Hermann Binder

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Hermann Binder (1877-1957), deutscher Germanist, Lehrer und Schulleiter

Biographie

  • in Ulm als Sohn des dortigen Rektors des dortigen Realgymnasiums und seiner Frau Mina geb. Ziegler geboren; Protestant;
  • 1883 Tod des Vaters; Theobald Ziegler übernahm die Sorge für Hermann und holte ihn dazu nach Straßburg;
  • Gymnasiallehrer in Ellwangen, Rottenburg, Crailsheim
  • 1913 Wechsel an das Karlsgymnasium in Stuttgart
  • verheiratet mit der Lothringer Künstlerin Jeanne Kommer, genannt Hanna Binder-Kommer; sie haben zwei Söhne: Gerhart (* 1915) und Harro (1919-1940);
  • 1920 bis 1943 Oberstudiendirektor und Schulleiter des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums;
  • 1928 Gründungsmitglied des Rotary Clubs Stuttgart.
  • Binder wird Präsident des Stuttgarter Rotary Clubs
  • 1932 Hermann Binder lädt Goerdeler zu einem Vortrag in den Stuttgarter Rotary ein;
  • Im Dritten Reich gehörte Binder zu den wenigen, denen es gelang, sein humanistisches Gymnasium vor der totalen Gleichschaltung zu bewahren. Er wurde trotz einer deutschnationalen Ausrichtung kein NSDAP-Mitglied.
  • 1936 Nach dem Rücktritt Goerdelers vom Bürgermeisteramt in Leipzig war er bei der Firma Bosch beschäftigt. Ab und an begegneten sich Goerdeler und Binder (Erdmann);
  • Das Hitler-Bild von Hanna Binder-Kommer: Manfred Prechtl (1928-2013), später Vorstandsvorsitzender der Baden-Württembergischen Bank, berichtet gegenüber Paul Erdmann über die Erklärung seiner Mutter, warum in Binders Haus während des Dritten Reiches ein Bild Hitlers am Steuer eines Kahns mit den beiden Binder-Söhnen Gerhart und Harro an den Rudern: "Sie habe ihm erklärt, die Frau seines Schulleiters sei eine Kunstmalerin, sie stamme aus Lothringen; als Hitler an die Macht gelangt sei, habe sie Hoffnung geschöpft, er werde für ihre Buben ein bessere Zukunft schaffen, das habe sie auf ihrem Bild darstellen wollen. Ihr Mann, der Schulleiter, sei von Anfang an skeptisch gewesen, nein, nein, ein Nazi sei er nicht, abhängen könnten Binders das Bild nun aber nicht mehr, das würde bald herumgesprochen, das sei zu gefährlich." Immerhin hatte das Bild 1934 in einer Ausstellung im Stuttgarter Kunsthaus Schaller gehangen und viel Beachtung gefunden und war danach im "Schwäbischen Almanach" abgedruckt, dessen Redakteur August Lämmle, ein ehemaliger Freimauerer und nun Rotarier, sich durch den Abdruck ein Verbleiben auf seinem Posten erhoffte. (Erdmann)
  • vor 1940 Das Ehepaar Binder gehörte in Stuttgart zum Una-Sancta-Kreis, infolgedessen insbesondere Frau Binder zunehmend katholische Gottesdienste besuchte und auch ihr Sohn Harro sie dazu ermutigte, sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen; es sollte aber noch bis 1944 dauern;
  • 1940 Sohn Harro fällt als Soldat in Frankreich;
  • 1941 Kontakte zum Widerstandskreis von Dr. Goerdeler;
  • 1941 Auch Frau Binder war mehrfach nach Leipzig zu Goerdelers gereist, um Goerdelers gefallenen Sohn Christian nach einer Fotografie zu porträtieren (Erdmann);
  • 1942 Konversion Gerhart Binders nach seiner Rückkehr aus schweren Kriegserlebnissen. Im vorausgehenden Streit darum, wurde Goerdeler anlässlich eines Besuchs um Rat gefragt;
  • Sommer 1942: Zusammentreffen in Goerdelers Haus in Leipzig mit dem Direktor der Thomas-Schule Leipzig, Dr. Jentsch, und dem als Hauptmann im Oberkommando des Heeres tätigen Oberstudienrat Dr. Kaiser. Dabei hatte man in einer Denkschrift Pläne für den Wiederaufbau des Schulwesens nach dem Sturz der Nazis entworfen, die man schließlich Goerdeler übergab (Erdmann);
  • 1943 oder 1944??? amtsenthebende Versetzung in den Ruhestand durch die Nationalsozialisten. In der erhaltenen Dienstbeurteilung steht: "Dem Nationalsozialismus ließ er es an jener vorbehaltlosen Haltung fehlen, die in seiner Stellung und an seiner Schule unbedingt notwendig seien."
  • Frühjahr 1944: Aufgrund der Bombardierungsgefahr oder einer Ausbombung??? in Stuttgart zog die Familie nach Treherz im Allgäu. Die Wohnung in einem Forsthaus hatte ihnen Fürst Erich von Zeil zur Verfügung gestellt;
  • In Treherz begründete man einen Hauskreis, zu dem auch Romano Guardini und Josef Weiger aus dem benachbarten Mooshausen gehörten. Man las miteinander Dante, lasen Goethe und Schiller, Hölderlin und Mörike, Bergengrün und Werke anderer Zeitgenossen; zum Kreis gehörte auch der Treherzer Pfarrer Bruno Bernhard Zieger sowie der im Pfarrhaus mitwohnende Hofrat Reinhold von Walter, ein russischer Konvertit, früher Dozent für Russisch an der Universität Köln und Übersetzer russischer Werke (Erdmann/Hagen);
  • Schon vor dem 21. Juli 1944 hatte Frau Binder das Bild mit nach Treherz genommen und damit begonnen, das Bild zu übermalen. Statt Hitler als Steuermann, war nun Erzengel Michael zu sehen, der mit seinem Schwert Hitler in den Höllenpfuhl stößt (Erdmann).
  • 24. Juli 1944 Vernichtung der Denkschrift durch Boschs Privat-Sekretär Willy Schloßstein, zusammen mit anderen Akten des Goerdeler-Kreises die im Registrerraum der Firma Bosch verwahrt wurden (Erdmann);
  • Nach dem 21. Juli 1944: Verhör des Ehepaars Binder in der Stuttgarter Gestapo-Zentrale im Hotel Silber verhört: Da ihnen eine Beteiligung nicht nachgewiesen werden konnten, wurden sie nicht verhaftet (Erdmann);
  • Weihnachten 1944: Konversion von Hanna Binder, ausgelöst durch den geistigen Austausch mit Herman Hefele und die zunehmenden religiösen Unruhe im Dritten Reich, den Verlust des Sohnes im Krieg und den als Flucht empfundenen Wechsel in eine katholische Gegend (Hagen); ihr Mann begleitete sie im folgenden Jahr in die katholischen Gottesdienste und durch das Kirchenjahr;
  • 8. Mai 1945: Segnung des Bildes als Altarbild der benachbarten Michaels-Kapelle unter dem Beisein französischer Soldaten: als Zeichen des Sieges über die Dämonie des Nationalsozialismus. Sein Titel lautete nun: "Sankt Michael und der Vollstrecker des Bösen" (Erdmann).
  • ab 1945 Binder wird Präsident der Kultusverwaltung von Württemberg-Hohenzollern
  • 1946 Konversion Hermann Binders zur römisch-katholischen Kirche;
  • Guardini schrieb Binder unter dem 17. Juli 1946: „ Bringe das Deinige mit, Deine Selbständigkeit und Deinen Besitz — nur laß es Dir segnen und ins Ganze einordnen. So habe ich einmal einem Freund gesagt. Mache es ebenso, lieber Freund. Dein Leben soll nicht weniger werden durch den Schritt; und nichts, was wertvoll ist, hört auf, es zu sein, wenn Höheres hinzukommt.“(zitiert nach Hagen, S. 296)
  • Das übermalte Bild hing 1957 in der Romano-Guardini-Gedenkstätte in Mooshausen, verdeckt von einem Vorhang (Erdmann);
  • Vor wenigen Jahren wurde das Bild wieder in die Sankt Michaelskapelle verbracht und hängt dort zwar nicht mehr als Altarbild, aber an der rückwärtigen Empore (Erdmann)

Bibliographie zu Guardini

  1. Rezension zu: Guardini, Der Kreuzweg unseres Herrn und Heilandes, in: Literarischer Handweiser, Freiburg im Breisgau, 57, 1921, 3, Sp. 107 [Mercker 3076] - [Rezension] - https://books.google.de/books?id=BspDAAAAIAAJ;

Sekundärbibliographie

  • August Hagen: Hermann Binder, in: ders. (Hrsg.): Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus, Bd. 4, Ulm 1963, S. 269-301, zu Romano Guardini S. 294, 296, 299 [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://books.google.de/books?id=HdM9AAAAIAAJ;
  • Bruno Bernhard Zieger: Romano Guardini, Hermann Binder und der schwäbische Widerstand, in: Jahrbuch für Philosophie, Kultur und Gesellschaft, 2, 1995/96, S. 71-75 [Brüske 755] - [Artikel] - [noch nicht online]

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