Vorlage:1959 Rezensionen Sigmund Freud und die Erkenntnis der menschlichen Wirklichkeit
Aus Romano-Guardini-Handbuch
- [1959-000] W. Roggemann/L. von Rodenberg: Sigmund Freud und die Psychoanalyse im Spiegel der wissenschaftlichen und öffentlichen Meinung (Übersichtsreferat über Veröffentlichungen und Vorträge zum 100. Geburtstag von S. Freud, gehalten auf der Generalversammlung der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft in Berlin am 26.4.1958), in: Zeitschrift für Psychosomatische Medizin, 5, 1959, 2 (Januar 1959), S. 137-145 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=06rpC6UAzIsC; zu Romano Guardini:
- S. 142: „Als einer der Festredner der Münchener Universitätsfeier setzt sich Romano Guardini, ein prominenter Vertreter katholischer Geisteshaltung, mehr philosophisch als theologisch mit Freud und der Psychoanalyse auseinander. Im Gegensatz zu manchem Kritiker medizinischer Provenienz setzt seine Kritik nicht bei der Sexualisierung des Daseins an er anerkennt vielmehr, daß die weiterarbeitende Tiefenpsychologie eine Mehrzahl weiterer Grundantriebe herausgearbeitet habe. Der Stein des Anstoßes liegt für ihn vielmehr in der Charakterisierung geistig-kultureller Äußerungen als einer Ersatzleistung für eigentlich primär animalische Triebqualitäten. Außer Physis und Psyche müsse im Menschen noch eine Instanz wirksam sein, die sich wohl im Bereich der Triebe auswirke, aber ihrem Sinn wie der Ökonomie nach von anderer Art sei als diese. Guardini nennt diese Instanz Geist und grenzt sie von Logik einerseits und Ethik andererseits als unechten Formen des Geistes ab. Wörtlich sagt er: „Unechtem Geist begegnen wir überall da, wo er in einen grundsätzlichen Widerspruch zum Körper gebracht wird. Jede Ethik und Asketik, welche dualistisch den Geist als das Gute dem Körper als dem Bösen entgegensetzt, ist in Wahrheit von einem Ressentiment getragen, das nicht fähig ist, die Vitalkräfte in eine fruchtbare Ordnung zu bringen. Der angeblich reine Geist ist in Wahrheit ein verdrängter Trieb. Den reinen Geist gibt es in unserem Existenzbereich nicht. Echter Geist ist verleibt. " Seinen Vortrag abschließend bezeichnet Guardini Freud als den Klassiker der Tiefenpsychologie, als eine Frühform, an der sich dann die Kritik entzündet habe und die fernere Forschung in Gang gekommen sei.“