Heraklit

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Heraklit

Biographie

Heraklits Gegensatzlehre

Heraklit vertritt eine ständige Bewegung nach einem übergeordneten „Logos“ und letztlich eine „Identität“ der Gegensätze in diesem „Logos“: „Polemos“, der Widerstreit, die Gegensätzlichkeit ist die Ursache von allem. Alles Geschehen erfolgt kraft eines Gegensatzes. Die Gegensätze fließen ineinander über und wandeln, ja schlagen sich dabei wechselseitig um. Dies gelte nicht nur für Kaltes und Warmes, sondern auch für Lebendes und Totes, Waches und Schlafendes, Junges und Altes. Auf diese Weise befinden sich die Dinge in einem unaufhörlichen Fließen, das einem übergeordneten Weltgesetz, einem „Logos“, unterworfen ist. Nur dieser Logos ist ewig und kann von den Menschen nicht begriffen werden (Fragment Nr. 1, 53, 88, 126, siehe: Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I) Zu Heraklits Gegensatzlehre vgl. neuerdings: Holger Zeigan: Heraklits Deutung der Welt als Gegensatz-Einheit: Regulativ für einen modernen Gottesglauben?, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 53, 2006, 3, S. 539-558. R. Winter: „Nach Heraklit ist der Widerstreit, die Gegensätzlichkeit (im Griechischen steht "polemos" (1: "Polemos" wird leider häufig mit "Krieg" übersetzt, was nach dem heutigen Wortverständnis zu falschen Interpretationen führen kann. "Polemos" ist hier kosmologisch als Gegensatz oder Widerstreit gemeint, der freilich auch den Krieg als besondere Form umfasst.) die Ursache von allem. (2: Heraklit, Fragment 53, vgl. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I, Nr. 22 C ff.) Alles Geschehen erfolge kraft eines Gegensatzes. (3: Nach Diogenes Laertios, zitiert bei Capelle, Die Vorsokratiker, Kap. V ff.) Die Gegensätze aber verharren dabei nicht in statischer Ruhe, getrennt voneinander bestehend, sondern fließen vielmehr ineinander über und wandeln sich dabei wechselseitig um: "das Kalte wird warm, Warmes kalt; Feuchtes wird trocken; Trockenes feucht." (4: Heraklit, Fragment 126, a. a. O. ) So ist Heraklits Lehre von den Gegensätzen zugleich eine besondere Bewegungslehre. Dies bringt er mit seinem wichtigen Fragment 88 prägnant zum Ausdruck: "Ein und dasselbe offenbart sich in den Dingen als: Lebendes und Totes, Waches und Schlafendes, Junges und Altes. Denn dieses ist nach seiner Umwandlung jenes, und jenes, wieder umgewandelt, dieses." (5: Heraklit, Fragment 88, in Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, a. a. O. ) Das Sein besteht nach Heraklit also aus Gegensätzen, die ineinander überfließen, und dieses Hinüberfließen erfolgt in einem gegenseitigen "Umschlagen". Auf diese Weise befinden sich die Dinge in einem unaufhörlichen Fluss. Das berühmte Wort, das Heraklit gerne zugeschrieben wird: "panta rhei" (= alles fließt), das aber in den Fragmenten von Heraklit so gar nicht steht (6: Das geht wohl auf Diogenes Laertios (Diels-K., Heraklit A 1, 7) zurück. Dort steht in der Übersetzung von Schadewaldt: "Es geschehe aber alles nach Gegensätzlichkeit, und es fließe alles nach Art eines Flusses". Vgl. Schadewaldt, Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen, Suhrkamp, S. 395 ), gibt die Grundaussage von Heraklit dennoch zutreffend wieder, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass dieses Fließen keinesfalls ein ungeordnetes, chaotisches Strömen darstellt, sondern einem übergeordneten Weltgesetz, einem "Logos", unterworfen ist: "Diesen Logos, der doch ewig ist, begreifen die Menschen nicht,... obgleich alles nach diesem Logos geschieht..." (7: Das ist aus dem berühmten Fragment 1 von Heraklit, zitiert bei Capelle, a. a. O., S. 130 ff. ) Hegel knüpft an die Bewegungs- und Gegensatzlehre des Heraklit an und bestimmt aus dieser Philosophie heraus seinen Begriff von Dialektik.“

Guardini zu Heraklit