Paula Guardini

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Paula/Paolo Guardini geb. Bernardinelli war Romano Guardinis Mutter.

Charakterisierungen

Bisher waren bekannt: Die eher negativen Erinnerungen an die Kindheit in den ersten beiden „Berichten über mein Leben“: „Meine Mutter war noch radikaler. Sie war in Südtirol geboren und hatte schon als Kind die leidenschaftliche Liebe der Irredenta zu Italien in sich aufgenommen. Zwar wurde sie in Meran in einem deutschen Institut erzogen; dort verstärkte sich aber diese Gesinnung noch mehr. Als sie drei Jahre nach ihrer Verheiratung mit Vater übersiedelte, tat sie es nicht gern, und ihre Ablehnung des deutschen Wesens wurde dadurch immer schärfer. In Mainz verkehrte sie, einige unerläßliche Höflichkeitsbeziehungen ausgenommen, mit niemandem. Sie liebte ihre Kinder leidenschaftlich und wendete sich so ganz ins Haus hinein. Am Sonntag ging sie zur Kirche, Werktags zu den notwendigen Besorgungen, im Übrigen lebte sie im Hause. In diesem geschlossenen Bereich hat sie, soviel an ihr lag, auch uns gehalten. So wuchsen wir ganz im Hause auf. Das Kinderzimmer, dann, als wir größer wurden, das eigene Zimmer mit seinem Bett, seinem Arbeitstisch und seinem Schrank, bildeten unsere Welt. Die Tatsache, daß wir eine deutsche Erzieherin hatten, änderte daran nichts. Was bei den anderen Jungen selbstverständlich war, in Spiel und allerlei Unternehmungen zusammen zu sein, fiel bei uns fast ganz weg. Praktisch gesprochen, gingen wir zu niemand, und niemand kam zu uns. Die Wirkung war, daß ich von den Dingen des Lebens, die der junge Mensch ganz von selbst kennen lernt, indem er mit anderen verkehrt, so gut wie nichts erfuhr“ [Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, Mainz 1995, S. 57].

Ausnahmen bildeten in den späten Gymnasialzeiten offensichtlich nur Philipp Harth, einige Juvenen (Markert) und dann vielleicht auch noch Karl Neundörfer, mit dem er nach eigener Erinnerung „gegen Ende unserer Schulzeit“ Freundschaft schloss. Diese Strenge hat sich wohl erst für die jüngeren Geschwister erleichtert. [vgl. die Gebrüder Gottron mit den jüngeren Brüdern Guardinis und Daniel Neundörfer]: „Die Mutter war fromm in einem sehr innerlichen und herben Sinne. Ich erinnere mich, wie sie Morgens nach der, damaliger Sitte gemäß seltenen, Kommunion an unser Bett kam und uns küßte, was ich wie etwas Geheimnisvolles-Heiliges empfand“ [ebd., S. 59].

Neue Erkenntnisse über Guardinis Haltung zu seiner Mutter ergeben sich - 2010 veröffentlicht - aus einem Brief an Josef Weiger vom 10. April 1915: „Meine Mutter lerne ich mit jedem Mal mehr verehren. Wirklich, in Dingen des Menschlichen hat man lang eine Haut auf den Augen“ [Briefe an Josef Weiger 1908-1962, Mainz 2008, S. 164].

Auch der der dritte, bislang unpublizierte „Bericht über mein Leben“ erlaubt ein differenzierteres Bild der Mutter [III, 11]: „Mutter war […] menschlich bedeutend. Ihre Erziehung war aber die des damaligen italienischen Bürgertums, Haus und Institut. Durch ihre Übersiedlung nach Deutschland verlor sie den Zusammenhang mit der italienischen Heimat und Kultur, in denen sie ganz verwurzelt war, und hat dann in der so entstehenden Vereinsamung nicht mehr die Förderung erfahren, deren sie bedurft hätte. Viel später zeigte sich, daß sie starke Interessen für geschichtliche Dinge hatte, doch konnte sich das dann nicht mehr so entfalten, wie es an sich nötig gewesen wäre“ [GAKAB, Nr. 152, S. 11, zitiert nach Wendt, 2024].

Hinzu kommen neu zugängliche Quellen, so die Darstellung der Mutter in den Weiger-Erinnerungen II (21. Februar 1955): „Ich fragte Romano, ob die Mutter keine große Freude hätte, wenn sie sehen könnte, wie Universität und Stadt München ihn ehren. Er war um die Antwort nicht verlegen: Die Mutter würde höchstens sagen: Was hast du da droben verloren, du gehörst herunter. Die Mutter sei noch sehr mobil. Sie glaube, sie habe ein Opferleben geführt. Das stimme auch. Aber was Opfer sei, bestimme sie. Fast vermute ich, daß Romano unter dem ungebrochenen Nationalismus der Mutter leidet. Ich sprach von der verhaltenen Religiosität der Mutter; bzw. der Familie. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hingen im Zimmer keine Bilder. Eine Scheu, die Achtung verdient. Und diese tiefe religiöse Scham wirkte sich im Sohn der Familie als Lebensgesetz aus“ [Weiger-Erinnerungen II (21. Februar 1955), zitiert nach: Gerl-Falkovitz (Hrsg): Lauterkeit des Blicks]

Auch die Mainzerin Polly Winter erinnert sich: „Die Mutter war sehr hart; eine ganz kleine Zierliche war das, aber sie war sehr resolut; sie war schon eigen“ [Helmut Link: Priester, Philosoph und prophetischer Mahner. Biographische Fragmente zum 100. Geburtstag von Romano Guardini, in: Mainz. Vierteljahreshefte, 5, 1985, 1, S. 66-70, hier S. 70].

Insgesamt bleibt aber die bereits von Gerl 1985 herangezogene Einschätzung von Felix Messerschmid intakt. Er sieht durch die Mutter ein „italienisch matriarchales Hauswesen“ begründet, „das auf die Besucher und Freunde des jungen Romano einen oft bezeugten starken Eindruck machte; einen um so stärkeren, als in dieser Frau Autorität und Güte sich im gleichen Anteil durchdrangen. In den sparsamen Äußerungen des erwachsenen Guardini über seine Mutter war schwer auszumachen, was darin überwog. Respekt oder Anhänglichkeit; darauf befragt, antwortete er mit einem Lächeln, das bedeutete, einem Deutschen könne ein solches Verhältnis zur Mutter nicht wirklich begreiflich gemacht werden“ [Felix Messerschmid, Romano Guardini, in: Romano Guardini. Der Mensch – Die Wirkung – Begegnung, a.a.O., S. 10].
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