John Henry Newman

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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John Henry Kardinal Newman CO (1801-1890) war ein anglikanischer Pfarrer in der Kirche von England und späterer Kardinal der römisch-katholischen Kirche.

Biographie

  • 1816 Geistig-religiöse Krise, "erste Bekehrung" hin zu einem stärker "evangelikalen" und entschieden frommen Anglikanismus
  • 1817 Studium der Theologie durch Eintritt ins Trinity College in Oxford
  • 1822 Wahl zum Fellow im Oriel College in Oxford
  • 1823 Master of Arts
  • 1824 Weihe zum Diakon der anglikanischen Kirche in der Oxforder Christ Church Cathedral; anschließend Kurat an der St.-Clemens-Kirche in Oxford
  • 1825 anglikanische Priesterweihe in der Oxforder Kathedrale
  • 1826 Ernennung zum Tutor am Oriel-College in Oxford
  • 1828 Vikar an der Universitätskirche St. Mary´s in Oxford
  • 1828 Berufung zum Public Examiner
  • 1832 Italienreise; schwere Erkrankung auf Sizilien
  • nach Rückkehr stärkere Hinwendung zu einer objektiv-sakramentalen Sicht von Kirche und Christentum ("anglo-katholische Bewegung"; dies findet seinen Niederschlag in den "Traktaten für die Zeit"
  • 1836 Bachelor of Divinity
  • 1841 Im 90. Traktat der Serie hinterfragte Newman die Neununddreißig Artikel des Anglikanismus und somit dessen Legitimität; was zu seiner Ablehnung von Seiten einflussreicher Dozenten in Oxford führt; daraufhin stellte Newman die Traktatserie ein, aber ohne von seiner Position abzuweichen
  • Oktober 1845 Konversion zur römisch-katholischen Kirche; Aufnahme durch Dominic Barberi
  • 1847 römisch-katholische Priesterweihe in Rom; er wird zusammen mit seinen Gefährten Mitglied der Oratorianergemeinschaft, die er schließlich nach England brachte und dort leitete.
  • Rektor der neu gegründeten Katholischen Universität von Irland in Dublin; die ihm nach wenigen Jahren aber wieder entzogen wird, nachdem sich englische Ultramontane beschwert hatten.
  • 1864 Apologia pro vita sua als Antwort auf die heftigen Attacken von Charles Kingsley gegen seine Glaubwürdigkeit
  • 1870 Grammar of Assent
  • Ablehnung von Einladungen, als Konzilstheologe am I. Vatikanischen Konzil mitzuwirken; dabei hatte er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit in amtlichen Lehrentscheidungen zwar inhaltlich für richtig, aber taktisch für inopportun und in der Sache zu früh hielt, weil er die Autoritätsfrage in der Kirche noch weiter geklärt werden hätte müssen; daher akzeptierte er die Entscheidung, regte aber besagte weitere Klärung an.
  • 1877 „Honorary Fellow“ seiner alten Oxforder Universität
  • 1879 Kreierung zum Kardinaldiakon durch Papst Leo XIII. zum Kardinaldiakon
  • er starb im Rufe der Seligkeit
  • 1896 Newman-Denkmal in London
  • 1945 Würdigung durch Papst Pius XII. anlässlich des 100. Jahrestages seiner Konversion
  • 1955 Formelle Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens
  • 1991 Ehrwürdiger Diener Gottes
  • 2008 Exhumierung und Überführung in die Oratorianer-Kirche von Birmingham
  • 19. September 2010 Seligsprechung; als liturgischen Gedenktag wurde der 9. Oktober, der Tag von Newmans Aufnahme in die katholische Kirche, bestimmt
  • 13. Oktober 2019 Heiligsprechung

Guardini und Newman

1912/13

In Mooshausen teilen Guardini, Josef Weiger und Maria Knoepfler, laut Bericht über mein Leben, angeregt durch Prof. Wilhelm Koch in Tübingen, ihre Begeisterung für Newman. Knoepfler lernte extra die englische Sprache, um Newman zu übersetzen. Vor allem Guardini besorgte ihr die englischen Ausgaben.

1914

Erstmalige Erwähnung in den bislang veröffentlichten Werken und Briefen, in einem Brief an seinen Freund Josef Weiger vom 17. März 1914, geschrieben in Freiburg (Briefe an Josef Weiger 1908-1962, 45. Brief, S. 140 f.): „Gleichzeitig schicke ich Dir Newmans Apologia englisch für D. M.*362 - [eingefügt] Ich schicke sie lieber selbst direkt. Neulich am letzten Sonntag Nachmittag geriet ich an Laros' Aufsatz über Newman, und ein paar Sätze lösten schließlich wieder eine jener kurzen, aber starken Revolutionen in mir aus, die dann meist zu einer neuen Einsicht führen. Laß mich erzählen. Ich fühlte beim Lesen Newmans Kraft, seine Bedeutung, und die Frage kam, willst Du nicht sein wie er, ihm folgen, ihn zum Lehrer nehmen? So oder ähnlich. Manches hatte mich - wieder einmal wie so unzählig oft - unzufrieden mit mir selbst gemacht. […] Ich will ein Doppeltes: Von den Brennpunkten der Offenbarungsvermittlung, dem canon aus, von Tradition, hl. Schrift und einer echten Psychologie geleitet, die göttliche Wahrheit erfassen, klar, tief, schlicht, daß die Menschen draus denken und leben können, denen ich sie darzubieten habe. Und weiter, mit allen Mitteln, die Philosophie, Kunst, Erfahrung mir darbieten, sie zu erschließen suchen, um sie als das darzuzeigen, nach dem alle sich sehnen. Und das lehren, klar und so, daß ein Glaube draus wird, wie Du ihn möchtest. Zugleich aber dem einzelnen Menschen helfen, daß er auf den Weg komme, den Gott ihn führen will, zu seiner eigenen Freiheit und Klarheit. Wo find ich dazu die Hilfe? Die Führer? Einen Führer, dem ich mich als Schüler verschriebe, kann ich nicht haben. Wenigstens meine ich es, obwohl ich ja noch keinen der Großen kenne. Aber mir ist, als müsse der eine mir wert sein, und der andere auch, Thomas und Augustin, Newman und Dionysius. Jeder kann mir ein Stück der Wahrheit erschließen; mit jedem kann ich ein Stück des Weges gehen, aber nicht immer. Bald werde ich die Grenzen sehen, die Zweck, Zeit, Natur seinen Gedanken gezogen haben und weitergehen müssen. Ich glaube, daß das keine Anmaßung ist, denn ich will mich wahrlich nicht mit jenen Großen vergleichen. Nur ist mir nun einmal mit Notwendigkeit der Trieb auf das Ganze eingeboren, und dem muß ich folgen. Deshalb bin ich im tiefsten Herzen katholisch, weil hier allein »das Alles« ist; deshalb ward ich Benediktineroblate; deshalb Dogmatiker, weil Dogmatik wirklich die Königin der Wissenschaften ist, die höchste Höhe und alles überschauend.“

Er ergänzt dazu im 47. Brief vom 25. Mai 1914, ebenfalls aus Freiburg (Briefe an Josef Weiger 1908-1962, S. 147): „Weißt Du, mir scheint, eine tiefe Verwandtschaft besteht zwischen St. Benedikt, Thomas, Goethe, Newman, Lucie Christine. Sie alle dem Wirklichen zugewandt, abhold allem Extremen, aller Überspannung, sie alle voll tiefer Ehrfurcht vor dem Mysterium, seis des Lebens, seis der Kunst, seis der Religion. Sie alle dadurch Antithetiker, behutsam, nichts zu knicken oder zu vergewaltigen, weit, frei, voll unendlicher Möglichkeiten und allen Möglichkeiten offen. Sie alle schlicht, Menschen des »Alltags«, aber darin groß und tief. Sie alle mit Höchstem im Sinn, aber echte Realisten, klar im Geist und warm im Herzen. Nicht in den Himmel steuern wollen sie, aber hineinwachsen, sachte, still .... Feine Versteher sinds, voll leis lächelnder Duldung für die endlosen Armseligkeiten des Lebens. Menschen nicht des Kampfes, aber stillen Bauens. Sie fühlen die rinnende Vergänglichkeit des Daseins; sie alle kennen den Ton des Predigers und des Buches der Weisheit, und doch sinds Optimisten, durch und durch, Menschen der Hoffnung. Das heißt Klassik! Klassiker des regimen animae St. Benedikt, des Gedankens Thomas, der Kunst, der Natur, des Welttums Goethe, des Historischen und Psychologischen Newman, der Mystik L. Christine. Wie froh bin ich um all das."

1916

Zwei Jahre später schreibt er am 20. Juli 1916 (Briefe an Josef Weiger 1908-1962, 63. Brief, S. 186) über das Predigen und verweist dabei auf Newman als Beispiel für den induktiven psychologisch-analytischen Predigttyp: „Predigttypen: 1) die rhetorische, - kann ich nicht brauchen; 2) die ruhige, klare Gedankendarlegung. (Leo I/Thomas*525; Du handhabst sie vortrefflich); 3) die induktive psychologisch-analytische, die zum Empfinden des Problems und zum Mitarbeiten zwingt, aber nicht beunruhigend, sondern klar, sparsam, besonnen (Newman) liegt mir sehr; 4) die v. innen her rücksichtslos gestaltende, für die es nur die Schranken der Wahrheit gibt. (Habs in der Dreifaltigkeitspredigt jüngst versucht)*526; 5) die höchste: das ruhige »Erzählen vom Reich Gottes«, aus der Kindlichkeit der Seele heraus. (Parabeln) Hier liegt Dein Ziel! in No 5.“

1918

Seine Schrift "Vom Geist der Liturgie" enthält einen kurzen Vergleich der liturgischen Orationen mit den persönlichen Gebeten Anselm von Canterburys und Newmans.

1920

In seinem Nachwort zu "Lucie Christine. Geistliches Tagebuch (1920)" (Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 1, S. 286) führt er als Gemeinsamkeit aller wahrhaft innerlichen Menschen von Abt Sabbas bis zu Kardinal Newman deren Wort und Haltung »Gott und meine Seele, sonst nichts« an. "Lucie spricht es ebenfalls aus. Aber jeder echte christliche Mystiker ist sich auch bewußt, daß sein inneres Leben mit dem der Kirche verknüpft und von ihm getragen ist - ebenso wie kirchliches Gemeinschaftsleben in Liturgie und Lebensführung immer wieder mystisches Eigenleben weckt. Kirche und Einzel-Innerlichkeit gehören zusammen, wie die beiden Brennpunkte der Ellipse, so viele und starke Spannungen sich im Einzelnen auch zeigen mögen. Wer sie trennen will, hat das Wesen des Phänomens nicht verstanden.“

1921

In einer Antwort an den freideutschen Jugendbewegten Max Bondy (Katholische Religion und Jugendbewegung. Eine Antwort an Max Bondy (1921), in: Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 2, S. 47) verweist Guardini für das 19. Jahrhundert nicht auf die umstrittenen Romantiker, sondern führt "zwei Persönlichkeiten aus unserer Nähe an: Cardinal Newman, in dem das Ichbewußtsein einen äußersten Grad der Klarheit, Verfeinerung und Einsamkeit erreicht hat, der aber zugleich ein Bewußtsein von der Wirklichkeit des Übersinnlichen hatte, wie es nicht stärker gedacht werden kann." Die zweite Persönlichkeit sei Lucie Christine, die ganzer Mensch unserer Zeit gewesen sei, "aber auch Mystikerin und lebt mit vollkommener Sicherheit in der gegenständlichen, religiösen Ordnung."

wird fortgesetzt

1958

1958 schreibt Guardini eine Rezension zu einer Newman-Auswahl von Walter Lipgens unter dem Titel "Sein Wesen prägte der "Commonsense". Zu einer neuen Auswahl von Newmans Werken ([Mercker 1228]).

1961

In "Der Glaube in unserer Zeit" von 1961 (in: Sorge um den Menschen - Band 1, S. 113) greift er Newmans Glaubensbestimmung als das Vermögen, Zweifel tragen zu können, auf: „So darf man sagen, der Glaube, der heute geleistet werden muß, sei un-naiv, reflektiert [*1 Siehe dazu den Essay »Der Glaube in der Reflexion« in: »Unterscheidung des Christlichen. Gesammelte Studien" Mainz 21963, S. 279ff.] beständiger kritischer Prüfung ausgesetzt. Ein »angefochtener Glaube«, der sich immerfort seines Grundes vergewissern und oft die schöne Mannigfaltigkeit wegschmelzen muß, um des Wesentlichen teilhaft zu bleiben. Ein Glaube, der sich immer wieder gegen die Bezweiflung aufrichtet. Damit ist keine unechte Gläubigkeit gemeint, die sich über Fragen hinwegsetzte, sondern eine Struktur, wie sie Kardinal Newman charakterisiert hat, als er sagte, glauben heiße, »Zweifel tragen zu können«.“

1963

Im zweiten "Theologischen Brief an einen Freund", der "Von der christlichen Verantwortung für die Welt" handelt und mit dem 13. August 1963 datiert ist (Theologische Briefe an einen Freund, S. 28) nimmt er - zumindest in den publizierten Texten - ein letztes Mal Bezug auf Newman: "Mir scheint, Ausgangspunkt für die Gotteserkenntnis wird die genaue und redliche Analyse der Endlichkeit der Welt und des Menschen sein. Mit »Redlichkeit« ist gemeint, daß in der Erfahrung des Endlichen zwischen der Größe des Seienden und der Aufgabe auf der einen Seite und der Absolutheit Gottes auf der anderen genau unterschieden wird. Das Bewußtsein also, daß eine noch so gewaltige Steigerung der Endlichkeit, ihrer Wirklichkeit, ihrer Werte und Aufgaben nie mehr ergibt als größere Endlichkeit. Der Rausch des Quantitativen muß durchschaut und erkannt werden, wovon die Erfahrung der Leere, der Angst, der Ortlosigkeit, des Überdrusses usw. Symptome sind - nämlich davon, daß der heutige Mensch nur mit Endlichem umgeht. Das bedeutet zugleich den Nachweis, daß das Wert- und Sinnverlangen des Menschen nicht nur graduell Vieles und Großes, sondern Absolutes verlangt. Daß dieses Verlangen aber keine irgendwie geartete Selbstüberschätzung des Menschen noch eingeredete Illusion bedeutet, sondern kategorial genau ist und nur durch Techniken zugedeckt werden kann. Ferner sind alle die Momente zu sammeln, welche die Endlichkeit als »Werk« und als »Bild« erkennen lassen. Sie mögen im einzelnen nicht fähig sein, Überzeugung zu begründen; mir scheint aber, der Gedanke Newmans ist wichtig, wonach das wirklich Tragende der Gotteserkenntnis nicht ein einfacher Syllogismus, sondern ein Bündel von Sinnlinien ist, die in einem Punkte konvergieren, welcher »Punkt« eben Gott ist.“

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