Carl Schmitt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Carl Schmitt'''
'''Carl Schmitt''' (1888-1985) war ein deutscher Jurist und gilt als  einer der bekanntesten, wirkmächtigsten und zugleich umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts.
'''Carl Schmitt''' (1888-1985) war ein deutscher Jurist und gilt als  einer der bekanntesten, wirkmächtigsten und zugleich umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts.



Version vom 14. Dezember 2023, 10:27 Uhr

Carl Schmitt (1888-1985) war ein deutscher Jurist und gilt als einer der bekanntesten, wirkmächtigsten und zugleich umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts.

Biographie

  • Sommersemester 1907: Beginn des Jura-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Sommersemester 1908: Wechsel nach München
  • Wintersemester 1908(09 Studium an der Universität Straßburg
  • 1910 Dr. iur mit einer strafrechtlichen Arbeit Über Schuld und Schuldarten bei Fritz van Calker
  • 1913 gemeinsam mit seinem jüdischen Freund Fritz Eisler publiziert er pseudnoym die satirische Schrift "Schattenrisse"
  • 1916 Studie zu Theodor Däublers "Nordlicht"; zuvor schon gemeinsam mit seinem jüdischen Freund Fritz Eisler Kontakte zum expressionistischen Dichter Däublers; daraus entsteht zusammen mit Eisler der Plan für diese Studie; spätere Selbstbezeichnung als "Dada avant la lettre"
  • Teil der Schwabinger Bohème; Freundschaft mit dem Konvertiten Hugo Ball, dem jüdischen Schriftsteller Franz Blei sowie dem katholischen Expressionisten Konrad Weiß
  • 1914 Habilitation mit der Arbeit "Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht und Staatstheorie
  • Frühjahr 1915 Assessor-Examen
  • Februar 1915 Kriegsfreiwilliger, aber ohne Fronteinsatz
  • Ende März 1915 Dienstleistung beim Stellvertretenden Generalkommando des I. bayerischen Armee-Korps
  • 1915 Heirat mit Pawla Dorotić, eine angebliche kroatische Adelstochter, die Schmitt zunächst für eine spanische Tänzerin hielt und die sich später – im Zuge eines für Schmitt peinlichen Skandals – als Hochstaplerin herausstellte
  • 1919 "Politische Romantik" (Lektor Ludwig Feuchtwanger)
  • 1920 Lehrtätigkeit an der Handelshochschule München (vermittelt durch den jüdischen Nationalökonomen Julius Bonn)
  • 1921 "Die Diktatur" (Lektor Ludwig Feuchtwanger)
  • 1921 Lehrtätigkeit in Greifswald
  • 1921 bis 1928 Lehrtätigkeit in Bonn; dort Kontakte zum Jungkatholizismus und zu Carl Muths Zeitschrift Hochland
  • Einführung des Konzepts „Politische Theologie“ (1922)
  • 1923 "Römischer Katholizismus und politische Form" (mit dem Eröffnungssatz: „Es gibt einen antirömischen Affekt“) - erst in zweiter Auflage mit kirchlichem Imprimatur); darin: Analyse der Kirche als eine Complexio Oppositorum,
  • 1924 Eheanullierung durch das Landgericht Bonn, aber ohne kirchliche Anullierung
  • 1924 Politische Schrift "Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus"
  • 1924 Kontakt und bis 1933 enge Freundschaft mit dem evangelischen Theologen und späteren Konvertiten Erik Peterson; außerdem Freundschaft mit [Karl Eschweiler]]
  • bis 1933 auch zum Teil freundschaftliche Kontakte zu jüdischen Kollegen wie Hermann Heller, Erich Kaufmann und Hans Kelsen
  • 1926 Heirat mit der Serbin Duška Todorović (1903–1950), eine frühere Studentin von ihm; aufgrund der Wiederverheiratung Exkommunikation bis 1950
  • 1927 Aufsatz "Begriff des Politischen" mit Einführung des Konzepts „Freund-Feind-Unterscheidung“ (1927)
  • 1928 bis 1933 Lehrtätigkeit an der Handelshochschule in Berlin (vermittelt durch den jüdischen Nationalökonomen Julius Bonn)
  • 1928 "Verfassungslehre" dem 1914 gefallenen jüdischen Freund Fritz Eisler gewidmet; darin Einführung des Konzepts „Verfassungswirklichkeit“ und Entwicklung der Theorie vom "unantastbaren Wesenskern" der Verfasssung; er unterzieht die Weimarer Verfassung einer systematischen juristischen Analyse; damit etabliert er die Verfassungslehre als eigenständige Disziplin des Öffentlichen Rechts
  • ab 1930 Eintreten für eine autoritäre Präsidialdiktatur; enge Kontakte zu Johannes Popitz und Kurt von Schleicher
  • 1931 Geburt der Tochter Anima (1931–1983).
  • 1931 "Hüter der Verfassung" (erweitere Ausgabe); daran anschließend vielbeachtete Kontroverse mit Hans Kelsen, ob Verfassungsgerichtshof oder Reichspräsident dieser Hüter sei.
  • 1931 Einführung des Konzepts „dilatorischer Formelkompromiss“
  • Kontakte zu Alexander Rüstow und Nähe zu dessen Ordoliberalismus
  • November 1932 Vortrag "Starker Staat und gesunde Wirtschaft"; darin Forderung einer aktiven „Entpolitisierung“ des Staates und einen Rückzug aus „nichtstaatlichen Sphären“ unter Bezugnahme auf Rüstows Vortrag "Freie Wirtschaft, starker Staat"; darin hatte sich Rüstow explizit auf Carl Schmitts im Anschluß an Ernst Jünger eingeführte Rede vom "totalen Staat", der in Wahrheit Staatsohnmacht gegenüber den gierigen Interessenten sei und ihn zu deren "Beute" mache; gegen Harold Laskis "Pluralismus" und schließlich auch gegen den Parlamentarismus
  • Juli 1932 Abschluss der Abhandlung "Legalität und Legitimität"; darin Forderung einer Entscheidung für die Substanz der Verfassung und gegen ihre Feinde; gerichtet gegen den neukantianischen Rechtspositivismus von Gerhard Anschütz
  • 1932 erweiterte Ausgabe von "Der Begriff des Politischen"
  • vor Machtergreifung 1933: Ablehnung der Umsturzbestrebungen von KPD und NSDAP und Unterstützung der Politik Schleichers, um das "Abenteuer Nationalsozialismus" zu verhindern
  • 1932 Vertretung der Reichsregierung unter Franz von Papen im Prozess um den sogenannten Preußenschlag gegen die staatsstreichartig abgesetzte preußische Regierung Otto Braun vor dem Staatsgerichtshof (zusammen mit Carl Bilfinger und Erwin Jacobi)
  • Februar 1933: "Seitenwechsel"
  • 24. März 1933: bis zum Ermächtigungsgesetz Gegner der Kanzlerschaft Hitlers, danach Präsentation als überzeugter Anhänger der neuen Machthaber, wohl teils aus Opportunismus teils aus innerer Überzeugung; faktisch mit einer sehr baldigen Anpassung und einem großen literarischen Eifer bis Ende 1936
  • April 1933 Popitz wird Finanzminister und vermittelt Schmitt erste Kontakte zu nationalsozialistischen Funktionären während der Arbeiten für das Reichsstatthaltergesetzes
  • 1. Mai 1933: NSDAP-Mitglied als sogenannter "Märzgefallener" (Mitgliedsnummer 2.098.860)
  • Sommersemester 1933 Lehrtätigkeit in Köln als Nachfolger für Fritz Stier-Somlo (mit Unterstützung von Hans Kelsen); dort vollzieht er binnen weniger Wochen die Wandlung in die rolle eines Staatsrechtlers im Sinne der neuen nationalsozialistischen Herrschaft; inklusive einer steigenden Denunziation jüdischer Professorenkollegen und Veröffentlichung antisemitischer Schriften; dort verweigert er auch seinem eigenen Unterstützer Hans Kelsen die Unterstützung, als dieser seines Amtes enthoben werden sollte; anderen jüdischen Freunden gegenüber verwendet er sich aber, zum Beispiel in einem persönlichen Gutachten für Erwin Jacobi.
  • 11. Juli 1933: Preußischer Staatsrat (Berufung durch Hermann Göring)
  • Herbst 1933 bis 1945 Lehrtätigkeit an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin; die Berufung erfolgte aus "staatspolitischen Gründen"; dort Entwicklung seiner Lehre vom konkreten Ordnungsdenken und amtscharismatischen Souveränitätslehre, der zufolge jede Ordnung ihre institutionelle Repräsentanz im Entscheidungsmonopol eines Amtes mit Unfehlbarkeitsanspruch findet (Propagierung des Führerprinzips und der These einer Identität von Wille und Gesetz)
  • 1933 "Staat, Bewegung, Volk: Die Dreigliederung der politischen Einheit"; darin betont Schmitt die Legalität der „deutschen Revolution“
  • 1933/34??? Berufung zum Herausgeber der Deutschen Juristenzeitung als „Vertrauter“ des Reichsrechtsführers Hans Frank
  • 1934 Rechtfertigung des Morde zur vorgeblichen Prävention des sogenannten Röhm-Putsches von 1934 mit dem Prinzip der "Führer-Ordnung" ("Der Wille des Führers ist Gesetz"); sein früherer Schüler und Intimus Waldemar Guardian bezeichnet ihn daraufhin als "Kronjurist des Dritten Reiches"
  • Juli 1934 Mitglied der Hochschulkommission der NSDAP
  • 1935 Rechtfertigung der antisemitischen Nürnberger Gesetze als "Verfassung der Freiheit"
  • 1936 SS-Vorwurf des Opportunismus und des "Katholizismus"; Beginn der "Intrigen" von Otto Koellreutter, Karl August Eckhardt und Reinhard Höhn
  • Oktober 1936 Tagung "Das Judentum in der Rechtswissenschaft" mit Schmitts ausdrücklichem Bekenntnis zum nationalsozialistischen Antisemitismus und seiner Forderung, jüdische Autoren in der juristischen Literatur nicht mehr zu zitieren oder jedenfalls als Juden zu kennzeichnen. Dies nur als opportunistisches Lippenbekenntnis zu werten, widerspricht, dass Schmitt sogar noch nach 1945 in seinem tagebuchartigen "Glossarium" antisemitische Äußerungen tätigt.
  • Dezember 1936 Verlust der Parteiämter
  • 1939 Entwicklung des Begriffs „völkerrechtliche Großraumordnung“
  • 30. April 1945 Verhaftung durch sowjetische Truppen. Entlassung nach kurzem Verhör
  • 26. September 1945 Verhaftung durch die Amerikaner; Internierung bis zum 10. Oktober 1946 in verschiedenen Berliner Lagern.
  • 29. März bis 13. Mai 1947 Einzelhaft anlässlich der Nürnberger Prozesse
  • 1954 Artikel "Im Vorraum der Macht" in der Wochenzeitung "Die Zeit" unter Verantwortung des Zeit-Mitbegründers und Chefredakteurs Richard Tüngel, der häufiger zu Gast bei Carl Schmitt war; daraufhin verlässt Marion Gräfin Dönhoff aus Protest die Redaktion (Leiterin des Politikressorts), was sie vorher schon angekündigt hatte für den Fall, "wenn der Kerl jemals in der ZEIT schreiben sollte".

Archivalien von Carl Schmitt

  1. Carl Schmitt: Tagebücher 1925 bis 1929, hrsg. von Martin Tielke und Gerd Giesler, aus Gabelsberger Stenographie übertragen von Hans Gebhardt, Andreas Kloner und Philipp Gahn, Berlin 2018 [Monographie] - https://dokumen.pub/tagebcher-1925-bis-1929-9783428552962-9783428152964-9783428852963.html
    1. S. 41 f.:
      1. "Sonntag, 3.1.26 ... Um ½ 8 an Guardini252 telegrafiert, der mich für morgen nach Köln gebeten hatte.253" [252 ... 253 Guardini schickte Schmitt sein Buch „Der Gegensatz. Versuche zu einer Philosophie des Lebendig-Konkreten“ und schrieb ihm dazu im Brief vom 2.1.1926, dass er sich mit ihm treffen wolle. Im laufenden Semester lese er über „Das Verhältnis von Christentum und Kultur an der Problemstellung Kierkegaards“. Er möchte mit Schmitt über augenblicklich hervorbrechende Gegensätze, sowie über eine doppelte Form des Begriffs: des „Grenzbegriffs“ und des „möglichen Begriffs“ sprechen. Seine Schrift über den Begriff des Gegensatzes, an der er seit 20 Jahren herumlaboriere, sei nun erschienen und er gehe davon aus, daß die dort behandelten Fragen auch Schmitt beschäftigen.“ (RW 0265 Nr. 5391)."
      2. "Montag, 4.1.26 Um 8 auf, um 9 zum Schreibbüro gelaufen, bis 12 diktiert, gut vorwärts gekommen, todmüde, im Bürgerverein gegessen, vergebens auf Guardini gewartet, dann nach Hause, ..."
    2. S. 192:
      1. "Sonntag, 1.1.28 ... Eingepackt, umgekleidet, nach Boppard gefahren.990 Abends angekommen, sah Brüning991 im Kurhotel Spiegel; auch einige andere, sprach mit (aus Attendorn) und Dempf, aß mit Brüning, der freundlich, liebenswürdig, augurenhaft ist, nett, aber ich fühle mich etwas überflüssig und zurückgesetzt. ..."
      2. "Montag, 2.1.28 Um ½ 9 auf, scheußliche Kälte, aber ziemlich munter, schlechtes Hotel, vormittags Vorträge von Ehrenberg992, dann Diskussion, interessant, aber Ehrenberg erinnert mich an Erich Kaufmann, übel, er sprach von der Auflösung der Zeit, verlangte eine Theokratie gegenüber der Demokratie." [990 In Boppard fand eine Tagung des „Werl-Soester-Kreises“ statt, in dem sich katholische ehemaliger Straßburger Studenten und Angehörige der katholischen Jugendbewegung Quickborn versammelten. Der Kreis wurde von dem mit Brüning seit gemeinsamer Straßburger Studentenzeit befreundeten Werler Gymnasiallehrer Theodor Abele (1874–1965) organisiert. Von den Vorträgen (u. a. von Brüning, Guardini, Aussem, Michel, Ehrenberg, Schmitt) sind nur der von Brüning in Auszügen (nach Mitschrift von Abele) und der von Schmitt nach der Mitschrift von Werner Becker bekannt (Berning/Maier, S. 113 f.; Hömig, S. 48 ff., 217 ff.)."
    3. S. 230: "Mittwoch, 14.11.28 ... Frühstückte behaglich, dann kam Fräulein Kraus, wir räumten etwas auf, plauderten über Kierkegaard, Guardini (den sie hasst), über den Reichtum, Georg Eisler usw. Ich fühlte mich als armer Proletarier sehr traurig."
    4. S. 254: "Mittwoch, 23.1.29 ... Mit Frau Berend spazieren, zum Café , über (den sie für böse hält, aber sehr interessant und sympathisch), Georg Eisler, dessen Reichtum sie hasst. Nach Hause im Auto, Fräulein Kraus noch diktiert; dann zu Guardini, langweilig, müde nach Hause."

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