Heinrich Lützeler
Aus Romano-Guardini-Handbuch
Heinrich Lützeler (1902-1988) war ein deutscher Philosoph, Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler
Biographie
- 1921 Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft an der Bonner Universität. Er hörte bei Paul Clemen und Oskar Walzel, lernte aber auch Max Scheler kennen. Zu Paul Clemen vgl. Lützeler, Persönlichkeiten. Konrad Adenauer, Paul Clemen, Kardinal Frings, Johannes XXIII., Erich Rothacker, Max Scheler, Freiburg 1978, S. 61-81. Zu dieser Zeit ist Paul Ludwig Landsberg sein bester Freund (Doris Reitmeister: Gelehrte der Alma Mater Bonnensis: Porträts, X. Paul Ludwig Landsberg, Norderstedt 2009)
- 1922 Lützeler hält sich laut Gästebuch der Abtei Maria Laach vom 11. bis 14. März und am 29. Jul/1. August als "st. phil Bonn" in Maria Laach auf. Er führt desweiteren auch eine Korrespondenz mit Abt Ildefons Herwegen.
- 1923 gibt Landsberg gemeinsam mit Lützeler die Religiösen Schriften von Novalis heraus und schreibt dafür eine Einleitung unter dem Titel „Die Lehre des Novalis“ (Landsberg, Paul: Die Lehre des Novalis, in: Novalis: Religiöse Schriften, hrsg. von P.L. Landsberg und H. Lützeler, Köln 1923, S. 5-17)
- 1924 Dr. phil. in Philosophie mit einer Dissertation über "Formen der Kunsterkenntnis": Die Arbeit, ursprünglich zur Annahme im Fach Kunstgeschichte vorgesehen, war den Kunsthistorikern "zu philosophisch". Lützeler hatte daraufhin das Hauptfach gewechselt und wurde unter Adolf Dyroff in Philosophie promoviert.
- 1924 Lützeler gibt die Religiösen Schriften von Blaise Pascal herausgegeben.
- Arbeit als Theaterkritiker und Vortragsreisender.
- 1930 Habilitation mit "Grundstile der Kunst" (publiziert 1934), anschließend Privatdozent für Philosophie in Bonn
- 1934/35: Deutscher Geist im kath. Kirchenbau der Gegenwart, in: Die christliche Kunst, 31, 1934/35, S. 225–245
- 1939 nahm er für die Erneuerung der Kunst nach dem Ersten Weltkrieg Stellung, die dem Nationalsozialismus als „entartet“ galt: „Doch mag die Vergangenheit noch so ruhmreich sein, man gewinnt nicht in der Hinwindung zu ihr die Zukunft.“ So hätten sich „in den gleichen furchtbaren Nachkriegsjahren ... auch die besonnenen und schöpferischen Geister“ geregt, „die aus der leidvollen Erfahrung des Krieges wieder nach den Quellen des Lebens suchten und eine Erneuerung der Kunst aus dem Glauben in die Wege leiteten.“ „Es bewahrheitet sich auf dem Gebiet der kirchlichen Kunst wie auch anderswo das Wort des Dichters Hans Carossa: Die Jahre des Wiederaufrichtens nach ungeheurem Einsturz, das sind die guten Wachstumsjahre der Völker“ (Erneuerung der Kunst aus dem Glauben, in: Fischer, Hermann (Hrsg.): Kirche im Aufgang. Aus 100 Jahren Wachstum in unserer Heimatkirche, Steyl 1939, S. 32).
- aufgrund seiner Kritik an Rosenberg zunächst zahlreiche gegen ihn gerichtete Diffamierungskampagnen
- 1940 Lehrverbot mit Entzug der Venia legendi
- 1942 Rede- und Schreibverbot für ganz Deutschland
- Lehrer von Willi Graf. Der Mitte November 1942 zum zweiten Mal aus Russland zur Studentenkompanie in München zurückkommende Willy Graf und ist dabei auch in Bonn gewesen und bemerkt das Schicksal des ihm bekannten, nun suspendierten Lützelers.
- Nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reiches" stellte sich Lützeler - im letzten Kriegsjahr von Verhaftung und Deportation bedroht - sofort für die Neubelebung der funktionsunfähig gewordenen Bonner Universität zur Verfügung.
- Anfang Juni 1945 wurde er durch die britische Militärregierung wieder in seine akademischen Rechte eingesetzt, im Dezember 1945 zum außerplanmäßigen, im August 1946 zum ordentlichen Professor der Ästhetik und Kunstgeschichte und zum Direktor des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn berufen.
- Der Philosoph Max Scheler: eine Einführung, Bonn 1947
- 1954/1955 Dekan der Philosophischen Fakultät
- 1967/1968 Dekan der Philosophischen Fakultät (in unruhiger Zeit)
- 1978 erscheint seine stark autobiographische Arbeit über "Persönlichkeiten: Konrad Adenauer, Paul Clemen, Kardinal Frings, Johannes XXIII., Erich Rothacker, Max Scheler; auf der anderen Seite: Funktionäre, Bosse, Bürokraten" (Freiburg u.a. 1978)
Weitere Guardini-affine Themen
- Die Idee des Menschen in der heutigen Kirchenbaukunst, in: Das Bild vom Menschen, a.a.O., S. 200-211;
- Größe und Grenze christlicher Kunst, in: Aus Theologie und Philosophie, a.a.O., S. 327-350;
- H. Lützeler hat die „Pensées“ neu geordnet: Er „ist der Mensch, der – jenseits überwundener, schwerer Geistesproblematik – aus der Gewissheit heraus spricht und wirkt, einer Gewissheit nicht des Autoritätsglaubens, sondern der eigenen Erfahrenheit. Der geistige „Nihilismus“, die Glaubens- und Gewissheitsferne der Zeit, in ihrer deutlichen Form und verborgen hinter den dürftigen Setzungen künstlicher Geistesgebilde, ist uns durch echte Wahrheitssuche zu überwinden aufgegeben. Philosophisches und religiöses Streben gehen gemeinsam nach dieser Gewissheit und Ordnung hin. Aus dieser Aufgabe und Sehnsucht haben wir Zugang zu Pascal.“ (wohl aus: Winter, Eduard: Über die Perfektibilität des Katholizismus, 1971, S. 41)
Biographische Bezüge zu Guardini
- Lützeler gehörte zum Bonn-Kölner Scheler-Kreis
- Eines der wenigen Zusammentreffen zwischen Guardini und Scheler fand im Frühjahr 1923 im Garten des Elternhauses von Landsberg statt. Diese Begegnung hat einem Bericht Heinrich Lützelers zufolge beide Seiten tief beeindruckt, obwohl dabei nicht nur die Übereinstimmung, sondern auch der Gegensatz deutlich geworden sein muss. “Welch ein Gegensatz! Scheler sagte erschüttert zu uns, seinen Schülern, es bewege ihn tief, dass einer so fest in Gott stehen könne.” (Brief von Heinrich Lützeler vom 25.3.1984 an Hanna Gerl-Falkovitz, zitiert nach Gerl, 1985, S. 142)
- aber sinngemäß auch schon in Lützeler, Persönlichkeiten, a.a.O., S. 117: Demnach habe Scheler den jüngeren Kollegen gefragt, “wie er denn wohl den Begriff `Weltanschauung´ interpretiere” und “ihm gleich ein halbes Dutzend Möglichkeiten” vorgeschlagen. “Guardini, gar nicht belesen, war völlig verschüchtert. Uns Studenten schien es damals, als sei ein Menschenfresser auf den verwirrten Dozenten der Dogmatik zugegangen. Nachher aber zeigte sich Scheler bewegt davon, dass es dies noch gab: einen Menschen unserer Gegenwart, ungezwungen und weiten Herzens aus der Ordnung lebend.” In den Scheler-Kreis um Landsberg gehören auch noch Heinrich Lützeler (1902-1988), dem damals besten Freund Paul Ludwig Landsbergs , von dem sich aber kein gewidmetes Buch in der Bibliothek befindet, sowie die Scheler-Schülerin Tony Förster und der Landsberg-Freund Gustav René Hocke, der wiederum bei Ernst Robert Curtius promovierte.
- Lützeler besucht die ersten Vorlesungen Guardinis als Privatdozent für Dogmatik in Bonn:
- Vorlesung über "Die Typen der Erlösungslehre", Bonn Sommersemester 1922 (Die Lehre von der Erlösung, Mitschrift von Heinrich Lützeler, veröffentlicht in: Gerl-Falkovitz (Hrsg.): Lauterkeit des Blicks, S. 32-61)
- Privatdozent für Dogmatik: Vorlesung über "Sakrament und Opfer", Bonn Wintersemester 1922/23 (Sakrament und Opfer, Mitschrift von Heinrich Lützeler, veröffentlicht in: Gerl-Falkovitz (Hrsg.): Lauterkeit des Blicks, S. 62-69)
- Lützeler und die Schildgenossen
- Schwarz, Rudolf: Heinrich Maria Lützeler, Formen der Kunsterkenntnis, in: Die Schildgenossen, 5, 1925
- Lützeler, Heinrich: Die spanische Gotik, in: Die Schildgenossen, 9, 1929
- Lützeler, Heinrich: Edvard Munch und die vorreligiöse Kunst, in: Die Schildgenossen, 10, 1930, S. 511
- !Lützeler, Heinrich: Das Selbstbild des Deutschen in der christlichen Kunst, in: Die Schildgenossen, 13, 1934, S. 320-329
- Lützeler, Heinrich: Bildnis der Engel, in: Die Schildgenossen, 19, 1940, S. 43-44 (Schreyer, Lothar: Bildnis der Engel, 1939)
- Lützeler, Heinrich: Christus in der spätantiken Plastik, in: Die Schildgenossen, 19, 1940, S. 219-220 (Friedrich Gerke: Christus in der spätantiken Plastik)
Bibliographie
- 5 Treffer von 1934 bis 1978;
- Grundstile der Kunst, 1934, zu Romano Guardini S. 203 (zu: Klein, Lucie Christine), S. 278 und 282 (zu: Guardini, Heilige Zeit) [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://books.google.de/books?id=MXFtAAAAIAAJ
- [Spanisch] La renovación de la arquitectura religiosa, in: Cruz y Raya, Madrid, 15, 1934, Juni S. 7-29, zu Romano Guardini S. 16 f. [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://books.google.de/books?id=TocgAQAAMAAJ
- Hölderlin, in: Hochland, München, 37, 1939/1940, 9 (Juni 1940), S. 375-377 (Rezension zu: Guardini, Hölderlin. Weltbild und Frömmigkeit) [Mercker 3409] - [Rezension] - https://books.google.de/books?id=SeUIAQAAIAAJ; darin wies Lützeler auf “die unzeitgemäße Richtung der Untersuchung” hin.
- Über den Sinn der christlichen Kunst, in: Stimmen der Zeit, 71, 1941, S. 254–257 und 287–291 [neu aufgenommen] - [Artikel] - https://books.google.de/books?id=rYYjCuN8UEIC; zu Romano Guardini:
- S. 291: "Diese echte christliche Kunst ist freilich nicht nur liturgisch gewesen. Neben dem KULTBILD gab es das ANDACHTSBILD, so hat Romano Guardini unterschieden, und gewiß ist mit dieser ersten grundlegenden Abgrenzung noch nicht alles gesagt: es gibt über diese beiden Formen hinaus noch mehr Grundformen christlicher Kunst" (Verweis auf Guardini, Kultbild und Andachtsbild)
- Größe und Grenze christlicher Kunst, in: Beiträge zur christlichen Philosophie, 1948, 4, S. 35-59 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=VToWAQAAIAAJ; auch in: Aus Theologie und Philosophie. Festschrift für Fritz Tillmann zu seinem 75. Geburtstag (1. November 1949), 1950, S. 327-350 [neu aufgenommen] – [Artikel] - https://books.google.de/books?id=lrAxAQAAIAAJ; zu Romano Guardini:
- 1948, S. 53 f./1950, S. 344: „In diesem Sinne wünscht er eine herbe Armut der Formen, von der aus Guardini in freundschaftlicher Nähe die Aachener Fronleichnamskirche von Rudolf Schwarz auslegt. Armut - sagt Guardini (15 Romano Guardini in Die Schildgenossen, 1931, 267) - ist ein Kennzeichen unserer Zeit, und es kann darin die Möglichkeit einer hohen Lebensführung liegen. Aber die Armut hat neben ihrem zeitgeschichtlichen auch einen religiös-ontologischen Sinn: in ihr vollzieht sich der Akt des Verstummens vor der kündenden Gottheit, und so meint Guardini (sicher in Überschätzung der Aachener Kirche): „Aus der Still dieser weiten Wände kann eine Ahnung der Gegenwart Gottes hervorblühen.“
- Kunsterfahrung und Kunstwissenschaft. Systematische und entwicklungsgeschichtliche Darstellung und Dokumentation des Umgangs mit der bildenden Kunst, Band 1, 1975, S. 586 (zu: Guardini, Der religiöse Gehalt der Sigmaringer Jesus-Johannes-Gruppe) [neu aufgenommen] - [Monographie] - https://books.google.de/books?id=MQYFAAAAMAAJ;
- Persönlichkeiten. Konrad Adenauer, Paul Clemen, Kardinal Frings, Johannes XXIII., Erich Rothacker. Max Scheler. Auf der anderen Seite: Funktionäre, Bosse, Bürokraten, Freiburg im Breisgau 1978, zu Romano Guardini S. 117 („Guardini, gar nicht belesen, war völlig verschüchtert. Uns Studenten schien es damals, als sei ein Menschenfresser auf den verwirrten Dozenten der Dogmatik zugegangen. Nachher aber zeigte sich Scheler bewegt davon, dass es dies noch gab: einen Menschen unserer Gegenwart, ungezwungen und weiten Herzens aus der Ordnung lebend.”) [Gerner 295] - [Monographie] - [noch nicht online]
Sekundärbibliographie
- Frank-Lothar Kroll: Erinnerungen an Heinrich Lützeler, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 32, 1987 (erschienen 1989), S. 7 ff.
- Lorenz Dittmann: Heinrich Lützeler und die „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 32, 1987 (erschienen 1989), S. 20 ff.
- Frank-Lothar Kroll: Heinrich Lützeler (1902-1988), in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 41, 1989, n. 4, S. 362 ff.
- Gia Toussaint: „Der gotische Mensch will sehen“. Die Schaufrömmigkeit und ihre Deutungen in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Reudenbach, Bruno/Steinkamp, Maike (Hrsg.): Mittelalterbilder im Nationalsozialismus, Berlin 2013, S. 31-48, zu Romano Guardini S. 33, 35 und 45 (zu Romano Guardinis Einfluß auf Lützeler und die Schaufrömmigkeit) [Artikel] - https://books.google.de/books?id=t6zpBQAAQBAJ;
Internet
- Wikipedia-Biographie - https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_L%C3%BCtzeler