Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance

Aus Romano-Guardini-Handbuch

008 (G 40): [Anonym]: Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, München, 148, 1911, S. 881-891 [Mercker 0002];

Rezensierte Werke

  • Francesco Matarazzo, Chronik von Perugia, übersetzt und eingeleitet von Marie Herzfeld (LVI und 258 S.), Diederichs, Jena MCMX.
  • Francesco Petrarca, Brief an die Nachwelt; Gespräche über die Weltverachtung; Von seiner und anderer Leute Unwissenheit, übersetzt und eingeleitet von Dr. Hermann Hefele (XXXVIII und 197 S.), Diederichs, Jena MCMX.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. (Matarazzos Chronik von Perugia)
  • 2. (Auswahl aus Petrarkas Schriften)

Autorenschaft

  • Unter dem Pseudonym Anton Wächter - mit dem Hinweis: "unter diesem Decknamen verbirgt sich ein angesehener katholischer Geistlicher vom Main" - bekennt er sich in seinem Rezensionsaufsatz Thule oder Hellas? Klassische oder deutsche Bildung? (1920) zur Verfasserschaft: "Vor Jahren hatte ich über eine andere Sammlung aus dem gleichen Verlag zu berichten: »Die Renaissance«.(*9 Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance, Historisch-politische Blätter, CXLVIII (1911) 12, S. 881-891.) Damals wurde, ohne alle wissenschaftliche Voreingenommenheit, lediglich aus spontanem Kulturempfinden heraus, die Ansicht ausgesprochen, die dort aufgetane Welt habe für unsere Zeit kein aufbauendes, im tiefsten Sinn praktisches, sondern nur ein literarisches Interesse. Die für uns lebenzeugenden und vorwärtsweisenden Zeiten lägen früher: im ausgehenden Altertum und dem durch Einströmen des germanischen Geistes und Blutes entstehenden Mittelalter. Das Mittelalter sei unsere Zukunft, nicht als Mustervorschrift, wie wir es zumachen haben, sondern als lebendige Inspiration, als Anregung für die besten in uns wirkenden Kräfte. Diese Anschauung war ohne jede Kenntnis der über diese Frage bestehenden Literatur ausgesprochen. Verfasser hat die Genugtuung gehabt, sie durch eine ganze Reihe von Schriften bestätigt zu sehen."
  • In der Bibliographie der Festschrift "Christliche Verwirklichung: Romano Guardini zum fünfzigsten Geburtstag" (1935) wird der Rezensionsaufsatz erstmals Guardini zugeordnet. - https://books.google.de/books?id=YoAaAAAAIAAJ&q=%22Das+Interesse+der+deutschen+Bildung+an+der+Kultur+der+Renaissance%22
  • Mit der 1937 dann durch Ludwig A. Winterswyl (in: Hochland, 34/II, 1937, S. 368 - https://books.google.de/books?newbks=1&newbks_redir=0&hl=de&id=G70hAQAAIAAJ&dq=%22Anton+W%C3%A4chter%22) weiter verbreiteten Zuordnung des Pseudonym Anton Wächter zu Guardini ist somit auch die Autorenschaft für "Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance" bekannt geworden.

Werkgeschichte

  • Im 9. Brief vom 19.11.1911, Worms, schreibt Guardini an seinen Freund Josef Weiger: "In den »historisch-politischen Blättern« erscheint 16. Dez. od. 1. Jan. hoffentlich meine Rezension der Diederichsschen Bände, revidiert und noch in einzelnem umgearbeitet."

Kontext

  • Die beiden besprochenen Werke sind im Eugen Diederichs Verlag erschienen, der in konservativen katholischen Kreisen abgelehnt wurde, von jüngeren und reformkatholisch orientierten Theologen jedoch geschätzt wurde. Aufgrund seiner ohnehin angespannten Situation im Mainzer Priesterseminar erklärt, dass er die Rezension anonym erscheinen ließ. Hermann Hefele war Tübinger Studienfreund, der ab 1904 an der Universität Tübingen katholische Theologie studierte, das Priesterseminar aber 1908 verließ bzw. wegen "modernistischer Tendenzen" entlassen wurde, war schließlich 1909 zum Dr. phil. in Geschichte promoviert. Dies war wohl ein weiterer Grund für die Anonymität der Rezension.

Bedeutung

  • Guardini spricht in diesem Aufsatz von der Aufgabe, ein neues "Mittelalter" zu schaffen, nicht durch ein Zurück zum vergangenen, sondern durch ein Vorwärts zu "unserem Mittelalter". Guardini spricht sich somit sehr früh gegen eine bloße Mittealter-Nostalgie, wohl aber auch zu einer Überwindung der zersetzten "neuzeitlichen" Kultur. (S. 11: "Wie aus der zersetzten hellenistisch-römischen Kultur, durch den Eintritt des Christentums und Germanentums das Mittelalter wurde, das Schauspiel, scheint mir, könnte uns Weisheit lehren, denn unsere Aufgabe ist, ein neues »Mittelalter« zu schaffen. Das braucht niemanden zu erschrecken; nicht zurück zum vergangenen, sondern vorwärts zu »unserem Mittelalter« solls gehen." - http://guardini.mercker.de/showbookpub.php?pub=1&es=1&seite=u6AJOlajicuy)

Nachdrucke

  • eingegangen in: Wurzeln eines großen Lebenswerks. Romano Guardini (1885-1968). Aufsätze und kleinere Schriften, Bd. I, 2000 (G 40)

Guardini-Konkordanz

Übersetzungen

Sekundärbibliographie

  • Carl Muth (Kürzel -th): `Reaktion´ und Reaktion (Rezension zu: Guardini, Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance), in: Hochland, München, 9/II, 1912, 12 (September 1912), S. 748-751 [neu aufgenommen] - [Rezension] - https://books.google.de/books?id=6X2snk06BBUC&pg=PA748
    • S. 749 ff. [historisch relevant 1912]: Muth bescheinigt dem noch anonymen Autor eine konservative, aber nicht reaktionäre Position: "Es ist nicht uninteressant, zu beobachten, wie in unsern Tagen da und dort kritische Besonnenheit Platz greift, ohne deshalb reaktionäre Formen anzunehmen. Betrachtungen dieser Art liegen auch einem Artikel der `Historisch-Politischen Blätter´ (Dezember 1911) zugrunde, der noch nachträglich einige Beachtung verdient, umso mehr, als man dort Gedanken so fein abwägender Art nicht allzu häufig begegnet. Der ungenannte Verfasser setzt sich mit dem Diederichschen Unternehmen kritisch auseinander, das Zeitalter der Renaissance unserer Zeit durch die Herausgabe ausgewählter Quellenschriften näher zu bringen, und kommt dabei zu sehr richtigen Beobachtungen und Feststellungen.... Der Verfasser ist gegen die Vorzüge und Errungenschaften der Renaissance keineswegs blind; indem er sie ins Licht stellt, zollt er ihnen sogar hohe Bewunderung. Aber mit Recht fährt er fort: `Wir danken jener neuen Art, die Dinge zu sehen, viel. Aber wir haben auch ihren Fluch verkostet, so sehr, scheint mir, dass wir ihrer müde sind´" Dann lässt Muth den anonymen Verfasser über eine ganze Seite hinweg selbst zu Wort kommen und schließt mit der Bewertung: „Wer in solcher Betrachtung den Ausdruck reaktionärer Gesinnung sehen will, der wird gut tun, auch die weiteren Ausführungen des genannten Artikels zu lesen. Es beweist nichts so sehr geistige Unreife als jeden Anlauf zur Mäßigung sofort als Reaktion zu verschreien“ Schließlich sei eine Reaktion gegen eine alleinige „Befriedigung individueller Wünsche und Leidenschaften... nicht `Reaktion´ - sondern FORTSCHRITT“.

Google-Suche