Grendach
Aus Romano-Guardini-Handbuch
Grendach, Gemeindeteil von Taching am See mit Blick auf den Tachinger und den Waginger See. Dieter Sattler hatte dort 1932 eine Liegenschaft erworben, ganz in der Nähe von Burg Tittmoning, wo sein Bruder, der Landschaftsmaler Bernhard Sattler, lebte. Auf der anderen Seite des Waginger Sees in Wolkersdorf hatte die Familie Jochum ihr von Dieter Sattler erbautes Ferienhaus. Sattler nahm 1940 als Soldat am Frankreichfeldzug teil, war dann aber für ein "Notfall"-Bauprojekt in Linz/Oberösterreich von der Front zurückgenommen. Ab 1943 war die Familie Sattler in Grendach aufgrund der Bombardierungsgefahren in München dauerhaft ansässig.
Bezüge zu Guardini
- Guardini weilte dort ab 1933, meist im Juli/August, häufig als Gast.
- Juli 1936: Wohl von Grendach aus führte ein gemeinsamer Ausflug nach Altötting und Burghausen, gemeinsam mit den Maria Clara Sattler und Eugen Jochum (Vgl. 165. Brief an Josef Weiger vom 23.07.1936, Altötting. [Postkarte, Poststempel: Donnerstag, Burghausen 23.7.36, Altötting; [Vorderseite: Altötting, Gnadenkapelle], mitunterschrie Maria Clara Sattler und Eugen Jochum)
- August 1937 (vgl. Haas unter Verweis auf Tagebuch Dieter Sattlers)
- "1.8. Sonntag. Den ganzen Tag Regen. 10 h Waging, dann Frühstück in Horn. 1 h Romano und Rolf Amann gekommen. Gelesen über den neuzeitlichen Begriff der Natur - Kultur - Persönlichkeit.
- "3.8. Jochums mit Guardini in Salzburg. Nachmittag Walter Furtwängler. Gelesen wie Sonntags mit Debatte." [Gerl-Falkovitz bezieht sich in einer Anmerkung zu den Briefen Guardinis an Josef Weiger ebenfalls auf dieses Tagebuch: "Auch von Ausflügen ins nahe Salzburg, z.B. im August 1937 zu Wilhelm Furtwängler, ist im Tagebuch von Dieter Sattler die Rede." Wenn im Original "Walter" steht, handelt es sich um den Bruder von Wilhelm Furtwängler, den Bergsteiger, der in Bad Wiessee im „Haus Tanneck“ eine Pension betrieb und mit den Dohrns in Verbindung stand. Zu klären wäre außerdem, ob sich die Angabe "Nachmittag Walter Furtwängler" auf den Ausflug Guardinis in Salzburg bezieht oder dass Walter Furtwängler in Grendach weilte.]
- "13.8. Gelesen christl. Bewußtsein."
- "15.8. Offenbarung fertig gelesen."
- "17.8. Romano abgefahren über Altötting - Landshut - Würzburg."
- 1939 verbrachte Guardini den Spätsommer in Grendach, als die Nachricht der bevorstehenden Beschlagnahmung von Burg Rothenfels ankam. "So habe ich im Sommer und Herbst 1939 tatsächlich nicht viel getan. Zu Ostern und Pfingsten war ich in Rothenfels, bei schönen Tagungen, den letzten. Im Sommer bei den Meinen, in Isola, und bei Sattlers in Grendach." (Stationen und Rückblicke / Berichte über mein Leben, Mainz (5./5./2. Auflage)1995, S. 53)
- 1943 weilte Guardini in Grendach, als Goebbels die Zivilisten aufforderte, Berlin zu verlassen. Er ging von dort aus zu seinem Freund Josef Weiger nach Mooshausen: "Im Sommer 1943 war ich in Grendach, da kam die Aufforderung von Reichsminister Göbbels an die in Berlin Nicht-Notwendigen, wegzugehen. In der daraufhin entstehenden Aufregung hatte Frl. Thomas angefangen zu packen. Meine Gesundheit war seit längerem nicht gut gewesen; vor allem hatte das Herz die Luftangriffe gar nicht gut vertragen. So betrachtete ich das Ganze als Erlaubnis, von Berlin wegzugehen. Wieder brach ich meine Lebens- und Arbeitsform ab, und ging ins Ungewisse, diesmal besonders fühlbar, weil es den Verlust von Haus und Heim mit sich brachte. Erst schien es, als ob ich in Grendach bleiben sollte; dann wünschten meine Freunde in Mooshausen, ich solle zu ihnen kommen, und es sprach so vieles dafür, daß ich es tat." (Stationen und Rückblicke/Berichte über mein Leben, Mainz (5./5./2. Auflage)1995, S. 54)
Bibliographie
- Ludwig Haas: Romano Guardini in Grendach, in: Gemeindezeitung, 1998 - https://web.archive.org/web/20160823155301/http://www.taching.de/gemeinde/guardini.htm
- "Diese bedeutende Persönlichkeit verbrachte, vorrangig zwischen 1932 und 1938, viel Zeit in der Gegend um den Waginger See, bedingt durch die Bekanntschaft einerseits mit dem Dirigenten Eugen Jochum in Wolkersdorf, andererseits mit der Familie Sattler."
- "Zu Grendach hatte Guardini, selbst italienischer Abstammung, eine sehr enge Beziehung, er nahm hier regelmäßig Sommeraufenthalte, hatte sein eigenes Zimmer und arbeitete hier. Am Mühlberg und in St. Coloman bei Tengling las er auch öfter die Messe."
- "Der Professor hatte zwangsläufig eine enge Beziehung zur Familie und zu den Sattlerkindern. Christoph Sattler ist sein Patenkind, er heißt mit Zweitnamen "Romano". Monika Schaetz, zweitälteste der Geschwister und als "Sommerkind" in Grendach geboren, beschreibt ihn als liebevollen und freundlichen Großvaterersatz. Einerseits war der berühmte Mann zwar leise und schüchtern, arbeitete lange und konzentriert an seinem Schreibtisch, hatte aber andererseits auch viel Spaß an den Kindern. Beeinflusst und geprägt wurden die Kinder auf alle Fälle durch die geistige Atmosphäre, die fast allabendlichen Diskussionen, zu denen sich der Bekanntenkreis traf. Monika erinnert sich an Gottesdienste, die während des Krieges im Haus in deutscher Sprache abgehalten wurden, was zu der Zeit fast noch ketzerisch war."
- "Hochinteressant sind die Tagebücher, in denen Dieter Sattler über Jahre hinweg täglich die wichtigen Ereignisse vermerkt hat. Im August 1937 kann man zum Beispiel über die Unternehmungen und Privatvorlesungen Guardinis lesen" (siehe oben unter August 1937)
- "Am Abfahrtstag hat sich Guardini dann mit Unterschrift im Gästebuch verabschiedet."
- "In der Kriegszeit blieb der Kontakt zwar bestehen, es blieb aber bei Kurzbesuchen, weil Guardini sein Domizil bei einem Pfarrer in Mooshausen in Baden-Württemberg gefunden hatte."
- "Er war aber zum Beispiel in Taching am See, als die Gestapo 1939 Rothenfels, das Zentrum der katholischen Jugendbewegung, durchsuchte. Guardini leitete das Zentrum und wurde vor der Durchsuchung in Grendach erreicht, belastendes Material konnte so noch beseitigt werden."
- "Nach dem Krieg kam Guardini zwar immer wieder nach Grendach zu Besuch, meist aber nur tageweise."
- "Der Kontakt blieb auch über eine zweite Verbindung bestehen: Maria Parzinger, die aus Taching am See stammende Haushälterin Guardinis nach dem Krieg in München. Die "Ersatztante" der Sattlerkinder war seit 1933 bei der Familie Sattler in Grendach angestellt, war Guardini daher natürlich bekannt und wurde von ihm 1948 als Haushälterin übernommen."
- Haas zitiert aus einem Brief Guardinis vom 20. Januar 1948 aus Tübingen an das "liebe Fräulein Mari": "Leider weiß ich Ihren Nachnamen nicht, so muß ich Sie so nennen, wie ich es immer in Grendach getan habe. Vor einiger Zeit sagte mir Frau Maria Stapp, daß sie gern meinen Haushalt übernehmen würden. Darüber habe ich mich sehr gefreut, aber erst mußte ich natürlich wissen, was Frau Sattler dazu meint. So habe ich an sie geschrieben und sie hat sehr freundlich erwidert, daß sie nichts dagegen habe. Ich möchte Ihnen also sagen, daß ich Ihnen meinen Haushalt sehr gern anvertrauen will..." Guardini spricht darin auch über "Das Leben der Grendacher Familie, das schöne freie Land und noch manches andere".
- "Maria Parzinger betreute Guardini bis zu seinem Tod am 1.10.1968. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester M. Hedwigis Parzinger vom Orden des Hl. Vinzenz von Paul pflegte sie ihn während seiner letzten Krankheit."
- 1973/74 kehrte Maria Parzinger nach Taching am See zurück.