Harnier-Kreis

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Der in den 1960er Jahren vom Historiker James Donohoe sogenannten "Harnier-Kreis" war ein Münchner Kreis konservativer Monarchisten, deren Mitglieder sich schon früh gegen den Nationalsozialismus positionierten. Dieser hauptsächlich in München ansässige bürgerliche Kreis, der vor allem im Bayerischen Heimat- und Königsbund und in der Bayerischen Volkspartei beheimatet war, war aber zunächst von der Bildhauerin Margarete Freiin von Stengel, die aus der Verlagsdynastie Oldenbourg stammte, in ihrem Haus organisiert worden. Sie hatte sich als Leiterin des Sozialwerks "Patrona Bavariae" im Bayerischen Heimat- und Königsbund engagiert.

Vorgeschichte, Gründung und erste Phase (bis November 1935)

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 baute der Gartenverwalter von Schloss Nymphenburg, Heinrich Weiß, aus dem monarchistischen Stengel-Kreis einen festeren Kreis von Monarchisten auf, zu der auch wieder Margarete von Stengel gehörte. Sie entwarf für die Mitglieder eine Anstecknadel mit der Patrona Bavariae als unverfängliches Erkennungszeichen für dessen Mitglieder und finanzierte unter anderem die Kosten wie für die Anschaffung eines Vervielfältigungsapparats zur Herstellung von Flugblättern. Man traf sich nunmehr als Stammtisch getarnt in verschiedenen Münchner Bierkellern wie dem Mathäser. Auch die Wohnung von Heinrich Weiß im ehemaligen Küchentrakt von Schloss Nymphenburg diente nun als Versammlungsort.

Neben Heinrich Weiß und Margarete von Stengel waren Mitglieder des Kreises: Adolf von Harnier (engagierter nach seiner Rückkehr nach München im Herbst 1936), Wilhelm Seutter von Lötzen (ab 1934/35), Josef Zott (ab 1935), der 1935/36 ohne Wissen der anderen Mitglieder Kontakte zur KPD knüpfe, außerdem Franz Xaver Fackler, Gebhard Fahrner, Heinrich Pflüger und Karl Schuster. Kontakte gab es auch zu dem Jesuitenpater Rupert Mayer. Zahlreiche Mitglieder kamen aus dem 1933 aufgelösten Bayerischen Heimat- und Königsbund, andere waren Mitglieder der aufgelösten Bayerischen Volkspartei.

Im Winter 1935/36 wurde die Arbeit der Gruppe unterbrochen, nachdem am 14. November 1935 Margarete von Stengel durch die Gestapo verhaftet wurde. Aufgrund der nachfolgenden Überwachung schied sie zum Schutz der anderen Mitglieder aus der Gruppe aus.

Adolf von Harnier

Als im Herbst 1936 Harnier nach München umzog, engagierte er sich im Kreis und übernahm alsbald die Leitung. Er kannte Margarethe von Stengel bereits aus der Jugendzeit, weil er und ihre Brüder Schulkameraden waren. Harnier lehnte die Revolution von 1918 als illegitim ab und drängte auf eine Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung der Monarchie, wozu er sich schon 1925 dem Bayerischen Heimat- und Königsbund angeschlossen hatte. 1934 trat Harnier gegen den Widerstand seiner Familie zum katholischen Glauben über. Er unterhielt gute Kontakte zu den bayerischen Adelsfamilien sowie auch zu den Wittelsbachern.

Bayerischer Heimat- und Königsbund (1921-1933)

Harnier gehörte seit 1931 zu den Mitarbeitern des Landesleiters des Bayerischen Heimat- und Königsbundes, Georg Enoch Freiherrn von und zu Guttenberg. Der Bayerische Heimat- und Königsbund war 1921 gegründet worden. Besonders unter den Landesleitern Erwein Freiherr von Aretin und Enoch Freiherr zu Guttenburg wurde der BHKB zu einer mitgliederstarken Vereinigung bayerischer Monarchisten (1932 wenigstens 70000 Mitglieder). Der BHKB unterhielt das Sozialwerk "Patrona Bavariae" mit einer Volksspeisung und verfügte über eine eigene "Königs-Jugend".

Arbeitsstelle für konservatives Schrifttum (1931-1934)

Harnier arbeitete auch mit der ab 1932 erscheinenden Zeitschrift "Monarchie", zusammen. Die 1931 vom überzeugten Monarchisten Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg gegründete private Organisation hatte ihren Sitz in Würzburg, die Zeitschrift erschien vom Juli 1932 bis zum Januar 1934 (Verbot, mit der Erlaubnis einer Neugründung). Als Mitarbeiter sind vor allem zu nennen Erwein Freiherr von Aretin, Friedrich Everling, Arthur Hübscher, Gerhard von Janson, Richard Korherr, Friedrich Mattaesius, Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Friedrich Reck-Malleczewen, Reinhold Schneider und Anton Ritthaler.

"Weiße Blätter" (1934-1943)

Von Mai 1934 bis März 1943 (kriegsbedingte Einstellung wegen Papiermangels) wurde die Zeitschrift "Monarchie" unter dem Namen "Weiße Blätter" wiederaufgenommen. Sie wurde erneut von Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg herausgegeben, in Bad Neustadt an der Saale verlegt und von Carl Krüger in Mylau gedruckt. Die Mitarbeiter schwankten persönlich stark zwischen Anpassung und Widerstand: Während Friedrich Everling (MdR, Reichsgerichtsrat) und Richard Korherr (Leiter der Statistischen Abteilung im SS-Hauptamt, Verfasser des Korherr-Berichts) im dritten Reich politische Karriere machten, bekamen Reinhold Schneider und Erwein von Aretin immer wieder Publikationsverbote, während Friedrich Reck-Malleczewen starb im KZ Dachau. Zu den ständigen Mitarbeitern zählten nun Kurt Jagow, Anton Ritthaler. Redaktionssekretrin war Maria Schmitt. Von den später mit Guardini bekannten Persönlichkeiten schrieben neben Reinhold Schneider, der zwischen 1934 und 1943 zu den Hauptautoren gehörte, auch Jochen Klepper, Paul Fechter und Ulrich von Hassell für die "Weißen Blätter". Weitere Autoren waren Werner Bergengruen, Harald von Koenigswald, Otto Heuschele, Hans Rall, Hans Eberhard Friedrich und Klaus Bonhoeffer. Zu den Lesern der Monarchie kamen ein Teil des Leserkreises der ebenfalls 1934 verbotenen "Deutschen Treue" des monarchistischen Nationalverbandes Deutscher Offiziere. Durch seine Verbindung zum ehemaligen Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht, seit 1937 Mitglied der NSDAP, genoss die Zeitschrift einen gewissen Schutz vor einem erneuten Verbot.

Vgl. dazu Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg: Die Weissen Blätter: eine konservative Zeitschrift im und gegen den Nationalsozialismus, 2012

Der Röhm-Putsch (30. Juni/1. Juli 1934)

Während der Röhm-Affäre 1934 war der vormalige Landesleiter des Bayerischen Heimat- und Königsbundes, Georg Enoch von und zu Guttenberg, vorübergehend inhaftiert und kam wohl nur durch Zufall mit dem Leben davon. Der den Kreisen nahestehende Fritz Gerlich gehörte zu den ermordeten Opfern.

Der Harnier-Kreis (Herbst 1936 bis August 1939)

Auch nachdem Harnier die Leitung des Stengel/Weiß-Kreises übernommen hatte, fuhr er oft nach Wien, weshalb er - gemeinsam mit Weiß, Zott und Fackler - von der Gestapo beschuldigt wurde, eine enge Fühlungnahme zu katholischen Legitimisten in Österreich und zu katholischen Separatisten im Rheinland zu haben, ohne ihnen aber direkte Kontakte zu Wiesner, Hildebrand oder Rutra nachweisen zu können (vgl. Heike Bretschneider: Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München, 1933 bis 1945, 1968, S. ???). Harnier und Zott hatten auch guten Kontakt zu Hans Sperr, Fritz Gerlich, Erwein von Aretin und Erich Fürst von Waldburg-Zeil. Über letzteren, der Geldgeber sowohl für die Weißen Blätter als auch für die von Gerlich redigierte Zeitschrift "Der gerade Weg" war, liefen auch viele Kontakte zwischen den bayerischen Monarchisten-Zirkeln während des Dritten Reiches.

Allerdings hatte 1936 die Gestapo bereits den ehemaligen Kommunisten Max Troll, genannt „Theo“, in den Harnierkreis eingeschleust, der es schaffte, 1937 weitere Spitzel in die Gruppe zu bringen. Aber erst Anfang August 1939 wurde der Harnier-Kreis durch die Gestapo zerschlagen. Allein 125 Personen wurden als Mitglieder und Freunde des Kreises durch die Gestapo vernommen, auch der Kronprinz. Erst 1944 wurden durch den Volksgerichtshof Urteile gefällt. Im Juni 1944 wurde Adolf von Harnier zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er starb wenige Tage nach Kriegsende am 12. Mai 1945 im Zuchthaus Straubing an Hungertyphus. Sieben weitere führende Mitglieder erhielten mehrjährige Zuchthaus- und Gefängnisstrafen, die aber zum Teil durch die lange Untersuchungshaft bereits abgegolten waren. Josef Zott wurde im Oktober 1944 vom Volksgerichtshof in Berlin wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt und am 15. Januar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet.

Guardinis Bekannte im monarchistischen Widerstand

Neben den "Berliner" Autoren der Zeitschriften "Monarchie" und "Weiße Blätter" Reinhold Schneider, Jochen Klepper und Ulrich von Hassell kannte Guardini über seinen Freund Josef Weiger vor allem den Finanzier des Netzwerks, Erich von Waldburg-Zeil, und einige von dessen Mitarbeitern.

Sekundärbibliographie