Über die Möglichkeit öffentlichen Sprechens

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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146 (G 41/OO VI): Über die Möglichkeit öffentlichen Sprechens, in: Die Schildgenossen, 5, 1924/25, 3 (Mai 1925), S. 239-242 [Mercker 0195];

Nachdrucke und Auszüge

  • eingegangen in: Wurzeln eines großen Lebenswerks. Romano Guardini (1885-1968). Aufsätze und kleinere Schriften, Bd. II, 2001 (G 41), S. 246-251 [neu aufgenommen]

Guardini-Konkordanz

Übersetzungen (in mind. 1 Sprache):

  1. OO VI: Sulla possibilità di una discussione pubblica, in: Opera omnia VI. Scritti politici, Brescia 2005 (hrsg. von Michele Nicoletti), S. 189-194, ins Italienische übersetzt von Maurizio Merlo, Maurizio Ricciardi und Giulio Colombi [neu aufgenommen]

Zusammenfassung und Kommentierung (Helmut Zenz)

Guardini äußerte sich 1925 zu einem weiteren politischen Problem, das er mit "Über die Möglichkeit öffentlichen Sprechens" überschreibt und beginnt mit dem Satz "Politik und Öffentlichkeit hängen eng zusammen." (246)

Anlass sind die primitiven "Formen unserer Auseinandersetzung" (247): "Wir stehen tief im geistigen Faustrecht; in der Anarchie des Aufeinander-Losschlagens" (248), ja sogar in der "Freibeuterei" (251). Guardini vermisst "ein Denken, das Gemeinschaftsaufgabe ist" und sieht daher einen "Maßstab für die wirkliche politische Kultur einer Zeit" darin, "ob der Einzelne sich in solcher Denkverbindung empfindet. Ob er `öffentlich´ denkt, als Glied" (248). Außerdem sei man "in der Auffassung von der Wahrheit" primitiv geworden, weil es übersieht, dass Denken und Reden dem Wirklichen nur gerecht werden kann, "wenn es polyphon" (249) ist. Und "so wird das politische Denken simplistisch" und mit dem Denken unser Handeln. Wirklichkeiten sind aber "nun einmal nicht simplistisch" (250). Da ja für Guardini – wie gesehen - die Wahrheit an sich schon polyphon ist, muss das Denken und Reden über das Wirkliche ebenfalls polyphon sein.

Einen großen Mangel sieht Guardini im richtigen Verständnis von "Kritik", ihrer aufbauenden und zerstörenden Kräfte. Kritik dürfe "nicht nur von einer abstrakten Verantwortung gegen `die Wahrheit´ getragen - heute weithin in völlig gewissenlosem Subjektivismus verwildert, und unter die Ansprüche der Sensation, des Artikel und Redebedürfnisses geraten“, werden, „sondern von konkreter Verantwortung gegen das lebendige `Gemeine Wesen´." Es bedarf also einer "Kritik der Kritikfähigkeit" Guardini schließt mit einer erneuten Definition von Politik: Sie sei die "Kunst, für Kräfte, Dinge und Menschen, für lebendige Wirklichkeiten Luft und Ordnung zu schaffen, in der sie zusammen bestehen und sich zu einem Höchstmaß von Leben entfalten können" (251).

Dieser in seiner Prägnanz durchaus bedeutende Aufsatz wurde bislang von der Sekundärliteratur weitestgehend übersehen, zumal er erst 2001 außerhalb der Schildgenossen wieder zugegänglich gemacht wurde.