Giacomo Leopardi

Aus Romano-Guardini-Handbuch
Version vom 9. September 2024, 19:14 Uhr von Helmut Zenz (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „'''Giacomo''' Taldegardo Francesco Salesio Saverio Pietro '''Leopardi''' (1798-1837) war ein italienischer Dichter, Essayist und Philologe, der neben Alessandro Manzoni eine entscheidende Rolle bei der Erneuerung der italienischen Literatursprache im 19. Jahrhundert spielte. == Guardini als Übersetzer von Leopardi-Gedichten == Guardini übersetzt mindestens zwei seiner Gedichte, eine Übersetzung veröffentlicht er in den Schildgenossen 1938, eine weite…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Giacomo Taldegardo Francesco Salesio Saverio Pietro Leopardi (1798-1837) war ein italienischer Dichter, Essayist und Philologe, der neben Alessandro Manzoni eine entscheidende Rolle bei der Erneuerung der italienischen Literatursprache im 19. Jahrhundert spielte.

Guardini als Übersetzer von Leopardi-Gedichten

Guardini übersetzt mindestens zwei seiner Gedichte, eine Übersetzung veröffentlicht er in den Schildgenossen 1938, eine weitere wird erst posthum veröffentlicht.

Bezugnahmen auf Leopardi im Werk

Aus den wenigen Bezugnahmen lässt sich schlussfolgern, dass Guardini in Leopardi einen pessimistischen und schwermütigen Dichter sah. Er zieht dabei sowohl im Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede einige Male den Vergleich zu Hölderlin.

1941

Im Brief an Josef Weiger vom 29. Oktober 1941 selbst war sich Guardini zunächst nicht mehr sicher, ob er Weiger "schon die beiliegende Übersetzung eines Gedichtes von Leopardi geschickt" hatte, das er nach eigenen Angaben bereits 1939 übersetzt hatte. Dann beschreibt er das Gedicht mit folgenden Worten: "Ein Ausdruck von Pessimismus, wie man ihn tiefer wohl kaum finden wird. Die Übersetzung habe ich schon vor längerer Zeit gemacht. Sie fiel mir diesertage wieder in die Hand. Hier ists herbstlich, kalt, melancholisch. Wenn Mooshausen doch näher wäre!"

1943/48

In seinem Buch "Freiheit, Gnade, Schicksal" (geschrieben im Mooshausener "Exil"; veröffentlicht 1948) erwähnt er Leopardi zwei Mal:

  • Zunächst verweist Guardini auf S. 165 auf den "Nachtgesang eines Hirten" sowie auf die Elegie "Der Ginster": "Die Tatsachen bilden ebenfalls einen Zusammenhang. Im Einzelnen ist es das Lebensgefüge und die Lebenslast; im Gesamtdasein der Zusammenhang dessen, was ein Volk, oder eine Völkergruppe, oder die Menschheit tun, schaffen, durchmachen, werden, die Geschichte. Und da alles Seiende erst im Menschen seine letzte Definition bekommt, ist es die Welt im eigentlichen Sinn. Auch dieser Zusammenhang kann nicht durchschaut werden. Seine Undurchschaubarkeit hat aber einen anderen Charakter als jener Inbegriff der Gesetze, von welchem die Rede war. Er ist nicht nur zu groß, oder zu tief, oder zu kompliziert, sondern in ihm bekommt der Geist es mit der Unableitbarkeit der Tatsache zu tun, die nicht sein muß, aber ist, verschärft durch die Torheit und das Böse des menschlichen Willens. So treten ihm daraus mit Wucht die Fragen entgegen: Warum ist das Leben, wie es ist? Warum haben die Menschen getan, was sie getan haben? Warum gibt es überhaupt Leben und Tun[3 Einen besonders tiefen Ausdruck finden sie in der Dichtung Giacomo Leopardis. Ich erinnere etwa an den schwermütigen Canto notturno di un pastore, Nachtgesang eines Hirten und die mächtige Elegie La ginestra, Der Ginster (Opere, ed. R. Bacchelli und G. Scarpa, Mailand 1935, Bd.1, 63 und 95).]?
  • Im Kapitel "Der religiöse Charakter des Schicksals" (S. 173) verweist er auf das Gedicht: "An sich selbst" und die Elegie "Nächtlicher Gesang": "Sobald ich die Fakten von meinem Lebensbereich her betrachte, gewinnt ihre Tatsächlichkeit manchmal einen verschärften Charakter. Sie wird zu dem, was nicht bloß undurchdringbar ist und hingenommen werden muß, sondern in einem ungemäßen Verhältnis zu Ursache und Sinn zu stehen scheint, dem Zufälligen, Willkürlichen, ja Tückischen. Dadurch bekommt das Schicksal die Eigenschaften des Unberechenbaren, Unvernünftigen und Unguten. Es wird blind und böse. Auch dieses Element läuft aber nicht neben dem Übrigen her, sondern durchzieht das Ganze, ja erscheint oft wie dessen letzte Charakteristik[6 Leopardi in dem kleinen Gedicht A sè stesso: An sich selbst: Unserm Geschlecht hat das Geschick / nichts als den Tod geschenkt. Verachte nun / dich selbst, und die Natur, und jene häßliche / Gewalt, welche, verborgen, zu aller Unheil herrscht / und die endlose Nichtigkeit des Alls. (Opere I 77).]. Das Schicksal kommt von außen an mich heran, liegt aber zugleich von vornherein in mir selbst. [...] Dieser Zusammenhang bildet aber noch nicht das Ganze, sondern erst das unmittelbare Material und Gerüst des Schicksalsphänomens. Dahinter liegt etwas Anderes, das sich im Unmittelbaren ausdrückt und auch wieder verhüllt. Es wird besonders deutlich, wenn die schlechthin unlösbaren Fragen auftauchen, in welchen die Worte warum und ich vorkommen: Warum geschieht das gerade mir? Warum bleibt mir das versagt? Warum darf ich und warum muß ich der sein, der ich bin? Warum bin ich überhaupt[*7 Es sind jene Fragen, die den tiefsten Inhalt der Schwermut bilden; in der Schwermut aber wird die quälende Unbegreiflichkeit des Daseins zum Erlebnis. Noch einmal möchte ich auf Leopardis Elegie Canto notturno hinweisen, in welcher diese Schwermut geradezu Gestalt geworden ist (Opere I 63).]."

1954

In einer posthum veröffentlichten Tagebuchnotiz in Isola vom Sonntag, den 10. Oktober 1954: "Heute habe ich viel Leopardi gelesen. Dabei ist mir auf einmal der Unterschied zwischen ihm und Hölderlin klar geworden." Guardini spricht hier von der Lektüre und einer Erkenntnis, allerdings ohne hier den Unterschied zu benennen."

Internet