zusammen mit Romano Guardini, Ernst Hippel, J. Müller-Blattau, A. Nitschke, W. F. Otto, A. Portmann, K. F. Schumann und V. Tomberg; in der Reihe erschienen zwischen 1950 und 1952 sechs Arbeiten der im "Colloquium Palatinum" versammelten Forscher.

April 2022

  • Rückübersetzungsprobleme: Zunehmend schwierig gestalten sich Übersetzungen von italienisch- und englischsprachiger Guardini-Primär- oder -Sekundärliteratur ins Deutsche. Dabei wirken sich zum Teil schon zeitgenössische Übersetzungsfehler in die romanischen Sprachen aus, die von nicht Deutsch sprechenden Autoren ausgewertet wurden, deren Guardini-Bezüge aufgrund der Bekanntheit der Autoren mittlerweile ins Deutsche übersetzt werden, mitunter kommt es aber auch sonst zur am Originaltext und der Originalsprache Guardinis nicht überprüften Rückübersetzung von Begriffen und Zitaten. Zwei "päpstliche" Beispiele. Papst Franziskus spricht im Zusammenhang mit Guardini "Das Ende der Neuzeit", Guardini habe von einer "zweiten Form der Unkultur" gesprochen. Das Wort Unkultur sucht man im Ursprungstext aber vergeblich. Dort ist die Rede von "zweiter Wildnis", die man auch mit "nicht-kultureller Kultur" bezeichnen könnte. Das Wort Unkultur bedeutet im Deutschen allerdings etwas anderes als Wildnis und "nicht-kulturelle Kultur", die ja damit ja aber gerade keine "Un"-Kultur ist. Diese mittlerweile im Deutschen zu findende, im Original nicht vorkommende Rückübersetzung hat ihre Wurzel in den Übersetzungen von "Ende der Neuzeit" in die spanische, italienische und französische Sprache, auf die Papst Franziskus schon in den achtziger/neunziger Jahren zurückgreift. Die problematische Rückübersetzung mit "Unkultur" ins Deutsche erfolgt sowohl über die vatikanischen Übersetzungen als auch durch die Übersetzung der Papst-Biographie von Massimo Borghesi ins Englische und ins Deutsche. Anders gelagert ist der Fall allerdings bei der Übersetzung der sehr differenzierten Auseinandersetzung von Papst Franziskus mit der Gegensatzlehre Guardinis. Er verwendet für das, was Guardini unter polarem Gegensatz versteht, ausdrücklich den Begriff '"contraposizione", so auch in seinem jüngsten Interviewbuch, und verwendet dazu aber auch den Begriff "opposizione (polare)". Die deutsche Übersetzung davon nivelliert diese Übersetzung durch zweimalige Verwendung des Begriffs "Gegensatz". Hier wäre zu wünschen gewesen, man hätte diese Unterscheidung nachvollzogen, zum Beispiel durch die Verwendung von "Kontraposition" oder "Kontrasatz", nachdem die gängige Übersetzung der Gegensatzlehre ins Italienische mit "opposizione polare" arbeitet. Durch die Nivellierung werden manche Formulierungen von Papst Franziskus geradezu tautologisch ("ein Gegensatz ist ein Gegensatz" statt "ein Gegensatz ist eine Kontraposition").

März 2022

  • In der Vorbereitung des nun leider coronabedingt ausgefallenen Vortrages "Romano Guardini und Mainz. Neue Erkenntnisse zu den „bekannt-unbekannten“ Mainzer Kapiteln von Guardinis Biographie" kam es zu folgenden neuen Entdeckungen, aufgrund derer anderslautende Angaben in der Guardini-Forschung zu korrigieren sind:
    • Das Stadtarchiv Mainz stellte mir die Kopie einer 1995 erstellten Antwort des damaligen Archivinspektors an den Guardini-Forscher Berthold Gerner zur Verfügung, aus der sich eine völlig neue Sicht auf die Wohn- und Geschäftsadressen der Guardini-Familie. Daraus ergibt sich zum Beispiel, dass die erste Wohnadresse nicht die Frauenlobstraße, sondern die Bahnhofstraße 3 war. Dies ist mittlerweile auch für die Jahre 1886 bis 1889 online überprüfbar unter https://www.dilibri.de/stbmz/content/structure/2490732. Die Postanschrift der bisher mit "Frauenlobstraße" lokalisierten Wohnung, die die Guardinis von 1895 bis 1903 bewohnten, lautet Kaiser-Wilhelm-Ring 8. Erst ab 1905 zog die Familie privat in die Gonsenheimer Straße 18 (auch Gonsenheimer Hohl genannt), heute Fritz-Kohl-Straße 18, nachdem man zunächst noch in der neuen Geschäftsadresse Mombacher Str. 17/19 auch gewohnt hatte.
    • Aus der Auswertung mehrerer Archivfunde, unter anderem in Isola Vicentina (z.B. Widmung eines Abschiedsgeschenkes einer Großtante Guardinis an dessen Mutter) und München (z.B. Staatsangehörigkeitantrag von 1910 im Gerner-Nachlaß) geht nun eindeutig hervor, dass der Umzug der Familie Guardinis bereits zum 10. Juni 1885 stattfand, nicht, wie sich Guardini selbst in seinen "Berichten über mein Leben" im Rückblick von 1943/45 aus irrtümlich erinnert, erst im Jahr 1886.

Februar 2022

  • Guardini als Mitglied des Vereins für Fraueninteressen: Dank eines Hinweises des "Vereins für Fraueninteressen" in München ist der Nachweis erbracht, dass Guardinis Selbstaussage im dritten unveröffentlichten Lebensbericht, er sei in seinen Münchener Studiensemestern dem deutschen Frauenbund als unterstützendes Mitglied beigetreten, stimmt. Die im gedruckten Tätigkeitsbericht von 1905 des Vereins enthaltene Mitgliederliste führt neben Romano Guardini auch Guardinis Studienfreunde Recha Rothschild und Rudolf Frank als Mitglieder auf.