Goethe

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Johann Wolfgang Goethe, ab 1782 von Goethe (1749-1832) war ein deutscher Dichter, Politiker und Naturforscher.

Romano Guardini und Goethe

Primärbibliographie

Guardini über Goethe

1913

Am 31. Januar 1913 berichtete Guardini in einem Brief an seinen Freund Josef Weiger von einer Entdeckung in Goethes Faust im Vergleich zu Raabe, wenn es um den Stellenwert der Geduld geht: „Im Faust fiel es mir auf, dass Faust, wie er allem flucht, was ihm bisher teuer war, wie er alles zusammenschlägt, um sich in die Gewalt Mephistos zu geben, zuletzt, gleichsam wie das allergrundlegendste, die Geduld verflucht. Und dann fiel mir ein, dass Raabe eine wunderbare Gestalt hat, eine Mutter, die einsam im Walde sitzt, auf ihrem Gute, und auf ihren Sohn wartet, der durch die Welt gehetzt wird, Jahr um Jahr, und er nennt sie „Unsere Liebe Frau von der Geduld“ – da wurde mir klar, wie die Geduld etwas so ganz Tiefes ist, die Fülle der Kraft, des Lebens, die Wurzel alles wirklichen Schaffens, auch Lebensschaffens, und vielleicht niemand so wesenseigen, wie der Mutter. Und gerade die Geduld, die wartet, die nichts tun kann, ist in ihrer lautlosen Kraft vielleicht das Höchste, was es an Siegen gibt, die Vollendung dessen, was selbst den Charakter der Vollendung hat, der Hoffnung. Glaube und Liebe kann man in besonderer Weise mit besonderen Seelenkräften in Beziehung bringen, mit Erkennen und Wollen. Die Hoffnung nicht, denn sie ist des Glaubens und der Liebe, des Erkennens und des Wollens Vollendung. Sie ist splendor veritatis, splendor bonitatis, wie die Schönheit. Ihre tiefste Bewährung aber ist die Geduld.“ (Brief vom 31. Januar 1913, Mainz)

1914

Im Mai 1914 entdeckt er eine „tiefe Verwandtschaft … zwischen St. Benedikt, Thomas, Goethe, Newman, Lucie Christine“: "Sie alle dem Wirklichen zugewandt, abhold allem Extremen, aller Überspannung, sie alle voll tiefer Ehrfurcht vor dem Mysterium, seis des Lebens, seis der Kunst, seis der Religion. Sie alle dadurch Antithetiker, behutsam, nichts zu knicken oder zu vergewaltigen, weit, frei, voll unendlicher Möglichkeiten und allen Möglichkeiten offen. Sie alle schlicht, Menschen des „Alltags“, aber darin groß und tief. Sie alle mit Höchstem im Sinn, aber echte Realisten, klar im Geist und warm im Herzen. Nicht in den Himmel steuern wollen sie, aber hineinwachsen, sachte, still .... Feine Versteher sinds, voll leis lächelnder Duldung für die endlosen Armseligkeiten des Lebens. Menschen nicht des Kampfes, aber stillen Bauens. Sie fühlen die rinnende Vergänglichkeit des Daseins; sie alle kennen den Ton des Predigers und des Buches der Weisheit, und doch sinds Optimisten, durch und durch, Menschen der Hoffnung. Das heißt Klassik! Klassiker des regimen animae St. Benedikt, des Gedankens Thomas, der Kunst, der Natur, des Welttums Goethe, des Historischen und Psychologischen Newman, der Mystik L. Christine.“ - „Heut wurde mir eine Idee klar, an der ich zu innerst alles messe, die ich auch aus jenen fünf großen Menschen hervorleuchten sehe: die des Natürlichen. Lass mich Dir sagen, wie ichs meine. Darunter versteh ich nicht den Gegensatz zur Übernatur, sondern die Verneinung jeglicher Unnatur. Natur und Übernatur soll „natürlich“ sein, gesund, frei, klar, echt, wahr. Alles was Überspannung, Druck, Unnatur, Künstelei, Sentimentalität, Fanatismus, Enge, Unfreiheit heißt, ist damit abgelehnt. So recht ein Ton aus dem Herzen Christi und aus dem Wesen des Katholizismus mit seiner Weltenweite, scheint mir das Wort.“ (Brief vom 25. Mai 1914, Freiburg) - „Mir ist eigentlich das Denken gar nicht jenes gänzlich dem Wirklichen gegenüber andersartige, wie dem echten Logiker und Begriffsmenschen. Es ist nur eher wie der andere Pol des Seins: ideelle und reale Ordnung, eins die Transposition des anderen. Denken ist ein Stück meines organischen, seelischen Lebens, nicht wie bei Karl ein Reich kühler unberührbarer Abstraktion. Drum reibt mich das Denken auch auf. Deshalb habe ich aber auch keinen praesenten Wissensbesitz, sondern muss stets wieder aufs neue hervorbringen; habe keine fertigen Lösungen, sondern muss stets aufs neue das Problem, und seis blitzrasch, durchfühlen. Auch ist mein Erkennen eigentlich nicht das Erfassen der Wahrheit als reiner Objektivität, sondern das Aufbauen einer innerlich wahren, seinsechten Welt in meinem Geiste. Erkennen ist für mich ein inneres Hinstellen, besser, ein inneres Emporwachsenlassen, Ordnen, Zusammenfügen. Es klingt sehr sehr anmaßend, aber vieles, was Simmel von Goethe sagt, finde ich auch in meiner Art. (Du weißt, dass ich dabei an Goethes Dimensionen wahrlich nicht denke.) Ich fühle allmählich, was an mir wirksam ist: nicht geistiger Besitz, sondern geistiges Sein. Trotz aller Bücher und Bilder …, im Grunde ist alles äußere doch nur Auslösung. Ich habe die Empfindung, dass alles drinnen liegt, dass es nur geweckt werden muss. Du weißt, wo allein ich begehrend stehe, als vor einem Garten voller Früchte, einer Welt voller Weiten und Tiefen… das übrige, Gedanken, Kulturwerte, all das ist mir eigentlich nie ganz neu: bald klingt drinnen etwas an, und was erst bloßer äußerer Besitz schien, wird erwachendes inneres Sein. – Doch verzeih. Wüsste ich nicht, wem ich schreibe, ich müsste mich ja über all die Sachen schämen, die ich da schrieb.“ (Brief vom 31. Mai (Pfingstsonntag)/3. Juni 1914, Mainz)

1915

Im Januar 1915 schrieb Guardini an seinen Freund Josef Weiger: „Interessant ist, dass Goethe sich unter Beethoven unterordnete.“ (Brief vom 10. und 24. Januar 1915, Freiburg).

Am 7. September 1915 wiederum zieht er - unter Verweis auf einer Kant-Lektüre mit Karl Neundörfer - Vergleiche zwischen Kant, Goethe und Luther: "Ich verstehe allmählich, wie auf Kant, Goethe, Luther die moderne deutsche Kultur ruht. Ihr Grundtrieb scheint mir zu sein der nach Autonomie; Autonomie des Religiösen: Luther; der Vernunft und des Gewissens: Kant; des Menschlichen (Kunst u. Leben) Goethe. Vielleicht noch Fichte-Bismarck: des Staates. Der Wille, diese Gebiete des Menschengeistes nach tragender Kraft und beherrschendem Wert ganz in sich zu begründen. Zuletzt: die ganze Natur in sich zu begründen, und von jeglicher Übernatur, von jeglicher Autorität unabhängig zu machen." (Brief vom 7. September 1915, Mainz)

1916

Am 20. Juli 1916 schrieb er an seinen Freund Weiger über Houston Stewart Chamberlain als Vertreter des „idealistischen Werturteils“, um dann Raabe und Goethe gegen ihn zu stellen: "Nicht umsonst hat Raabe, der jenen Trieb mit dämonischer Kraft in sich trug, Goethe den „weisesten Deutschen“ genannt. Und ich denke, es ist eine Aufgabe, die sich lohnt, in liebendem Verstehen dieses Dranges und Bedürfens das Element der Form hineinzutragen. Meinst Du nicht?“ (Brief vom 20. Juli 1916, Mainz)

In diesem Sommer schickt Guardini verschiedene Goethe-Bücher an seinen Freund Josef Weiger, darunter Volbehrs Goethe und die bildende Kunst (1895, gesandt mit dem Brief vom 6. August 1916), Benz´s "Goethe und die romantische Kunst" (1901), Georg Simmels "Goethe" (1913), De Catts Goethe-Buch, während Weiger ihn gefragt hat, ob er Saitschicks "Goethes Charakter" (1898) gelesen hat. Im Brief vom 27. August fragt Guardini nach: „Was sagst Du zu Benz? Das Paket mit Volbehr, Simmel und De Catt hast Du wohl auch erhalten? – Saitschicks Goethebuch habe ich gelesen. Es ist wirklich erquickend, so echt, bescheiden und lauter. Nur die Partien über Religion sind mir nicht eingegangen. Bin gespannt, was Du zu Volbehr sagst. Es ergänzt das Saitschick’sche Buch. Was die Frage angeht, ob G. [Goethe] Gemüt gehabt habe, so meine ich sie so. Ich unterscheide Gefühl, das sich zur Leidenschaft steigern kann, von Gemüt. Jenes scheint mir die Seelenreaktion des Gestalters, dieses des Schöpfers zu sein. Jenes ist wesentlich dem Objekt zugewandt, oder steht wenigstens mit ihm in Beziehung; dieses ruht in sich. Jenes behält, bei aller Tiefe und Fruchtbarkeit etwas relativ Äußerliches; dieses ist in eminentem Sinn innerlich. Jenes hat Beziehung zur Rhetorik, dieses zum visionären Ausdruck. Raffael hatte Leidenschaft, Michelangelo (italienisches) Gemüt (ebenso Dante). Beide konnten sich nicht leiden, und, bezeichnenderweise, sagte Michelangelo, Raffaels Kunst sei nicht Natur, sondern gelernt, d. h.: nicht ex intimis aufsteigend, sondern „äußerlich“. Nun hat ja deutsche Art immer einiges „Gemüt“, aber vergleiche einmal innerhalb ihrer Spannweite z. B. Goethes Prosa mit der von Raabe! Freilich, ein solcher Mann läßt sich nicht auf eine Formel bringen, aber immerhin! – Und dass er gar keinen Humor hatte! Sogar Dante hatte ihn, wenn auch wildgrimmiger Art. Und dass er vor dem Leiden und Sterben selbst seiner Lieben floh! Das ist leidenschaftliche Sensibilität, aber nicht Gemüt. Mir scheint, das Gemüt hält dem Leben stand; es kann den Stoß in sich aufnehmen, weils in unergründliche Tiefen hinuntergeht. Gefühl und Leidenschaft fürchtet immer, aus den Fugen zu gehen.“

Wie aus einer Rückfrage im Brief vom 20. Februar 1918 zu schließen ist, scheint Weiger daran gedacht zu haben eine Arbeit über "Goethes Stellung zu Religion und Christentum" zu schreiben (Brief vom 20. Februar 1918). Dieser Plan wurde aber wohl nicht verwirklicht.

1921

Im Brief an Josef Weiger vom 24. Dezember 1920/20. Januar 1921 aus Pützchen bei Beuel schreibt Guardini über seine Kontakte zu Ernst Michel, vermutlich im Zusammenhang mit seinem Engagements bei den „Tat“-Sonderheften. Von daher rührt auch ein Austausch zwischen Michel und Weiger. Dabei lobt Guardini ausdrücklich Michels Goetheschrift: "Dr. Michel scheint sehr glücklich zu sein, weil Du ihn so gut verstehst. Da bin ich froh, für Euch beide. Denn ich bin überzeugt, wird noch was leisten. Vielleicht bringt er uns einmal eine Kulturphilosophie aus der Fülle des Besitzes heraus. Seine Goetheschrift hat tiefen Eindruck auf mich gemacht."

1924

Am 28. August 1924 hielt Guardini dann bei der Goethefeier auf der Burg Rothenfels eine Rede “Von Goethe und Thomas von Aquin und vom klassischen Geist”: "Was aber ist dieser klassische Geist?" “Dieser Geist vermengt die Dinge nicht. Es gibt eine Haltung, die keine Unter-schiede, keine Abstände, keine Gegensätze erträgt. Sie will Einheit, aber gleich und rasch. Eine Einheit, in welcher die Unterschiede als bloßes Mehr oder Weniger aufgehen. Die Gegensätze werden rasch zusammengebogen; die klaffenden Probleme zugefüllt; die Wände der Tatsachen mit einem Nebel umzogen, in dem sich er der Geist einreden kann, sie seien nicht mehr da. Die Gebiete werden vermischt. Künstlerische Fragen werden mit pädagogischen, philosophische mit ethischen Antworten gelöst. Arbeit, die sachlich sein sollte, wird aus religiösen Gesichtspunkten getan. Das Werk wird dem Persönlichen untergeordnet, die Persönlichkeit wiederum auf Zwecke hin behandelt. Der Geist, den wir feierten, lässt die Dinge stehen, wie sie sind, eines klar neben dem anderen. Kunst ist nicht Wirklichkeit, Erziehung nicht künstlerisches Schaffen. Arbeit ist keine Nächstenliebe; Berufsleistung keine menschliche Fürsorge. Jedes Gebiet wächst aus dem eigenen Wesen. Wenn aber ein solcher Mensch durch den Tag hindurchgeschritten ist; ein jedes getan hat, wie es getan sein wollte und jede Stunde genommen, wie sie es fordert, dann bildet alles von selbst eine lebendige Einheit.” Guardini betonte ausdrücklich, dass sich diese ehrfürchtige Sinnesart sich “keine gewalttätigen Systeme” zurechtmacht, “nach denen das Leben sich richten soll”, sondern “sich von der Ordnung leiten” lässt, “die in ihm selbst wirkt.” (S. 22 ff.)

1929

In einem Brief an Josef Weiger vom 7. November 1929, Berlin-Charlottenburg, empfiehlt Guardini: „Weißt Du, was hübsch ist? Goethes Briefe, Tagebücher, Gespräche und Gedichte immer periodenweise zusammen zu lesen.

wird noch weiter ausgeführt

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