Romano Guardini und Mainz

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Romano Guardini und Mainz
Eine Sozialbiographie zu seinen "bekannt-unbekannten" Mainzer Kapiteln.
Unter Einbezug des neu gefundenen Quellenmaterials erstellt von
Helmut Zenz

Vorbemerkungen

Der grundsätzliche, dreifache Einfluss von Mainz auf Guardini

Guardini ist im Laufe seines Lebens immer bewusster geworden: „Niemand weiß, aus welchen - vielleicht räumlich entfernten oder zeitlich vergangenen - gläubigen Existenzen heraus sein eigener Glaube gespeist wird, sein Tun Kraft bekommt - ebensowenig wie er weiß, welche Menschen er selbst mitträgt“[Romano Guardini: Die Existenz des Christen, München/Paderborn/Wien (2)1977, S. 409]. Gerade weil Guardini sowohl einen Sinn für die „Ahnenschaft im Glauben“ als auch einen für die lebendig-konkrete Tradition hatte, war er sich der prägenden Wirkung der Stadt und des Bistums von Mainz als Symbol-Ort auf seinen eigenen Weg immer bewusst und nahm sie auch mehrfach dankbar in den Blick.

Dies gilt auch noch in jener Zeit, als er als Autor, der sich als „Europäer von Geburt“ und „geborener Europäer“ verstand, längst schon weit über die Stadt und das Bistum hinaus deutschland-, europa- und weltweite und vor allem auch weltkirchliche Bedeutung erlangt hatte, also faktisch „größer“ und „bekannter“ war als die Stadt und das Bistum. Weltweit gesehen kannten schon zu seinen Lebzeiten und kennen erst recht heute viele Menschen die Stadt und das Bistum Mainz aufgrund von Guardinis Biographie und nicht umgekehrt. Er war und ist also faktisch weltweit gesehen „bekannter“ als die Stadt und das Bistum Mainz.

Dennoch stellte er sich - wie schon der Mainzer Bischof Willigis in den Schatten seines hölzernen Pflugrades an seiner Bettstätte - aus Demut ebenfalls in den „Schatten des Mainzer Domes“ als Symbol für wesentliche Traditionsströme des deutschen Katholizismus. Max Müller (1906-1994) - Philosoph in Freiburg und München, zunächst Quickborner, dann Bund Neudeutschland, Guardini- und Heidegger-Schüler, der 1954 gemeinsam mit Johannes Spörl Guardinis philosophische Ehrenpromotion in Freiburg erwirkte - macht dabei in seinem 1954 erschienenen Beitrag über Guardini als „Gestalter unserer Zeit“ „drei große Traditionsströme“ aus, die in der Sicht des deutschen Katholizismus Mainz in sich vereinige:

  • Erstens stehe es für den Strom „des `SYMBOL-KATHOLIZISMUS´ des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, in welchem der Glaube die Verantwortung für eine ganze Welt zu tragen bereit war."
  • "Dann aber sei Mainz auch jene Stadt, in der es zum erstenmal `KATHOLIKENTAGE´ gab, d.h. die Stadt der sich hier formierenden schlagkräftigen konfessionellen Organisationen und des damit verbundenen `politischen Katholizismus´".
  • "Schließlich aber habe in Mainz der `SOZIALE KATHOLIZISMUS´, dessen größtes und leuchtendes Symbol im 19. Jahrhundert der sozialreformerische Wille des großen Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel von Ketteler war, seinen Ursprung gehabt"[Max Müller: Romano Guardini, in: Gestalter unserer Zeit, 1954, Band 1: Denker und Deuter im heutigen Europa. Europäische Köpfe, S. 65].

Müller ging 1954 noch davon aus, Guardini sei dem „politischen Katholizismus” und seinen Organisationen „immer fern und fremd geblieben”. Diese Aussage ist historisch aber nicht mehr haltbar. Zuzustimmen ist Müller jedoch in der Einschätzung, dass sich bei Guardini „die beiden anderen Linien, die des konservativen Symbolkatholizismus, der das Unsichtbare und Ewige dauernd in konkreter Verleiblichung wirklich unter uns erlebt, und die des vorwärtsdrängenden und reformerischen Sozialkatholizismus, der auf die Forderung der geschichtlichen Stunde fühlig und erregt hinhört, ... in selten harmonischer Synthese” geeint hatten [vgl. ebd.]. Allerdings hätte Guardini selbst dabei wohl nicht von „harmonischer Synthese“ gesprochen, sondern stattdessen - als A-Hegelianer, aber nicht als Anti-Hegelianer! - im Rahmen seiner Gegensatzlehre von „lebendig-konkreter Spannungseinheit“.

Die ausstehende systematische Erforschung dieser drei Einflüsse

Es wäre aber durchaus lohnend fundamentaltheologisch und sozialethisch folgendes herauszuarbeiten:

  • 1) wie nahe sich Kettelers und Guardinis Vorstellungen wirklich sind, zum Beispiel in Bezug auf „Dialogik“ versus „Dialektik“ und die Unterscheidung echter Gegensätze unter Ausschluss von Widersprüchen, was bei beiden gegen Hegels Dialektik gerichtet ist; konkret aber auch im Blick auf das Verhältnis von „Autorität und Freiheit“, „Autonomie und Heteronomie“ in ihrem Verhältnis zur „Ordnung unter Personen“ und zur „Theonomie“, bis hin zur Idee des „Solidarismus“ und der „solidarischen Verantwortung“ sowie der dazugehörenden krisenbewältigenden Erneuerungs- und Reformprogramme;
  • 2) wie stark Guardinis Analogien zwischen Kirche und ihrem Vollzug der Liturgie als „Gesamtkunstwerk“ einerseits, Staat und seinem Vollzug der Politik als „Kunst des Möglichen“ andererseits im Mainzer Symbolkatholizismus verankert sind (z.B. Mainzer Evangeliar, Mainzer Choral, Mainzer Dom St. Martin nach Willigis-Ideal, das Willigis- bzw. Martins-Rad, der Mystiker-Bischofs „Bruder Bardo“); und zwar bis hinein in die Polarität von „Oben“ und „Innen“, die eine „Kirche von oben“ bzw. einen „Staat von oben“ und eine „Kirche von innen“ bzw. einen „Staat von innen“ als lebendig-konkrete Gegensätze einander gegenüberstellt, worin denn auch die eigentliche Bedeutung von Guardinis Aussprüchen einer „Kirche, die in den Seelen erwacht“ und eines „Staates in uns“ liegt;
  • 3) mit welcher theologischen, mystischen und weltanschaulichen Motivation Guardini sich von Jugend an und somit von Mainz ausgehend im organisierten Katholizismus engagiert hat (Juventus, Piusverein, Unitas, Katholischer Akademikerverband „I“ (der studentische) und „II“ (der nach-studentische) und dies obwohl er tatsächlich alle nicht langfristig vor- und nachbereitete Großveranstaltungen mit unzureichender „Methodik“ für völlig unfruchtbar hielt; gerade weil seine Vorstellung von „Participatio actuosa“ sich keineswegs nur auf die Liturgie bezog und weil sich seine Vorstellung von „Akademie“ keineswegs nur auf eine rein platonische Akademie bezog und auch nicht auf eine „bessere“ Volkshochschule oder verlängerten Arm der Universität ins Volk hinein.

Die Entschuldigung des Mainzer Bischofs Karl Lehmann anlässlich der Verleihung des Guardini-Preises 2014

Kardinal Lehmann machte bei der Verleihung des Guardini-Preises 2014 in München das Verhältnis von Guardini zu Mainz ausdrücklich zum Thema seiner Dankesrede [„Seine zahllosen Bücher begleiten mich bis heute". Kardinal Lehmann in München mit dem Romano-Guardini-Preis ausgezeichnet, Rede online: https://bistummainz.de/organisation/ehemalige-mainzer-bischoefe/kardinal-lehmann/texte-predigten/a-blog/Seine-zahllosen-Buecher-begleiten-mich-bis-heute-00001/]. Er sagte zunächst: „Anfangs wusste ich wenig um das schwierige Verhältnis zwischen Mainz und Romano Guardini. Frau Professorin Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz hat dann in ihrer großen Guardini-Biografie, die zum 100. Geburtstag im Jahr 1985 erschien, diese problematische Beziehung weitgehend aufhellen können.“

Das Kapitel über Mainz von Gerl-Falkovitz erschien übrigens schon im Dezember 1984 als Vorabdruck im Guardini-Heft des Gymasium Moguntinum Rabanus-Maurus-Gymnasium Mainz unter dem Titel „Eine nicht ganz glückliche Beziehung“ [Hanna-Barbara Gerl: Eine nicht ganz glückliche Beziehung: Romano Guardini und Mainz, in: Romano Guardini. 1885-1968. Gymnasium Moguntinum Rabanus-Maurus-Gymnasium, Mainz, Nr. 46, Dezember 1984, S. 9-17]. Sie plädierte darin, die frühen und nachhaltigen Prägungen Guardinis „nicht zu unterschätzen. Zugleich muss aber gesagt werden, dass diese Prägungen eher im seltenen Fall sich in Guardinis Erinnerung freundlich oder gar glücklich spiegelten.“ Nach ihrer Darstellung schließt sie: „Von allen Verwundungen abgesehen, ob sie nun aus Enge und Unverstand, ob sie aus der eigenartigen Abgeschirmtheit der Kindheit und Jugend stammten – Mainz war doch die Stadt der ersten, unbewußten und um so nachhaltigeren Begegnung mit dem Leben.“

Gerl-Falkovitz spricht hier aber anders als Kardinal Lehmann nicht von einem „Zerwürfnis“. Der Kardinal hingegen fährt in seiner Rede fort mit dem Satz: „Das Zerwürfnis zwischen Mainz und Romano Guardini hat mich im Lauf der folgenden drei Jahrzehnte jedoch nie losgelassen.“

Nach einer sehr gediegenen, ausgewogenen Darstellung der verschiedenen, bis dahin bekannten Erfahrungen Guardinis in Mainz zwischen 1908 und 1923, wird Guardinis eigener Rückblick von 1943/45 angeführt. Guardini hatte bekanntlich geschrieben: „Damals habe ich mich innerlich von der Mainzer Diözese gelöst, umso mehr, als mein Vater im Jahr 1919, kurz nach seiner Rückkehr aus der Schweiz gestorben war und meine Mutter sich entschloss, nach Italien zurückzukehren. Ich bin dann noch einmal nach Mainz gegangen, als ich die Berliner Professur (1923) bekommen hatte; die Enttäuschung, welche ich damals erfuhr, hat die Trennung definitiv gemacht.“

Kardinal Lehmann kommentierte dazu: „Der Ärger saß sehr tief, sodass Romano Guardini nach 1923 erst wieder im Jahr 1944 Mainzer Boden betrat. Ausdrücklich schreibt er, dabei habe er `keinen Groll empfunden´.“ Dennoch kommt Kardinal Lehmann nach einer Bewertung des Verhältnisses nach 1945 dann zu dem Schluss: „Trotz der langsam entspannten Atmosphäre verlassen einem, wenn man aus Mainz kommt, nicht Scham und Beklemmung. Die Verehrung für Romano Guardini in Mainz ist gewiss auch heute immer noch sehr hoch. Viele wissen freilich nichts mehr von den Verwicklungen und Verletzungen der frühen Jahre. Aber es muss doch von Mainz im Blick auf diese Zeit, soweit so etwas überhaupt möglich ist, ein Wort der Entschuldigung und der Bitte um Vergebung erwogen werden. So habe ich als Bischof von Mainz schon in meinem ersten Wort über Guardini, wohl etwas erschrocken über das Missverhältnis, gesagt, als damals 1984 „Die Berichte über mein Leben" erschienen sind: „Es war mir (erst recht nach dem Erscheinen dieses Buches) klar, dass wir nicht nur zu danken, sondern auch etliches wieder gut zu machen hatten, soweit dies menschenmöglich ist." Seither sind über 30 Jahre vergangen. Bei der Entgegennahme des Preises mit seinem Namen hier in München fühle ich mich - ganz im Sinne von Bischof Albert Stohr - gerade als Bischof von Mainz - nicht nur persönlich, sondern dienstlich-amtlich - zutiefst verpflichtet, fast 50 Jahre nach Romano Guardinis Tod angesichts der Verletzungen von damals um Entschuldigung, Nachsicht und Vergebung zu bitten.“

Als ich in Vorbereitung dieses Vortrages Kardinal Lehmanns sicher gut gemeinte Worte noch einmal gelesen habe, war meine neuerliche Reaktion darauf: „Das hätte Guardini nicht gewollt!“ Entschuldigen kann man sich nach Guardinis eigenem Verständnis – deutlich geäußert in seiner hoch-aktuellen Rede „Verantwortung. Gedanken zur jüdischen Frage“ (1952) – nur für etwas, wofür man persönlich eine Schuld trägt, unabhängig davon ob als Einzelperson oder als Teil einer Institution und natürlich in besonderem Maße, wenn man in dieser Institution zum Zeitpunkt der Schuld ein Leitungsamt innehatte. Guardini lehnte sowohl die Existenz einer „Kollektivschuld“ ab, somit aber auch die Notwendigkeit einer „Kollektiventschuldigung“, erst recht über Generationen hinweg.

Was Guardini sehr wohl einforderte – auch über Generationen hinweg – war eine „solidarische Verantwortung“ für die Folgen von Schuld innerhalb einer Familie oder eines Volkes, innerhalb derer man ja auch ganz selbstverständlich die Freude über Ehre und Erfolg teile. Diese Verantwortungsübernahme erfordert zunächst vor allem ein ehrliches Aufarbeiten der Vergangenheit, ein klares Benennen der Schuld und der damals Schuldigen sowie ein klares Vorhaben, aus den Fehlern der Geschichte zu lernen und die richtigen Schlüsse für die Zukunft daraus ziehen zu wollen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr [Romano Guardini: Verantwortung. Gedanken zur jüdischen Frage, in: Hochland, München, 44, 1951/52, 6 (August 1952), S. 481-493, hier S. 490 (Rede am 23. Mai 1952 vor der Tübinger Studentenschaft anlässlich der sog. Ölbaumspende)].

Gerade deshalb muss man es aber ernst nehmen, wenn Guardini selbst schreibt, er sei 1944 „ohne Groll“ nach Mainz zurückgekehrt. Er hat also gar keine Entschuldigung erwartet.

Der von Guardini benannte, sozusagen „hauptschuldige“ Domkapitular, bis 1901 Kirchenrechtsprofessor und von 1920 bis 1922 Generalvikar Ludwig Bendix – war noch im Jahr der „Trennung aus Enttäuschung“ am 28. September 1923 gestorben, dessen Bruder Karl im Jahr 1929. Der für die Ereignisse 1909/10 hauptverantwortliche Domkapitular und ehemaligen Regens des Mainzer Priesterseminars Joseph Blasius Becker starb im Jahr 1926. Der betroffene Spiritual Josef Siepe SJ, der durch seine Informationsweitergabe an den Regens die Verschiebung der Priesterweihen für Guardini und Neundörfer heraufbeschworen hat, war nur von 1909 bis 1912 im Amt und nach 1912 nicht mehr in Mainz tätig. Wer konkret wann und wie dafür gesorgt hat, dass der im Juli 1917 bei Karl Braig promovierte und am 7. März 1919 habilitierte August Reatz den Vorzug vor Guardini erhielt, bedarf noch weiterer Erforschung. Auch wer konkret ihn 1922/23 im Ordinariat und Priesterseminar enttäuscht hat, bleibt unklar.

Es gab dann zwischen 1945 und 1952 zwar so etwas wie eine Phase der „Retraumatisierung“ im Zusammenhang mit der ausbleibenden Ernennung zum Hausprälaten. Ich kann aber nicht erkennen, dass er dem Nutznießer und abermals Bevorzugten August Reatz eine Mitschuld gegeben hätte. Aber eine Schuld lag ja ohnehin weder beim Bistum Mainz noch gar bei Bischof Stohr persönlich, denn dieser war im Grunde in dieser Situation selbst, wie wir heute wissen, ein Opfer kirchlicher „Erwartungshaltungen“ im Vatikan. Einige nach 1945 dort mächtige Kurienvertreter hatten Stohr auflaufen und Guardini „vorführen“ wollen; andere sahen Guardini als Teil einer reformistischen Bewegung innerhalb des deutschen und französischen Katholizismus. Weitergehende Schlussfolgerungen lassen die neuen Erkenntnisse meines Erachtens nicht zu.

Insgesamt gibt es also keine „spezielle“ Schuld von Angehörigen oder Verantwortlichen der Stadt Mainz oder des Bistums Mainz. Die Haltungen und Behandlungen entsprachen sowohl bezüglich der Stadt denjenigen in ganz Deutschland als auch bezüglich des Bistums dem restaurativ-antimodernistischen Katholizismus in den meisten deutschen Bistümern bzw. im Vatikan, oder anders ausgedrückt: die von Guardini empfundene „Enge“ im Mainzer Seminars entsprach der Situation in den meisten anderen Priesterseminaren, die restaurativ-antimodernistischen Tendenzen im Katholizismus gab es nicht nur im Bistum Mainz und die völkischen Ressentiments waren in der Stadt Mainz sicher nicht stärker als andernorts.

Und: Guardini ist immer Mainzer Diözesanpriester geblieben. Er hat nie um die Inkardinierung in ein anderes Bistum gebeten, weder in das Bistum Breslau oder das neugegründete Bistum Berlin noch später ins Erzbistum München.

So kann Alfred Schüler 1969 betonen: „Seine Anfänge, wenn auch nicht seine allerersten, liegen im Mainzer Raum, und er blieb dieser Diözese auch in all den späteren Jahren inkardiniert“[Alfred Schüler: Romano Guardini. Eine Denkergestalt an der Zeitenwende, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 21, 1969, S. 133-138].

Das bisher „Bekannte“ zu den Mainzer Kapiteln seiner Biographie

Quellen des bisher „Bekannten“

Bislang schöpfte die Guardini-Forschung biographisch auf den zwei bisher veröffentlichten autobiographischen Texten „Berichte über mein Leben“ (1984); dann auf den veröffentlichten Erinnerungen von Zeitgenossen, vor allem Adam Gottron, Philipp Harth („Mainzer Viertelbuben“) und Erinnerungen und Archivalien im Umfeld des „Gymnasium Moguntinum“. Hinzu kommt die Auswertung der Personalakten Guardinis und Neundörfers der Diözese Mainz. In der Guardini-Biographie von Hanna-Barbara Gerl von 1985 wird ein großer Teil der Korrespondenz in der Bayerischen Staatsbibliothek sowie des Nachlasses von Alfred Schüler bzgl. Juventus ausgewertet. Hinzu kommen einige, sich aber zum Teil widersprechende Erinnerungen Dritter an Guardinis Verhältnis zu Mainz, insbesondere von Alfred Schüler, Hans Waltmann, Werner Becker und Felix Messerschmid.

Die Problematik der bisherigen Hauptquellen

Die „Berichte über mein Leben“ waren, wie wir heute wissen, auf mehrere Durchläufe angelegt. Bislang sind nur zwei Durchläufe 1985 publiziert worden [Romano Guardini: Berichte über mein Leben. Autobiographische Aufzeichnungen. Aus dem Nachlaß hrsg. von Franz Henrich, Düsseldorf 1984; eingegangen ders.: Stationen und Rückblicke (1965)/Berichte über mein Leben, Mainz/Paderborn 1995]. Sie waren alle nicht für die Veröffentlichung gedacht, auch nicht durchkorrigiert oder überarbeitet und enden 1943/45. Das Nachkriegsverhältnis wird nicht weiter in den Blick genommen.

Die ersten beiden Durchläufe sind gewidmet: I. Professur und Lehrtätigkeit und II. Die Suche nach dem Beruf – Priestertum und seelsorgliche Tätigkeit. Beide Berichte behandeln Themen, die eher das kritische Verhältnis zu Mainz in den Vordergrund rücken. Zahlreiche positive Erfahrungen dagegen bleiben außen vor. Problem der „Berichte über mein Leben“ ist außerdem, dass manche Erinnerungen des 60jährigen Guardini bezüglich Daten, Abfolgen oder z.B. Vornamen fehlerhaft sind.

Die 1985er-Biographie von Hanna-Barbara Gerl basiert wesentlich auf Guardinis Nachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek sowie einem aus dem Nachlass von Messerschmid dorthin gelangtem Konvolut von weiteren Briefen [Hanna-Barbara Gerl: Romano Guardini, 1885 - 1968. Leben und Werk, Mainz 1985]. Die dortigen Korrespondenzen beginnen mit ganz wenigen Ausnahmen alle frühestens 1943. Früher beginnende Korrespondenzen lagen ihr 1985 nicht bzw. noch nicht vor (Weiger, Kempner, Waltmann, Schwarz, Messerschmid, Spörl, vor allem aber auch Herwegen, Mohlberg usw.). Mitunter konnte sie wohl v.a. aus zeitlichen Gründen nicht in die Tiefen der Korrespondenzen gehen (z.B. Verlagskorrespondenzen mit Knies und Laubach) oder Bibliotheksanalysen vornehmen (Widmungsexemplare in der Mooshausener und der erhaltenen Privatbibliothek in Schloß Suresnes). Auch den Nachlassteil, der sich ab 1983/84 in der Katholischen Akademie in Bayern befand, hat sie nicht mehr herangezogen. Bei den Zeitzeugen lag ihr Schwerpunkt v.a. bei Guardinis Rothenfelser Freunden. Auch hier waren dadurch für bestimmte Kontexte und Zeiträume große Lücken gegeben, während andere stärker vertreten waren. Dieses Manko betrifft gerade auch einige Mainzer Bezüge. Leider übernahm sie die ihr zugänglichen zwei, erstmals 1984 edierten „Berichte über mein Leben“ oft ungeprüft und ohne Tiefenrecherche.

Hans Waltmanns (1903-1981) Erinnerungen gegenüber Walter Heist (1907-1984) [Walter Heist/Felix Messerschmid (Mitarb.): Romano Guardini. Der Mensch. Die Wirkung. Begegnung, hrsg. von der Stadt Mainz, Mainz 1979, darin: Walter Heist: Gespräche in Bayrischzell. Hans Waltmann erzählt von Romano Guardini, S. 59-68] betreffen folgende Aspekte:

  • Zum Plan des von Heist geplanten Guardini-Buches meinte Waltmann, „das Verhältnis Guardinis zu Mainz sei doch eher ein gespanntes gewesen, und er, Waltmann, wisse nicht recht, ob man Guardini überhaupt als Mainzer vereinnahmen dürfe.“
  • "Als Grund für Romano Guardinis „gestörtes Verhältnis“ zur Stadt seiner Kindheit nannte Waltmann unter anderem Erfahrungen der Familie Guardini im Ersten Weltkrieg. Die Guardinis hätten, obwohl sie schon über zwei Jahrzehnte aus Verona nach Mainz zugezogen gewesen seien und dort festen Fuß gefasst, und obwohl sie nicht nur sich eingelebt, sondern auch gesellschaftlichen Anschluss gefunden hätten, niemals daran gedacht, ihre italienische Staatsbürgerschaft aufzugeben; als dann 1915 Italien den Dreierbund verlassen und sich auf die Seite der Gegner Deutschlands geschlagen hätte, da hätten sie das auf die krasseste Weise zu spüren bekommen: sie wurden von früheren Freunden geschnitten, man warf ihnen „treuloses Italienertum“ vor, und Vater Guardini, musste schließlich Mainz verlassen, um von Zürich aus seine Geschäfte weiterzuführen; in Zürich sei er 1918 gestorben. Nach Kriegsende verlegten die Guardinis ihre Firma wieder nach Italien. Das alles habe Romano Guardini nie vergessen.“

Nie wurde die Frage gestellt, wie viele wirklich hinter diesem „man“ des Vorwurfs stehen? Guardini selbst berichtet zwar von verändertem Verhalten der Familie und ihm gegenüber, aber nicht von einer unmittelbaren Ausgrenzung. Nicht eine diskriminierende Behandlung in Mainz oder eine Entscheidung der Stadt Mainz war verantwortlich für das Verlassen von Mainz, sondern eine Entscheidung der Reichsregierung, alle italienischen Konsulatsmitarbeiter auszuweisen.

Die fehlende „Qualität“ der Erinnerungen Waltmanns zeigt sich auch daran, dass er davon ausgeht, dass Guardini von Zürich aus seine Geschäfte weiterführte, dies geschah aber in Mainz durch einen deutschen Mitarbeiter und durch Romano Guardini jun., der ja deutscher Staatsangehöriger und deutsche Uniform tragender Soldat war. Hier wurde eine zum Teil unsichere, zum Teil überbetonte, spät erinnernde Schilderung an Erzählungen Guardinis als pars-pro-toto-Zeugnis für ein „gespanntes“ bis „gestörtes“ Verhältnis von Romano Guardini zu Mainz genommen.

Aktueller Vergleich: Sollte man mitbekommen, dass einzelne Mainzer schon lange in Deutschland arbeitende und in Mainz wohnende Ausländer als „treulos“ bezeichnen und ausgrenzen, sollte man – und das sollte man aus menschenrechtlichen Gründen tatsächlich – dagegen vorgehen, aber vor allem auch deshalb, damit eigenen Nachkommen später nicht einmal vorgehalten wird, dass „man“ als Mainzer und als Stadt daran „Schuld“ habe, dass ein berühmt gewordenes Familienmitglied einer dieser ausländischen Familien, der schon vor Ausbruch des Krieges deutscher Staatsangehöriger wurde, mit einem angeblich „gestörten“ Verhältnis zur Stadt von Mainz weggegangen und nicht mehr wirklich zurückgekehrt sei. Und dies auf der Basis, dass ein jüngerer Freund dieser Berühmtheit mit Migrationshintergrund, dies im Jahr 2085, lange nach dem Tod dieser Berühmtheit, einem Zeitzeugen-Befrager gegenüber formuliert, der das Gesprächsprotokoll dann veröffentlicht. Das wäre zwar dann nicht „unerheblich“ oder „unwahr“, aber eben auch in keinster Weise aussagekräftig oder repräsentativ. Und dies sollte daher auch einmal in Bezug auf Waltmann geäußert werden. Die Details und die Bewertungen Waltmanns in Bezug auf Guardini sind zwar weder „unerheblich“ noch „unwahr“, aber eben auch weder aussagekräftig noch repräsentativ.

Waltmann nennt in diesen Erinnerungen als weiteren Grund für Guardinis angeblich „gespanntes“ oder „gestörtes“ Verhältnis seine Rückstellung von der Weihe, die später noch dargestellt wird. Schließlich erinnert er sich, dass auch die Kaplanszeit Guardini nicht befriedigt habe. Diesen Grund verankert er aber nun ausdrücklich nicht mit der in Aussicht gestellten Stelle im Priesterseminar, sondern mit Guardinis Gefühl, wofür er sich „bestimmt fühlte“: „“Es stand eigentlich von Anfang an für ihn fest, daß nicht die Praxis der Seelsorge, sondern das Schreiben und die wissenschaftliche Arbeit das Gebiet war, für das er sich bestimmt fühlte.“ Zwar hat sich der Kaplan ein Jahrfünft lang mit viel Begeisterung und Erfolg für die Mainzer „Juventus“ eingesetzt, aber als sich auch hier „konservative Gegenkräfte“ geltend machten, griff er gern zu, als 1923 [sic! HZ: Das war aber 1920], auf Veranlassung von Abt Ildefons Herwegen von Maria Laach [HZ: Herwegen hat vermittelt, aber nicht veranlasst!] – Guardini stand mit ihm durch ihrer beider Teilnahme an der neuen liturgischen Bewegung in Verbindung – die Aufforderung an ihn erging, sich an der Universität Bonn zu habilitieren. […] „Er war eben über Mainz hinausgewachsen“, meinte Waltmann lakonisch. Als erster habe ihn übrigens Bischof Dr. Stohr – einst Guardinis Kursgenosse – für die Mainzer Diözese zurückgewonnen, ihn sozusagen rehabilitiert.“

Waltmann selbst schwankt also zwischen Gründen, die in Guardini selbst wurzelten, sowie den widrigen Umständen in Mainz. Dies spricht immerhin dafür, dass Waltmann – im Unterschied zu manchen, die sich später dazu äußerten, die „Schuld“ am angeblich „gespannten“ und „gestörten“ Verhältnis nicht allein in Mainz, sondern auch bei Guardini sah, der aus Waltmanns Sicht ohnehin längst „über Mainz hinausgewachsen“ war.

Dass die Erinnerungen Waltmanns vor allem auch die Chronologie betreffend unzuverlässig sind, zeigt unter anderem die einflussreiche Erinnerung Waltmanns, Guardinis Studienfreund Heidegger habe zu Pfingsten 1933, also kurz nach seinem Amtsantritt und seinen ersten umstrittenen Reden als Freiburger Rektor, Guardini auf Burg Rothenfels besucht. Dieser Besuch fand aber nachweislich bereits an Pfingsten 1930 statt, also vor und nicht zu Beginn des Dritten Reiches. Abgesehen von den auch zu Mainz enthaltenen Erinnerungsfehlern, scheint Waltmann also insgesamt gesehen einige Dinge zu stark zu pointieren, andere zu vernachlässigen oder falsch einzuordnen.

Es gab auch Kritik an Waltmanns Darstellung, allerdings bislang nicht publizierte. So gibt es Äußerungen von Felix Messerschmid und Werner Becker, die das von Waltmann bei Messerschmid etwas, bei Becker relativieren.

Felix Messerschmid sagt zum Beispiel über das Protokoll Heists zum Gespräch mit Waltmann: „Nichts darin ist völlig unrichtig, […] Es mag sein, daß ich zu dieser oder jener Formulierung eine Anmerkung zu machen habe, wenn ich zu meinem eigenen Betrag komme; sicher aber keine, die für Ihre Niederschrift von ändernder Bedeutung wäre.“

Deutlicher ist dagegen der Widerspruch von Werner Becker in einem Brief an eine Inge vom 16. November 1979: „Das Interview mit H.W. ist aber einfach traurig. ... Was für ein Unsinn ist es, ausgerechnet in diesem Mainzer Buch von einem gestörten Verhältnis zur Stadt Mainz zu sprechen (S. 60). Wie gern, wenn auch selten, sprach Guardini von dem Mainzer Kreis um die sozusagen mystisch veranlagte Frau Schleussner, usw. Die fünf Mainzer Jahre, in denen er auch Domprediger war, standen wohl als glückliche Zeiten in seinem Bewusstsein. – Daß ihn seine Lehrer zur wissenschaftlichen Laufbahn ermutigten, hat nie sein Verhältnis zur Praxis der Seelsorge gestört. Die Jugendarbeit Guardinis hat in Mainz ihren Anfang genommen und ist organisch weiterentwickelt worden. Er braucht dort auch nicht „rehabilitiert“ zu werden“ [Brief von Werner Becker an Inge, Leipzig, vom 16.11.1979 (Archiv Rothenfels)].

Es ist noch zu überprüfen, ob Beckers Erinnerung stimmt, dass Guardini während seiner Juventus-Jahre auch im Dom predigte.

Ohne Frage ist Guardinis Mainzer Zeit politisch wie kirchlich von den für Katholiken schwierigen Zeiten geprägt worden, aber diese Zeiten waren für alle Reformen gegenüber offeneren Katholiken besonders schwierig, zum Teil – gerade auch in den Freundeskreisen von Guardini – sogar bedeutend existentieller als bei Guardini selbst. Und ohne Frage ist auch Guardinis Verhältnis zu Mainz geprägt worden durch die schwierigen Zeiten des Ersten Weltkrieges, die für Guardini mit einer Mehrfachbelastung besonders anstrengend waren. Gerade aber, wie Becker zurecht betont, waren ihm hierbei der Kreis um Josephine und Wilhelm Schleußner und die älteren Jugendlichen der Juventus um Alfred Schüler und Ludwig Neundörfer, und lange Zeit eben durchaus auch Adam Gottron ein große Stütze. Das einige seiner jüngeren Wegbegleiter die „Zeichen der Zeit“ dabei falsch interpretierten und durch ungeschicktes Verhalten Guardinis Mainzer „Hängepartie“ um eine mögliche Dozentur am Priesterseminar noch weiter verschärften, führte letztendlich zu einer Erleichterung des Abschiednehmens.

Angesichts der Gesamtentwicklung bliebe dann aber auch die Frage zu klären, was aus Guardini geworden wäre, wäre er nicht nach Bonn, Rothenfels und Berlin gegangen, sondern hätte sich weiter in Mainz um die Juventus und um die Theologenausbildung im Priesterseminar in der Systematischen Theologie (Dogmatik und Apologetik) gekümmert und dies unter den nicht nur in Mainz wieder konservativer, kongregationalistischer und integralistischer werdenden Tendenzen im Katholizismus der zwanziger Jahre; wenn also schwerpunktmäßig nicht der Breslauer Erzbischof Adolf Bertram für die Berliner Universitätstätigkeit Guardinis Verantwortung getragen hätte, sondern der Mainzer Bischof Ludwig Maria Hugo für seine Tätigkeit im Mainzer Priesterseminar, der dann zudem für das Imprimatur aller Werke Guardinis und nicht nur für die im Matthias-Grünewald-Verlag erschienenen Werke zuständig geworden wäre.

[Für das Imprimatur seiner im Hegner-Verlag erschienenen Werke war zum Beispiel der Meissner Bischof Petrus Legge zuständig. Nachdem Pius XI. im September 1932 Legge zum Bischof ernannt und er am 28. Oktober 1932 zum Bischof geweiht wurde, hat er am 7. November 1932 das Imprimatur für Guardinis „Der Mensch und der Glaube“ gegeben, obwohl er erst am 8. November 1932 im Dom St. Petri zu Bautzen feierlich eingeführt wurde. Später hat er das Imprimatur durch den Domdekan und Apostolischen Protonotar Alexander Hartmann geben lassen. Das Imprimatur für Mainz hat ab 1923 im Übrigen immer der Generalvikar Mayer gezeichnet.]

Das „Unbekannte“ zu den Mainzer Kapiteln seiner Biographie

Woher kommen nun aber die neuen Erkenntnisse?

Seit 1985 gab es umfangreiche weitere Forschungen durch Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, der auch zum großen Teil veröffentlicht ist. Dazu gehören insbesondere die Erkenntnisse aus Briefen an Josef Weiger [„Ich fühle, daß Großes im Kommen ist.“ Romano Guardinis Briefe an Josef Weiger 1908-1962, aus dem Nachlaß hrsg. von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Mainz/Paderborn 2008].

Vieles an Neuem verdankt sich auch der akribischen, sozialbiographisches Forschung des leider bereits verstorbenen Prof. Berthold Gerner, größtenteils nur im Typoskriptdruck veröffentlicht, teilweise aber auch noch unveröffentlicht. Sein Guardini-bezogener Nachlass liegt in der Katholischen Akademie in Bayern und konnte daher jetzt auch vertieft ausgewertet werden.

Hinzu kommen bisher unveröffentlichte autobiographische Erinnerungen Guardinis, vor allem ein dritter „Bericht über mein Leben“; ebenso Neufunde von Korrespondenzen und Archivalien in anderen Nachlässen und Archiven. [Berthold Gerner: Romano Guardini in München. Beiträge zu einer Sozialbiographie, Bd. 1: Lehrer an der Universität, hrsg. von der Kath. Akad. in Bayern, München 1998; Bd. 2: Referent am Vortragspult, hrsg. von der Kath. Akad. in Bayern, München 2000; Bd. 3/A: Mann der Kirche, Teil A: Prediger in St. Ludwig, hrsg. von der Kath. Akad. in Bayern, München 2002; Bd. 3/B: Mann der Kirche: Teil B: Förderer der Liturgie, hrsg. von der Kath. Akad. in Bayern, München 2005 (alle im Typoskriptdruck und mit ausführlichem Register); außerdem das Typoskript „Guardinis theologische Studienzeit: Erläuterungen zu seinen autobiographischen Aufzeichnungen“ (München 2005); weitere Typoskripte zur Ökumene, zu seinen Berliner Sekretärinnen und Sekretären, dazu Auflistungen seiner Predigten und Vorträge].

Auch die Funde aus seiner Kindheit und Schulzeit im Nachlass seiner Mutter auf Isola Vicentina sind mittlerweile ausgewertet. Auszüge davon wurden veröffentlicht in italienisch-deutschem Ausstellungskatalog „Sulle tracce di Romano Guardini/Auf den Spuren von Romano Guardini“ [2020].

Schließlich sind da noch die Ergebnisse einer grundlegenden Auswertung der Guardini-Privatbibliothek, die schon bald nach dem Tod Guardinis in der Katholischen Akademie in Bayern im Schloß Suresnes aufgestellt wurde. Insbesondere wurden die in den Büchern enthaltenen Widmungen durch mich dokumentiert [vgl. meinen Aufsatz: Romano Guardini im Spiegel seiner Bibliothek. Eine historische Spurensuche im Rahmen eines Seligsprechungsverfahrens, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte, 61, 2021, S. 211-330], womit auch die Auswertung der Weiger-Stapp-Bibliothek in Mooshausen durch Gerl-Falkovitz vervollständigt wird [Siehe Briefe an Josef Weiger, aber auch: Gerl-Falkovitz (Hrsg.): Lauterkeit des Blicks, Heiligenkreuz 2013; Gerl-Falkovitz, Geheimnis des Lebendigen, Heiligenkreuz 2019].

Mittlerweile kam es auch noch zu umfassenderen Auswertungen der bereits vorhandenen Quellen, insbesondere die vorhandenen Korrespondenzen im Guardini-Nachlass der Bayerischen Staatsbibliothek, der Katholischen Akademie in Bayern sowie der vorhandenen oder schon veröffentlichten Dokumente und Bezugs-Korrespondenzen. Auch bisher schon veröffentlichte, aber in der Guardini-Forschung (noch) nicht oder nur unvollständig herangezogene, oder auch neu veröffentlichte Erinnerungen von den jeweiligen Gefährten konnten einbezogen werden.

Darüber hinaus gab es intensivere Nachrecherchen zu bereits veröffentlichten Hinweisen. Für Mainz betrifft dies vor allem den Schleußner-Kreis, den Pius-Verein, die Seminarzeit, die Freunde Josef Weiger und Karl Neundörfer, die Juventus, den Matthias-Grünewald-Verlag usw. usf.

Worum es dabei oft geht, soll an einem Beispiel aufgezeigt werden: Klaus Reinhardt, der frühere Regens des Priesterseminars, hat in der 1980 Jubiläumsschrift „Augustinerstrasse 34. 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar Mainz“ viele historische Fakten zusammengetragen. Darin wird auch Guardini mehrfach erwähnt, z.B. in Bezug auf einen Vortrag, den Guardini im Priesterseminar vor dem Piusverein über das „Wesen des Kunstwerks“ bereits im Jahr 1908 gehalten hat. Der Vortrag wurde zwar erstmals aufgegriffen bei Gerner (2000), dann bei Weiger-Briefen in Fußnote (2008). Allerdings wurde dieser Hinweis nie im Blick auf Piusverein nachrecherchiert. Dies wurde mittlerweile begonnen, verbunden mit weiteren Funden, die nun im Folgenden auch einbezogen werden können.

Kapitel I: Die Kindheit (1885-1896)

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