Vorlage:2001 Rezensionen Verantwortung. Gedanken zur jüdischen Frage

Aus Romano-Guardini-Handbuch
  • [2001-000] Habbo Knoch: Die Tat als Bild: Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur, 2001 [neu aufgenommen] – [Monographie] - https://books.google.de/books?id=SQMMAQAAMAAJ; zu Romano Guardini:
    • S. 414 f.: „Romano Guardini machte den systematischen Charakter des Judenmords zum Ausgangspunkt einer 1952 vor Tübinger Studenten gehaltenen Rede, die zu den wenigen direkten Auseinandersetzungen mit den Verbrechen in dieser Phase gehört. Das Morden sei geschehen »durch eine nach allen Seiten hin ausgebaute Apparatur der Aufspürung, Ergreifung und Vernichtung jener Menschen, auf die es abgesehen war«.[475 Romano Guardini, Verantwortung. Gedanken zur jüdischen Frage, München 1952, S. 13] Die Nationalsozialisten hätten »die Instinkte der Tiefe unmittelbar mit Ratio und Technik verbunden«.[476 Ebenda, S. 17.] Doch Guardini erkannte darin nicht ein Spezifikum des Nationalsozialismus allein, denn in Rußland seit 1917 und in China hätte sich wie zur NS-Zeit ein dem zugrundeliegendes Menschenbild durchgesetzt, das den Menschen nur als »Sache« sehe und seine »Ausrottung« »in vollkommener Kälte« zuließe.[477 Ebenda, S. 18, 22.] Im Mord an den Juden sah Guardini deshalb – ganz im Tenor der Zeit nur ein Symbol für die aus dieser Haltung resultierenden Verbrechen totalitärer Staaten. Erst nach diesem einbettenden Vorspann ging Guardini auf die deutsche Erinnerung ein, in der diese Taten unbearbeitet »wie ein stummer Block« seien: »etwas Ungeheuerliches [...], das noch vollkommen unaufgearbeitet ist«.[478 Ebenda, S. 30 f., 39.] Guardini mahnte gegen aufrechnende Sehweisen eine besondere Auseinandersetzung mit dem Mord an den Juden an, weil diese Tat sich gänzlich von den Verbrechen anderer an den Deutschen unterscheide,[479 Ebenda, S. 31 f.] solange die Verbrechen nicht aufgearbeitet würden, blieben sie als Anlagen in den Menschen präsent. Auch Guardini rückte somit die Bewältigung der Vergangenheit in den Rahmen einer Demokratisierung ein, die sich einem „Nie wieder“ verschreiben sollte.[480 Ebenda, S. 31 f.] Doch in seiner Forderung nach einer religiösen und sittlichen Aufarbeitung blieb die konkrete Verbindung zwischen Tat und Gesellschaft unklar; allein der Verweis, daß sich die Tat nicht nach »Gesetzen«, sondern durch Personen entwickelt hatte, reichte – zumal vor dem Hintergrund seiner vorhergehenden hermetisch-anonymen Deutung der Tat - nicht aus, ihre Verflechtung aufzuzeigen. Auch hier blieb die Tat eine Tat ohne Bild, verstellt durch die selbst-reflexive Beschäftigung mit der Schuldfrage und abstrahiert durch den Topos der hygienisch-perfekten Tat.“