Romanus Tullo Guardini
Romanus Tullo Guardini (* 1.3.1857, Verona-30.9.1919, Mainz) war der Vater Romano Guardinis.
Biographie
- getauft am 4. März 1857
- verheiratet 30.10.1882 in Ecclesia SS. Apostolorum in der Pfarrei SS. Nazario e Celso durch Joannes Baptista Peruzzi, mit Paula/Paola Bernardinelli, Tochter von Michael und Tommasi Dominica, wohnhaft in Via Leoncino N. 1498 (1458???)/14;
- Kinder:
- Giovanna Guardini (* 11.12.1883, Verona, gestorben am selben Tag);
- Romanus Michael Antonius Maria Guardini (* 17.2.1885, getauft am 3.5.1885, Taufpaten Michael Bernardinelli („quondam Joannis Baptistae“) und Catharina Falzolgher „Quondam Georgius“ (Taufbuch S. 50, n. 10);
- Ferdinando Guardini, genannt: Gino (2.2.1887, Mainz–12.5.1946, Mailand);
- Mario Guardini (1888–1962), unverheiratet;
- Aleardo Guardini (20.1.1891, Mainz–16.8.1956, Mailand), verheiratet mit Maria Antonietta geb. Gera (16.4.1897, Gera, bis 11.1.1989, Mailand)
- Großvater von:
- Giuliano Guardini (27.1.1925, Mailand-2021), unverheiratet; kinderlos;
- Romana Guardini (9.4.1928, Como–24.4.1994, Isola Vicentina), unverheiratet; Patenkind von Romano Guardini
Charakterisierungen
Vom Vater waren bisher nur die eher negativen Erinnerungen an die Kindheit in den ersten beiden „Berichten über mein Leben“ wahrgenommen worden:
- „Mein Vater, der das Geschäft des Großvaters nach Mainz verpflanzte, hat Deutschland sehr geschätzt, sich aber doch immer als Gast empfunden“ [Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, Mainz 1995, S. 57].
- „Mein Vater lebte eigentlich überhaupt nicht mit uns. Er hatte uns sehr gern, und wir ihn auch, aber wir bekamen ihn kaum zu sehen. Sein Geschäft nahm ihn ganz in Anspruch, und er war oft auf Reisen. Zum Ferienaufenthalt auf dem Lande kam er nie mit; überhaupt erinnere ich mich nicht, daß er sich je eine Erholung gegönnt hätte. Er war sehr begabt, hatte aber schon als Vierzehnjähriger die Schule verlassen und für den Unterhalt seiner Eltern sorgen müssen. Eigentlich hatte er Jurist und Volkswirtschaftler werden wollen, mußte aber darauf verzichten. Nachdem er dann jahrelang versucht hatte, sich neben einer anstrengenden Berufstätigkeit weiterzubilden, muß er die Unmöglichkeit erkannt und alles aufgegeben haben. Die Wirkung war, daß er nie über geistige Dinge sprach; die Türen waren zugefallen. Auch von seinem inneren, persönlichen Leben erfuhr niemand etwas. Als er 1919 starb, war ich 34 Jahre alt; ich glaube aber, daß ich in dieser ganzen Zeit nicht mehr als zehn oder fünfzehn tiefergehende persönliche oder sachliche Gespräche mit ihm gehabt habe. Sein Leben muß furchtbar einsam gewesen sein. Für ihn gab es im Grunde nur die Arbeit. Mich berührt es immer wieder, daß unter den wenigen Möbeln, die ich gut erhalten aus meinem Berliner Hause gerettet habe, sein Schreibtisch ist – der, an dem ich diese Erinnerungen schreibe. Wie oft habe ich ihn in seinem Büro daran sitzen sehen! So hat auch er die geschlossene Welt unserer Kindheit und Jugend nicht ausgeweitet“ [ebd., S. 58].
- Den Vater bezeichnet Guardini „was das Religiöse angeht“ als „gläubig“, „vielleicht mit dem leisen skeptischen Einschlag, der beim Italiener sehr häufig ist. Er ging jeden Sonntag zur Kirche, sprach aber über religiöse Dinge so gut wie nie“ [ebd., S. 58].
Immerhin hat aber insbesondere durch den Vater allem Anschein nach eine bibliophile und auch kulturelle Erziehung erfahren, wie auch schon Gerl-Falkovitz 1985 im Blick auf die Widmung des ersten Bandes der Dante-Studien, die 1937 unter dem Titel „Der Engel in Dantes Göttlicher Komödie“ erschienen sind, betont: „Alla memoria di mio padre dalle cui labbra fanciullo i primi versi di Dante colsi“ [Der Engel in Dantes Göttlicher Komödie, Deckblatt].
In einem Brief an Josef Weiger vom Juli 1924 berichtet -seit 2010 veröffentlicht - Guardini von den ersten Berliner Erfahrungen: „Wie tief mir doch »liberale Art« im Blut steckt. Ob ich mich nicht selbst mißverstanden habe? Mein Vater war ein italienischer Liberaler alten Schlags. Heißes Blut und kühler Kopf. Heikel in allen Dingen politischer Ehre und zugleich Skeptiker, durch und durch. Voll Respekt gegen das Religiöse und mit einer tiefen Abneigung gegen das Klerikale. Freigebig, wohltätig, aber ganz im Geheimen. Unendlich empfindlich gegen jeden Versuch, seine Freiheit anzutasten, sich einzumischen, auch nur zu fragen. Und ebenso unbedingt zurückhaltend und Freiheit lassend gegen die anderen. Ich habe von seiten meines Vaters kaum je eine Bindung in jenen Dingen gespürt, die Inneres, Berufswahl, Anschauungen betreffen? Mir war's, als habe das Blut meines Vaters in mir geschlagen. Ich habe früher immer mitgeschimpft auf den Liberalismus. Du, es läßt sich aber frei atmen in der Luft! Dahingegen alle die »charaktervollen« und »entschiedenen« Lüfte - - - Aber ich will nichts festlegen. Mir ist zuweilen seltsam in dieser Zeit. Als wisse ich gar nicht mehr recht, woran ich bin mit mir selbst! Als stünden allerhand Ideen und Bilder, die ich wacker mit stürzen geholfen, so sachte wieder auf. Individualismus - - aber ich weiß nicht. Will abwarten“ [Briefe an Josef Weiger 1908-1962, Mainz 2008, S. 252].
Neue Erkenntnisse gibt es nun aber aus dem dritten, bislang unpublizierten „Bericht über mein Leben“: Vater [III, 11]: „Vater war [also] sehr begabt, hat aber aus wirtschaftlichen Gründen auf das Studium verzichten müssen und dann, wohl damit das Opfer nicht zu schwer würde, sich auch kein Privatstudium mehr erlaubt. Über sein inneres Leben wußten wir Kinder nichts, denn er sprach nicht darüber. So ist tatsächlich von ihm her nichts zu mir gekommen, dessen ich mich erinnern könnte.“ [GAKAB, Nr. 152, S. 11, zitiert nach Wendt, 2024]
Die Mainzerin Polly Winter, die laut Helmut Link in jungen Jahren bei der Familie Guardini verkehrte, erinnerte sich zu Guardini und seinem Vater: „Der Vater war die Güte selbst; der alte Guardini, der war ein ganzer, netter, lieber Mann. … Romano hatte viel von seinem Vater. …“ [Helmut Link: Priester, Philosoph und prophetischer Mahner. Biographische Fragmente zum 100. Geburtstag von Romano Guardini, in: Mainz. Vierteljahreshefte, 5, 1985, 1, S. 66-70, hier S. 70]
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