Fritz Tillmann

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Friedrich Karl, meist kurz Fritz Tillmann (1874-1953) war ein römisch-katholischer Hochschullehrer, zunächst für neutestamentliche Exegese, dann für Moraltheologie. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rademacher gilt Tillmann als Vertreter eines christlichen Humanismus - unter anderem im Gefolge des protestantischen Theologen Johannes Müller von der Elmau (1864-1949), dem langjährigen Herausgeber der „Grünen Blätter“ (vgl. Gertz, a.a.O., S. 305).

Biographie

  • 1894-1897 Studium der Katholischen Theologie in Bonn; anschließend Besuch des Priesterseminars zu Köln
  • 17. Dezember 1897 Priesterweihe, anschließend bis 1901 Kaplan in Essen; 1901 Beurlaubung zum Weiterstudium
  • 1901 Studium der Klassischen Philologie in Bonn;
  • 1901-1904 Tätigkeit als Studentenseelsorger in Bonn
  • Herbst 1904-1913 Repetent am Collegium Albertinum in Freiburg
  • 1905 Dr. theol. bei Joseph Felten mit der Arbeit "Der Menschensohn. Jesu Selbstzeugnis für seine messianische Würde" (1905), im Übrigen die erste Promotion der Katholischen Fakultät Bonn nach offiziellem Erhalt des Promotionsrechtes
  • 1908 Habilitation für neutestamentliche Exegese bei Joseph Felten mit der Arbeit "Die Wiederkunft Christi nach den paulinischen Briefen" (Freiburg i.Br. 1909). Die Antrittsvorlesung am 1. August 1908 trug den Titel "Das Gött­li­che Selbst­be­wusst­sein Je­su nach den Syn­op­ti­kern"; anschließend Privatdozent
  • 1911 Herausgeber der ersten Lieferung der sogenannten „Bonner Bibel“, einer Kommentierung des Neuen Testaments (offizieller Titel: „Die hei­li­ge Schrift des neu­en Tes­ta­men­tes“), die aber 1912 von der Konsistorialkongregation für den Gebrauch an Priesterseminaren verboten wurde, weil Friedrich Wilhelm Maier (1883-1957) darin die Zweiquellentheorie zum Matthäus-Evangelium vertreten hatte.
  • Wechsel in die Moraltheologie
  • Sommer 1913-1939 ordentlicher Professor für Moraltheologie an der Universität Bonn als Nachfolger von Jakob Kirschkamp. In Verbindung von Exegese und Moraltheologie lieferte Tillmann dabei eine neutestamentliche Begründung der Moraltheologie, die heute vielfach als entscheidender Beitrag zur Erneuerung der Moraltheologie selbst gesehen wird (vgl. Priont, a.a.O. bzw. Grill, a.a.O., S. 125).
  • 1919-1921 Rektor der Universität Bonn; durch seinen Einsatz für einen respektvollen Umgang zwischen Universität und den zunächst englischen, dann ab 1920 französischen Besatzern des Rheinlandes, konnte er die mehrfach drohende Schließung der Universität abwenden.
  • 1920 Mitgründung und Mitgliedschaft im Hauptausschusse der Not­ge­mein­schaft der deut­schen Wis­sen­schaft (Vor­gän­ger­or­ga­ni­sa­ti­on der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft)
  • 1920 Mitgründer des Verbandes der Deutschen Hochschulen
  • 1922 gemeinsam mit mit dem Görres-Herausgeber Wilhelm Schellenberg und dem Alttestamentler Johannes Hehn: Herausgeber der Festschrift für Sebastian Merkle zum 60. Geburtstag. Merkle widmete Tillmann gemeinsam mit dem Münchner Kirchenrechtler und Rechtshistoriker Eduard Eichmann auch den ersten Teil des ersten Bandes seines „Handbuchs der katholischen Sittenlehre“ (1933) widmete.
  • 1923 widmete der Bonner Philosophie- und Pädagogikprofessor Siegfried Behn ihm seine „Kritik der pädagogischen Erkenntnis“, da er sich diesem Ethiker zutiefst verpflichtet fühle (Gunnar Anger: Siegfried Behn, in: BBKL, BD. XXVI, 2006, Sp. 135-141).
  • Zentrumsmitglied
  • 1923-1933 Vorsitzender des Vereins Studentenwohl Bonn e.V., dem Vorläufer des Studentenwerks Bonn; in der Folge davon maßgebliche Beteiligung am Aufbau des "Deutschen Studentenwerkes" und des "Deutschen Hochschulbundes"
  • 1924 Einweihung des ersten deutschen Studentenhauses mit Mensa, Burse, Druckerei, Lese- und Gesellschaftsräumen in Bonn, dass später nach ihm benannte "Tillmanneum".
  • 1924 Initiator der "Bon­ner Zeit­schrift für Theo­lo­gie und Seel­sor­ge"; bis 1931 Schriftleiter gemeinsam mit Wilhelm Schwer
  • ab 1928 Vorstandsmitglied der Wirt­schafts­hil­fe der deut­schen Stu­den­ten­schaft (später: Deutsches Studentenwerk), ab 1931 Vorsitzender des Deutschen Studentenwerkes
  • 1929-1932/33 Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Hochschulen
  • Brief vom 31. Oktober 1932 an Eduard Spranger über den als künftigen Kultusminister gehandelten Wilhelm Kähler: „Damit bekommen wir endlich einen Kultusminister großen Formats. Wenn es wirklich so kommt, hat es den Vorteil, dass Herr Kähler mit dem Verband vertraut ist und mitgearbeitet hat. Wieweit er wirklich unseren Wünschen entgegenkommen wird, muss man abwarten.“ (Wilhelm Kähler/Eckhard Oberdörfer: Noch 100 Tage bis Hitler. Die Erinnerungen des Reichskommissars Wilhelm Kaehler, Schernfeld 1993, S. 37) Tatsächlich war der deutschnationale, an der Universität Greifswald tätige Jurist und Nationalökonom Kähler vom 1. November 1932 bis 4. Februar 1933 Kultusminister.
  • Brief vom 28. November 1932 an den Reichspräsidenten, dessen Wiederwahlausschuss er angehört hatte. Darin forderte er den Reichspräsidenten auf, mit einer Notverordnung gegen die NS-Hochschulpolitik des braunschweigischen Unterrichtsministers Dietrich Klagges vorzugehen, weil dieser das Vorgehen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes gegen jüdische Hochschullehrer decken würde (Eckhard Oberdörfer: Der Verband der Deutschen Hochschulen und der Braunschweiger Hochschulkonflikt, in: Geschichte und Gegenwart. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Gesellschaftsanalyse und politische Bildung, 10, 1991, 2, S. 145ff, hier S. 147).
  • Nach der Machtergreifung: Rücktritt, weil er jede Kontaktaufnahme mit dem NSDStB und der NSDAP ablehnte.
  • 10. Februar 1933: Letzte satzungsgemäße Vorstandssitzung des Deutschen Studentenwerkes unter Tillmann, nachdem Kähler am 2. Februar 1933 zurückgetreten und am 4. Februar 1933 durch den Nationalsozialisten Bernhard Rust ersetzt worden war. Zehn Tage später wurde die Gleichschaltung bestimmt (Rolf-Ulrich Kunze: Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin 2001, S. 362).
  • Bildung eines Kreises von Studierenden und Dozenten um Tillmann, zu dem in jedem Falle Theodor Steinbüchel und Theodor Müncker gehörten. 1934 gaben Steinbüchel und Müncker eine Festschrift zum 60. Geburtstag von Tillmann heraus (Theodor Steinbüchel/Theodor Müncker: Das Bild vom Menschen. Beiträge zur theologischen u. philosophischen Anthropologie, Festschrift Fritz Tillmann zum 60. Geburtstag, Düsseldorf 1934)
  • 1934/35 ff.: Herausgabe (gemeinsam mit Steinbüchel und Münckler) des mehrbändigen Werkes "Handbuch der katholischen Sittenlehre";
  • 1939 (1940???) Emeritierung
  • 1949 Steinbüchel und Münckler geben auch zu Tillmanns 75. Geburtstag eine Festschrift heraus, wobei Steinbüchel während der Herausgabe verstarb (Aus Theologie und Philosophie. Festschrift für Fritz Tillmann zu seinem 75. Geburtstag (1. November 1949), Düsseldorf 1950)
  • 1953 Beerdigung auf dem Waldfriedhof bei Rhöndorf, an der Kardinal Frings und Bundeskanzler Adenauer teilnahmen.

Biographische Bezüge zu Guardini

  • Begegnungen mit Tillmann scheinen sowohl in Freiburg für 1906 und 1912/13 möglich
  • Tillmann hatte Verbindungen zu Maria Laach, dem Katholischen Akademikerverband und unterstützte die dortigen liturgiewissenschaftlichen Vorhaben. Er unterzeichnete denn auch gemeinsam mit Abt Herwegen den Aufruf zur Gründung des „Vereins zur Pflege der Liturgiewissenschaft", der die wissenschaftlichen Arbeiten der Abtei Maria Laach wirtschaftlich absicherte, und wurde nach dessen rechtsgültiger Konstituierung am 14. Dezember 1921 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
  • als Rektor der Universität Bonn (1919-1921) war er in die Habilitationspläne Guardinis involviert. Obwohl Tillmann für dessen Habilitation nach Guardinis eigener Auskunft eine “Hauptstütze” war (Guardini, Berichte aus meinem Leben, a.a.O., S. 52; vgl. dazu auch 82. Brief vom 18. April 1920, Pützchen bei Beuel, in: Briefe an Josef Weiger, a.a.O., S. 229), stellte Guardini ihn in seinen Erinnerungen unvorteilhaft als “Moralisten”, „kritischen Theologen“ und Vertreter eines religiösen, nur durch Gehorsam gegen das Dogma eingeschränkten Liberalismus vor.
  • Das Verhältnis zwischen Tillmann und Guardini blieb dagegen vor allem seit der Bonner Antrittsvorlesung Guardinis gespannt. Guardini selbst berichtete, der Exeget habe nach der Vorlesung das Gefühl gehabt, „als habe ihm jemand auf den Kopf geschlagen. Er hatte geglaubt, in mir einen `kritischen´ Theologen zu haben.“ Doch Guardini hielt vielmehr die „kritische“ Bonner Richtung nur für einen „durch Gehorsam gegen das Dogma eingeschränkten Liberalismus. Meine Vorlesung hingegen machte Offenbarung und Glauben zur Basis des Erkennens“: „Gerade die Verantwortlichkeit wissenschaftlichen Denkens müsse fordern, dass sie auf einen eigenen Erkenntnisgegenstand, nämlich die Offenbarung und ein eigenes Erkenntnisprinzip, nämlich den im Dogma verfassten Glauben begründet sei – wozu natürlich alles zu kommen habe, was Sorgfalt der Methode und Achtung vor den empirischen Fakten heißt. Tillmann hatte für diese Denkweise kein Verständnis, sondern sah in ihr einen unwissenschaftlichen Dogmatismus" (Guardini, Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, a.a.O., S. 32)
  • Während ein weiterer Kontakt mit Guardini nach der Bonner Frühzeit nicht nachweisbar ist, ist Guardini für die Arbeit des Schüler- und Freundeskreises von Tillmann als Orientierungspunkt interessant. Wie unter anderem an der Festschrift für Tillmann zu sehen ist, setzten sich diese intensiver mit Guardini auseinandersetzten und standen ihm zum Teil ebenso nahe, allen voran: Theodor Steinbüchel (vgl. "Die menschliche Existenz in heutiger Sicht – Idealismus und Existenz", in: Das Bild des Menschen, a.a.O., S. 145-159; "Der Sinn des menschlichen Fragens", in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. 525-573), Werner Maria Schöllgen ("Ethik und Ethos", in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. ???) und Wilhelm Schwer ("Die Schenkung an die Kirche in den Pseudokapitularien des Benedictus Levita", in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. 477ff.), aber auch Heinrich Lützeler ("Die Idee des Menschen in der heutigen Kirchenbaukunst", in: Das Bild vom Menschen, a.a.O., S. 200-211; "Größe und Grenze christlicher Kunst", in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. 327-350), Josef Maria Nielen (Gebet und Gottesdienst im Neuen Testament in ihren geschichtlichen Voraussetzungen, Freiburg i. Br. 1937 (Diss. 1926); "Der Mensch in der Verkündigung des Evangeliums", in: Das Bild des Menschen, S. 14-24; "Zur Grundlegung einer neutestamentlichen Ekklesiologie", in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. 370-397) und andere.

Bibliographie zu Guardini

  • wird noch vervollständigt

Nachlass

  • Uni­ver­si­täts­ar­chiv Bonn, Per­so­nal­ak­te Fritz Till­mann im (UAB: PA 9786).

Sekundärbibliographie

  • Werner Schöllgen: Fritz Tillmann, in: 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1968, Bonner Gelehrte, Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn, Katholische Theologie, Bonn 1968, S. 104;
  • Bernhard Gertz: Glaubenswelt als Analogie. Die theologische Analogie-Lehre Erich Przywaras und ihr Ort in der Auseinandersetzung um die analogia fidei, Darmstadt 1969;
  • Emil Priont: Fritz Tillmann (1874-1953) und sein Beitrag zur Erneuerung der Moraltheologie im 20. Jahrhundert, Mainz Diss. 1996;
  • Gabriele Lautenschläger: Fritz Tillmann (Theologe), in: BBKL, Bd. 12, Herzberg 1997, Sp. 123-125;
  • Rupert Grill: Wegbereiter einer erneuerten Moraltheologie. Impulse aus der deutschen Moraltheologie zwischen 1900 und dem II. Vatikanischen Konzil, Freiburg/Schweiz 2008, S. 123ff.: Fritz Tillmann - Biblisch-christozentrische Erneuerung der Moraltheologie)

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