Theodor Haecker

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Theodor Haecker (1879-1945) war ein deutscher Schriftsteller, Kulturkritiker, Übersetzer und Philosoph

Biographie

  • vorzeitiger Abbruch der Gymnasialzeit
  • Kaufmännische Lehre, anschließend bis 1901 Tätigkeit als Kaufmann in einer Wollfirma
  • 1901 zweijähriges Studium an der Universität Berlin (Literatur)
  • anschließend Arbeit für den Schreiber Verlag
  • 1905 Nachholen des Abiturs; anschließend im Wintersemester 1905/06 Beginn eines offiziellen Studiums in München (1905/06 unter anderem beim ebenfalls frisch nach München gewechselten Max Scheler)
  • dafür Umzug nach München (gemeinsam mit seinem Freund Ferdinand Schreiber); dort Tätigkeit für die Münchner Niederlassung des Verlags
  • 1910 Verlassen der Universität ohne Abschluss
  • er wird zur rechten Hand des Verlegerfreundes Ferdinand Schreiber
  • Übersetzung der Eklogen Vergils, der Werke und Tagebücher von Søren Kierkegaard sowie des englischen Kardinals John Henry Newman
  • 1913 Publikationsdebüt mit „Sören Kierkegaard und die Philosophie der Innerlichkeit“.
  • ab 1914 Autor für die Kulturzeitschrift "Der Brenner" (vor allem Übersetzung und Interpretation Sören Kierkegaards)
  • 1921 Konversion zum Katholizismus unter Newmans Einfluss
  • Autor für die Kulturzeitschrift "Hochland"
  • 1931 Buch "Vergil. Vater des Abendlands"
  • Mai 1935 Redeverbot; per Rundverfügung in Bayern im Januar 1936 erneut verordnet
  • Von 1939 bis 1945: Geheimen Aufzeichnungen "Tag- und Nachtbüchern" (1947 posthum veröffentlicht)
  • 1941 Nach Schreibers Tod: Hauptschriftleiter des Schreiber-Verlags
  • nach Ausbombung: letzte Lebensmonate in Ustersbach, wo er am 9. April 1945 wegen fehlenden Insulins verstarb
  • wird noch ergänzt

Guardini-affine Bibliographie

wird noch ergänzt

  1. Sören Kierkegaard und die Philosophie der Innerlichkeit, 1913
  2. (Übersetzer): Sören Kierkegaard: Der Begriff des Auserwählten. Übersetzt und Nachwort von Theodor Haecker, Hellerau 1917.
  3. Satire und Polemik, 1914-1920, Innsbruck 1922
  4. Geist und Leben. Zum Problem Max Scheler und ders.: Was ist der Mensch? (1926), dann in: ders.: Christentum und Kultur, 1927; später in ders.: Essays (Gesammelte Werke), München 1958, S. 213-256;
  5. Was ist der Mensch? (1933), in: ders.: Was ist der Mensch? Der Christ und die Geschichte. Schöpfer und Schöpfung (GW), München 1965, S. 9-175;
  6. Dialog über Christentum und Kultur, mit einem Exkurs über Sprache, Humor und Satire, Hellerau 1930


Romano Guardini und Theodor Haecker (Kommentar von Helmut Zenz)

Im Juli 1926 plante Theodor Haecker eine Vortragsreise, die ihn unter anderem nach Berlin führen sollte. Ludwig von Ficker hatte ihm in diesem Zusammenhang scheinbar vorgeschlagen, Guardini um organisatorische Unterstützung zu bitten. Haecker stimmte zu, weil er nicht vor den “verknöcherten Beamten des kath. Akademiker-Verbandes” sprechen wollte, allerdings auch nicht nur vor Studenten und jungen Leuten. Daher sollte Guardini zwar vermitteln, aber “er oder seine Bünde” nicht als Veranstalter auftreten[Haecker, a.a.O., S. 98: 20 Brief an Ludwig von Ficker vom 31. Juli 1926]. Inwieweit diese Vermittlung erfolgte, war nicht zu ermitteln.

Am 10. Oktober 1926 verlangte Haecker dann von Max Stefl die neueste Nummer der Schildgenossen mit dem gerade referierten Aufsatz Guardinis über sein eigenes „Thema Christentum und Kultur”[Haecker, a.a.O., S. 98: 21 Postkarte an Max Stefl]. Haecker selbst plante nämlich in dieser Zeit selbst die Herausgabe von Aufsätzen unter dem Titel “Christentum und Kultur”.

Umgekehrt griff 1927 Guardini im Rahmen seines Kierkegaard-Seminars auf die von Haecker übersetzten Kierkegaard Tagebücher 1/2 zurück. Ludwig Ficker berichtete dazu in einem Brief an Haecker: „Ein Treffer, den ich Ihnen gleich mitteilen muß! Eine Buchhandlung in Potsdam hat 41 Exepmplare Kgd: Tagebücher 1/2 bestellt. Wie sich herausgestellt hat, sind sie für das Seminar von Prof. Guardini bestimmt. Um der Buchhandlung die Weiterlieferung zu einem Vorzugspreis zu ermöglichen, haben wir 50% Rabatt gewährt“[Ludwig von Ficker/Ignaz Zangerle: Briefwechsel. 1926-1939, 1991, S. 99; 1996, S. 27: Brief 739 An Theodor Haecker vom 24. November 1927].

Ob es in diesen Jahren bereits auch zur ersten persönlichen Begegnung kam und ob weitere folgten, ist bislang nicht mehr ganz nachzuvollziehen.

Am 17. Oktober 1932 besuchte Guardini in München dann nachweislich einen Vortrag von Theodor Haecker im Auditorium maximum der Universität München[vgl. Lorenz Wachinger: Joseph Bernhart, 1981, 79].

In diesem Jahr wird Guardini zu Haeckers Buch “Vergil, Vater des Abendlandes” eine seiner seltenen Rezensionen schreiben und dabei einer deutlichen Kritik unterziehen: “Haeckers These ist kühn. Er behauptet nicht nur, Vergil sei einer der Größten - schon das würde aufhorchen machen, nachdem die `romfeindliche´ Haltung unserer Zeit seit Goethe, oder doch sicher seit Nietzsche, ihn, gerade um seiner Romanität willen, so weit hinter Homer, überhaupt die Griechen zurückgeworfen hat. Haecker behauptet viel mehr. Er stellt ihn so hoch über Homer, als der Mann über dem Jüngling sei. Er stellt ihn über Dante um so viel, als der Dichter, welcher den bis ins Letzte gestaltbaren Stoff ergreift, über jenem sei, der einen Gegenstand wählt, welcher sich im Letzten der Gestaltung entzieht und dhaer seinen Dichter aus der Kunst in die Künstlichkeit treibt; und so wäre Vergil um so viel über Dante, als die allerhöchste Harmonie von Gegenstand und Kunst ist über dem ungeheueren Griff nach dem letztlich Unmöglichen“[Guardini, Romano: Rez. .., a.a.O., S. 133]. Guardini wollte dabei gar nicht Haeckers Behauptung in Frage stellen, auch nicht Haeckers Katholizität: “Ihm, der von der reinsten Gestalt des Protestantismus des 19. Jahrhunderts, von Sören Kierkegaard, herkommt, und der an der wohl reinsten Gestalt der katholischen Welt, Newman, den Eintritt in der Kirche gefunden hat, ihm ist vielleicht gegeben, jenes Eigentlichste des Katholischen nicht nur zu behaupten, sondern sichtbar werden zu lassen.” Zunächst kritisierte er vielmehr Haeckers Sprache und bat ihn, “er möge doch seiner schönen Sprache jene Eigenschaft erhalten - oder wenn nötig erwerben -, die zu ihrem demütigsten, aber wesentlichsten, Echtheit und Fruchtbarkeit bewahrenden Ethos gehört: die Verständlichkeit”[Ebd., S. 135]. Weiter befremdete ihn Haeckers Satire und Polemik[Ebd., S. 135 f.].

Immerhin schrieb Haecker in seinem Vergil-Buch: „Imperium sine fine dedi: so lautet das fatum Iovis. Denn wir alle leben noch im Imperium Romanum, das nicht tot ist. Wir alle sind noch Glieder des Imperium Romanum, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, ob wir es wissen oder nicht, des Imperium Romanum, das nach grausamen Irrungen das Christentum sua sponte, aus eigenem Willen, angenommen hatte und es nun nicht mehr aufgeben kann, ohne sich selber und den Humanismus aufzugeben.“ Denn das, was Vergil besinge, sei keine bloße „Idee, sondern eine Realität ... die Sache, die res, und Fleisch und Blut“. Vergil ist der „adventistische Heide“ schlechthin [Haecker, Vergil, Leipzig 1935, S.26. Außerdem sei er „vollkommenste anima naturaliter christiana der Antike“ (S. 28)].

Während Guardini diese Betonung Vergils – trotz oder gerade wegen seiner Bedeutung bei Dante - also für übertrieben hielt, wurde in dieser Zeit von einer ganzen Reihe katholischer Denker “Vergil als der repräsentative Denker der römischen Kirche, als der legitime Führer zum Christentum” verehrt und das Haecker-Buch begrüßt[Ernst Kamnitzer: Vergil und die römische Kirche, in: Katholischer Gedanke, 4, 1931, S. 179-193].

Guardini stellte dazu richtig: “Führer” ja, aber nicht zum Christentum oder gar zur römischen Kirche, sondern ausschließlich durch das “Inferno”. Dabei stimmte Guardini vielen Aussagen Haeckers durchaus zu, zum Beispiel, dass Vergil “noch die Totalität und ihr klares Entweder-Oder” gekannt habe: “Er wusste: Entweder ist Gott, oder er ist nicht. Die Frage ging also um die Existenz, nicht um die Essenz. Was Gott dem Wesen nach wäre, wenn er ist, darüber hatte Nietzsche keinen Zweifel. Wenn Gott ist, dann ist er natürlich so, wie Gewissen, Kirche und Bibel es lehren”[Guardini, Rez., a.a.O., S. 107 f.]

Haecker beklagte auch ganz im Sinne Guardinis, dass “die eingeborene Gleichgültigkeit oder der Zynismus des geistigen Deutschen gegenüber dem Staate und dem Leben des Staates” eklatant sei[Haecker, Vergil, Leipzig 1931, S. 131 ff.].

Und so sah sich Guardini rückblickend durchaus in einer geistigen Verwandtschaft mit Theodor Haecker: „Wirkliche Anregungen verdanke ich Theodor Haecker, wüsste aber nicht anzugeben, durch welche Schrift oder Äußerung“[Vgl. Romano Guardini: Welt und Person, S. 98, (6)1988, S. 145, FN 53]. Vor allem rechnete er Haecker dabei hoch an, dass er Kierkegaard im katholischen Raum bekannt gemacht hatte.

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