Friedenspreis des deutschen Buchhandels

Aus Romano-Guardini-Handbuch
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Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels ist ein internationaler Friedenspreis der seit 1950 vergeben wird, seit 1951 durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Romano Guardini hat ihn als dritter Preisträger überhaupt 1952 erhalten.

Geschichte

  • 1949 Initiative weniger Schriftsteller und Verleger
  • 1950 erstmalige Verleihung in Hamburg als "Friedenspreis deutscher Verleger" (an Max Tau)
  • 1951 Preis des gesamten Buchhandels durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels (an Albert Schweitzer)

Rahmen

  • jährlich anlässlich der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche (Frankfurt am Main)
  • Vorschläge können von jedermann kommen, müssen aber hinreichend begründet und belegt sein;
  • vom Stiftungsrat an eine Persönlichkeit verliehen, „die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat.“
  • aktuell mit einem Preisgeld von 25.000 Euro dotiert.

1952 Verleihung an Romano Guardini

Die Verleihung

Am 24. September 1952 erhielt Guardini in Frankfurt als dritter Preisträger den 1950 gestifteten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Vor Guardini erhielten diesen Preis: Max Tau (1950), der als Verlagslektor beim Cassirer-Verlag 1933 emigriert war und nach 1945 vor allem Romane schrieb, die dem Gedanken der Versöhnung und des Friedens diente; dann Albert Schweitzer (1951). Unmittelbar nach ihm bekamen ihn: Martin Buber (1953); Carl J. Burckhardt (1954), Hermann Hesse (1955), Reinhold Schneider (1956), Thornton Wilder (1957), Karl Jaspers (1958), Theodor Heuss (1959).

Als Dankesrede hielt Guardini eine nur wenig veränderte Fassung des erstmals 1948 in Paris gehaltenen Vortrag “Der Friede und der Dialog”, der daher inhaltlich hier nicht mehr zu referieren ist. Allerdings verdeutlicht ein Blick auf die Resonanz, die diese Dankesrede hatte, die damalige Bedeutung Guardinis.

Laudator war Ernst Reuter, der damalige Berliner Oberbürgermeister, der Guardini als einen Mann charakterisierte, „der durch sein Lebenswerk und seine Arbeit gezeigt“ habe, „dass dieses tägliche Ringen um den Frieden der Welt vom einzelnen beginnend über das Volk bis zur Menschheit die Grundaufgabe im Leben eines jeden von uns ist“ (Zitiert nach N.Z.: Romano Guardini erhält Friedenspreis des Buchhandels aus den Händen Ernst Reuters, in: N.Z. 25.9.1952)

Guardini schrieb Josef Weiger, der im Blick auf die Verleihung einen Artikel im Freiburger Sonntagsblatt veröffentlicht hatte, von München aus in einem Brief, wie dankbar er ihm für seine Freundschaft sei: „Als ich den Artikel im Freiburger Sonntagsblatt las, den mir Färber nach Hausbaden geschickt hatte, ist mir recht herzlich zu Bewusstsein gekommen, wie gut und schön unsere Freundschaft ist. Fast hat es mir leid getan, dass das, was in dem Aufsatz stand, nun vor so vielen Augen stand. Aber doch nur `fast´. Sollen auch andere merken, dass es so Schönes gibt.“ Zum Laudator bemerkte Guardini gegenüber Weiger: “Dass es der Sozialist Reuter aus Berlin gewesen ist, der dem Theologen den Preis gab, war sehr hübsch“ (198. Brief vom 28. September 1952, München, in: Briefe an Josef Weiger, a.a.O., S. 384). Diese Formulierung „sehr hübsch“ belegt wohl gleichermaßen seine grundsätzliche Ablehnung des Sozialismus als Ideologie bei gleichzeitiger Offenheit gegenüber dem einzelnen Sozialisten, sowie die Selbstironie, mittlerweile selbst gleichermaßen als „Linkskatholik“ wie als „Konservativer“ zu gelten.

Während die Laudatio Reuters wenig direkten Bezug zu Guardini aufwies, kennzeichnete der Verleger Josef Knecht, zu dieser Zeit der Vorsitzende des Börsenvereins deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände, bei dieser Veranstaltung das Charisma Guardinis: „Ich meine, bei ihm gibt es keine Überredung zu etwas, vielmehr nimmt er den Leser bei der Hand und führt ihn behutsam einer Erkenntnis entgegen, in eine Erkenntnis hinein und das will sagen in die Wahrheit hinein. Der wesentliche Inhalt dieses reichen Lebens und Forschens und Führens ist die Suche nach der Wahrheit für sich und für die, die sich ihm auf diesem Weg der Wahrheitsfindung anvertrauen – alle seine Schriften sind Bemühungen zur Wahrheit, Schritte der Wahrheit entgegen. Sein Dienst an der Wahrheit ist ein Beitrag am Dienst am Frieden“ (Josef Knecht: Die Wahrheit und der Friede, in: Die Wahrheit und der Friede, hrsg. von Börsenverein Deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände e.V., Frankfurt a.M., o.J., S. 10).

Wahrheitsfindung kann nie durch Überredung, sondern nur durch behutsame Führung geschehen, bei der der Mensch sich freiwillig anvertraut. Wer im respektvollen Dialog mit anderen der Wahrheit diene, leiste gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Frieden.

Knecht verwies darauf, dass die Anregung, Guardini auszuzeichnen, “aus evangelischen Kreisen” gekommen sei, und nennt dies “ein schönes Zeichen” (vgl. dazu Gerner, Bd. I, S. 592): „Dem Menschen und Schriftsteller Romano Guardini bezeugen wir damit unseren Dank und unsere Achtung dafür, dass er in einem reichen Leben ein Werk geschaffen hat, das der Wahrheitsforschung und der Formung des Menschen diente. Damit hat er die friedliche Gesinnung einer echten humanitas über alle Spaltung der Nationen, Konfessionen und Klassen hinaus gefördert. Unbeirrt klingt seine Stimme durch die geschichtlichen Wirren unserer Zeit denen, die hören wollen. Sein Werk hat stets dem Frieden, der Verständigung unter den Menschen und ihrer Versöhnung gedient.“ (Knecht, zitiert nach www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/445722/?aid=537665)

Reaktionen

Nach der Bekanntgabe

Ähnliches gilt für den Lokalredakteur Franz Wilhelm Koch (+ 1974), der bereits die Bekanntgabe des Trägers zu einer längeren Würdigung am 4. Juli 1952 nutzte. Dabei verglich er ihn mit jenen Utopisten, „die uns das Totalste vom Totalen für 1984" - Gemeint ist George Orwell - "prophezeihen wollen“. Während sie nur „vom Ende der bisherigen Geschichte und von Katastrophen ohne Ende“ gesprochen hätten, sehe Guardini „selbstverständlich auch die Verwandlungen, die seit zwei, drei Jahrzehnten im Gang sind, die zunehmende Vermassung und Brutalisierung. Er sieht aber auch die Möglichkeiten einer herben personalen Existenz und in seiner Sicht erscheint gerade das, was zur Dauer im Wandel berufen ist. Dieser unbeirrbare Realismus des Sehens, diese Ferne von Wehleidigkeit und falscher Anhänglichkeit an das zerfallende Ueberlieferte, macht den besonderen Wert dieser jüngsten Bücher Guardinis – Das Ende der Neuzeit, Die Macht, aus, mit denen er sich als ein „Geburtshelfer“ zukunftsträchtiger Gedanken in einer zwar nicht gerade sprachlosen, aber ziemlich ratlosen Gegenwart erweist.“ (Franz Wilhelm Koch (f.w.k.): Romano Guardini: Der Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, in: Mannheimer Morgen, 1952, 4. Juli, S. 10).

Vor der Verleihung

Sein Freund Josef Weiger hatte wenige Tage vor der Preisverleihung im Freiburger Sonntagsblatt „Der christliche Sonntag“ einige “Erinnerungen an Romano Guardini” mitgeteilt (Josef Weiger: Erinnerungen an Romano Guardini. Zur Verleihung des Friedenspreises, in: Der christliche Sonntag 38, 1952, 21. September, S. 298; auch in: Die christliche Frau 41, 1952, H. 5, S. 149 f.). Er bezeichnete ihn darin als einen „Gelehrten, der fern der Politik seinen eigenen Weg geht, still und konsequent, weitab von den vielen Parolen, die unser Dasein mehr verwirren als klären, mehr bedrängen als befruchten und in Wahrheit keine Hilfe geben, sondern eher hemmen.“ Guardini habe seine Lebensarbeit darin gesehen, „der Wahrheit zu dienen“. Über dieser Lebensarbeit könnte der Leitspruch stehen, den Guardini als Student geprägt habe: „die Wahrheit ist polyphon“. Er sei seit seiner Studentenzeit auf ganz unterschiedlichen Ebenen ein „pontifex, ein `Brückenbauer´ von Seele zu Seele“ gewesen. Weiger überlieferte in dieser Würdigung, dass Max Scheler „schon dem jungen Priester bescheinigt“ habe, er sei „Pädagoge von höchstem Rang“. Scheler habe auf den ersten Blick erkannt, dass in Guardini „der EROS DES ERZIEHERS“ lebe. Weiger selbst verglich ihn dabei explizit mit Anselm von Canterbury und Newman.

Nach der Verleihung

Reinhold Schneider ließ es sich nicht nehmen, Guardini anlässlich der Friedenspreisverleihung zu würdigen (Reinhold Schneider: Verkündigung des Friedens. Zum Werk Romano Guardinis, in: Neue Literarische Welt. Zeitung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Nr. 18, 3. Jg. 25. September 1952, S. 1 f.). Er war überzeugt, dass die Mitte von Guardinis Werk „unzerstörbare Glaubensgewissheit“ sei: „Wohl ist das Verständnis geöffnet für die dem Glauben drohenden Anfechtungen: aber die Spuren einer eigentlichen Anfechtung, die Notwendigkeit, einer solchen zu begegnen, sind nicht sichtbar – vielleicht könnte von der Schwermut her, die Guardini, wiederholt gedeutet hat, einmal eine Gefahr aufgestiegen sein. Aber das Bewusstsein der Verantwortung für das Wort und Wirkung ist so wach, so empfindlich, dass unbestandene, nicht ausgetragene Gefahren nicht mitgeteilt werden.“ Guardini suche den Glauben „aus der Kraft des Friedens. Der Friede aber ist der Herr“. Ausdrücklich betont er, dass es unstatthaft sei, „die Zeitdeutungen Guardinis im Sinne der Restauration zu beanspruchen.“ Dafür trage er zu schwer „an den Gewichten der Zeit“. Guardini wisse, dass keine Versöhnung möglich sei, „wo die Schuld umgangen wird.“ Im nicht erhaltenen Dankbrief Guardinis scheint er die Problematik der Anfechtung aufgegriffen zu haben. Guardini selbst hatte um die Vernichtung seines Briefs gebeten. Aus der Antwort Schneiders darauf im November 1952 lässt sich aber rekonstruieren, dass Guardini seinem Freund sehr persönlich das “geheime Erdbeben”, das “Ringen”, auf die “Tiefen ..., die Tag für Tag bestanden sein sollen”, “die Bedrohung” schilderte, die ihn bei seiner Arbeit begleitet hatten (zitiert nach Messerschmid, Romano Guardini, a.a.O., S. 39).

Ebenfalls noch am 25. September 1952 hatte die Deutsche Presseagentur eine Nachbetrachtung zur Friedenspreisverleihung durch Klaus Mahlo veranlasst, der dafür den Titel „Missionar des Geistes“ wählte (Klaus Mahlo: Missionar des Geistes. Der Friedenspreis für Romano Guardini, in: Deutsche Presse Agentur, Briefdienst Kultur, 1952, 25. September, 2 Typoskriptseiten). Denn der Friedenspreis habe die Aufgabe „Missionare des Geistes und echte Europäer zum Vorbild für das Abendland zu erheben, das den Frieden um jeden Preis braucht. Dem geistigen Europa ist der Name Romano Guardini ein Begriff. Seinen Ruf verdankt der Gelehrte den großen graphisch-geisteswissenschaftlichen Arbeiten, die er von 1933 an in erzwungener Zurückgezogenheit als Privatgelehrter begann.“ Grund für seine Wirkung sei „sein Höchstmaß an Objektivität, sein WILLE ZUR WAHRHEIT.“ Mahlo geht irrtümlich davon aus, Guardinis Lehrstuhl sei bereits 1933 aufgehoben worden.

Die Frankfurter Allgemeine betont, Guardini sehe “eine menschliche Chance, wenn wir uns nicht umwenden, sondern wenn wir ja zum Ende der Neuzeit sagen, wenn wir die Welt der Masse und das gefährliche Phänomen der Macht ernst und in unsere Verantwortung nehmen: kurz, wenn wir die Tatsachen annehmen und ihnen den Frieden geben“ (o.N.: Ein Friedenspreis für Guardini. Professor Reuter überreicht die Auszeichnung in der Paulskirche, in: Frankf. Allgemeine 26.9.52, Nr. 223).

In München konnte man am selben Tag den informativsten und materialreichsten und zugleich persönlich gehaltensten Artikel darüber von Clemens Münster in der “Neuen Zeitung” lesen (Clemens Münster: Guardini und der absolute Friede, in: Neue Zeitung, Nr. 225=24.9.1952; Bericht über die Feier am 26.9.1952).

Karl Färber hatte wiederum in seiner Würdigung in „Der christliche Sonntag“ vom 28. September 1952 Weigers „Pontifex“-Bild aufgegriffen und sogar in den Titel gebracht (Karl Färber: Friedenspreis – Die „Rolle des Brückenbauers“, in: Der christliche Sonntag, Nr. 39, 28. September 1952, S. 307). Er führte dieses Bild aber bereits auf den Artikel in der französischen Monatsschrift „Etudes“ im Jahrgang 1946/47 zurück, der abschließend geurteilt habe: „Man brauche sich nicht wundern, dass `dieser Priester und Gelehrte´ in Deutschland sich die Anhänglichkeit der geistigen Elite und der Jugend habe erobern können; dass es nicht an Deutschen fehle, die Guardini für den ersten Denker und den größten ihrer Schriftsteller hielten; und dass ihm in seinem Lande die ROLLE DES BRÜCKENBAUERS zufalle. `Aber wir glauben auch, dass er sie zwischen zwei Völkern spielen kann.´ Das war sechs Jahre vor der Verleihung des Friedenspreises geschrieben. Ohne Überschwang. ...“ Färber verwies auch darauf, dass Albert Schweitzer verhindert war, aber gerne gekommen wäre, da die Wahl Guardinis das Gebotene und Richtige gewesen sei. Von Theodor Heuss übermittelte er die Aussage: „Ich weiß kaum jemanden, der so wie er als Symbol gelten könnte für die Gesinnungen, aus denen heraus der Friedenspreis des deutschen Buchhandels gestiftet wurde.“ Heuss habe zudem betont, dass er Guardini in Universitätsjahren begegnet und seine Frau mit Guardinis weitausgedehntem literarischen Werk sehr vertraut gewesen sei.

Die Sonderausgabe zur Frankfurter Buchmesse der Zeitschrift „Bücherschiff. Die deutsche Bücherzeitung“ sah in Guardinis Werk den Philosophen, den Theologen und den Essayisten Guardini gemeinsam wirken: „Sucht man nach einer großen Gestalt der Vergangenheit, mit der sich Romano Guardini vergleichen lässt, so trifft man auf Erasmus von Rotterdam. Es wäre reizvoll, die Wesensverwandtschaft beider Männer in ihren einzelnen Zügen herauszuarbeiten.“ In Guardinis in diesem Jahr erschienen bibliophilen Band „Lob des Buches“ gelte es geradezu als „ein Zeichen gewahrter Menschenwürde, ... in Freiheit mit Büchern umgehen zu dürfen“ (Romano Guardini. Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1952”, Bücherschiff. Die deutsche Bücherzeitung, 2, 1952, Nr. 8/9, Sonderausgabe zur Frankfurter Buchmesse).

Der aus Hamburg stammende Publizist Christian E. Lewalter (1892-1956), der in den dreißiger Jahren die Buchabteilung des Berliner Scherl-Verlags geleitet hatte, stellte in seiner Würdigung die drei bisherigen Preisträger Max Tau, Albert Schweitzer und nun Romano Guardini interessanterweise als „Nicht-Pazifisten“ dar. Während die Pazifisten durch ihre „simple Gleichung Friede = Krieglosigkeit“ und die damit verbundene „Einengung auf das Politische“ die „Idee des Friedens stark kompromittieren“ halfen, habe der Emigrant Tau „versöhnliche Gesinnung exemplarisch bekundet“ und Schweitzer sei ein Vorbild der Brüderlichkeit“. Guardini wiederum habe keine einzige seiner 68 Schriften „der Propagierung des sogenannten `Friedensgedankens´ gewidmet ..., vielmehr alle der Überbrückung jener Widersprüche, die die moderne Welt zu spalten drohen und aus denen die politischen Widersprüche und die totalen Kriege erst hervorgehen.“ Er betonte auch, dass Guardini „aus evangelischen Kreisen“ vorgeschlagen worden sei. „Guardinis Philosophie – kein System, sondern eine Folge von Gelegenheitsarbeiten (in dem Sinn, wie Goethe alle seine Gedichte `Gelegenheitsgedichte´ nannte) – hat es immer mit Gegensätzen zu tun. Wie das Italienische und das Deutsche in der Persönlichkeit des Mannes Guardini in einer neuen Einheit aufgehoben sind, so gibt es in der geschichtlichen Welt keinen Gegensatz, sei es ideologischer oder praktischer Art, vor dessen Bewältigung man kapitulieren müsste. Gewiß kommen Widersprüche vor (zum Beispiel der des sowjetischen und nicht-sowjetischen Denkens) die ein unbedingtes Ja und Nein fordern. Aber die Tatsache solcher Widersprüche ist das Anzeichen für einen Irrtum, der in ihrer Setzung liegt. Ist dieser Irrtum durchschaut, verlieren die beiden Seiten des Widerspruchs ihr Absolutes. Hat man zum Beispiel erkannt, worin die Unwahrheit des Marxismus (die Kehrseite seiner Wahrheit) besteht, dann wird das Nein nur noch dem System gelten, nicht mehr den Menschen, die es organisiert und von denen jeder einzelne jederzeit als Partner eines möglichen fruchtbaren Gesprächs angesehen werden muß. ... Für Guardini ist nicht nur das Gespräch zwischen den Konfessionen nötig und fruchtbar, sondern auch das Gespräch zwischen den Religionen, ja auch das zwischen den Religiösen und den Nicht-Religiösen, den Atheisten, den Frei-Denkern, denen, die auf der Bank der Spötter sitzen. Gegensätze zu Widersprüchen erstarren zu lassen, war das Werk der europäischen Neuzeit, und die drei Weltkriege dieses Jahrhunderts (die zwei heißen und der kalte) sind Symptome für den Verlust an Wahrheit, den die moderne Welt erlitten hat. Den Gegensatz wieder zu Ehren bringen, heißt den Widerspruch ausschalten. `Wir müssen `ja´ sagen zum Ende der Neuzeit´, fordert Guardini deshalb. Nicht um irgendeine Vergangenheit zu restaurieren, sondern um wahrhaftig zu werden und offen für die Zukunft. Das heißt: dem Frieden dienen" (Lewalter, Christian E. (CEL): Romano Guardini. Der neue Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, in: Die Zeit, Nr. 40, Donnerstag, 2. Oktober 1952, S. 2). Es ist erstaunlich wie nahe Lewalter hier dem Kern und Sinn der Gegensatzlehre kam, in einer Zeit, wo viele von Guardinis eigenen Schülern und Freunden seine These vom Ende der Neuzeit als nostalgisch oder gar restaurativ empfanden.

Kritik am Friedenspreis und den ersten Preisträgern durch Werner Riegel

Werner Riegel schreibt über den Friedenspreis: „Es ist kein Literaturpreis im üblichen Sinne, auch kein Friedenspreis in der Kategorie der Nobelstiftung, … sondern ein Lobpreis der Menschlichkeit vor Gott.“ Also apostrophiert eine bundesdeutsche Zeitung den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der durch die Verleihung an Albert Schweitzer, Romano Guardini und Martin Buber als Ruhestiftung genügend gekennzeichnet wurde. `Die Preisträger, in den Konfessionen nachdrücklichst unterschieden, bilden die Elite einer Bruderschaft höherer Confessio, sie alle gezeichnet von dem Signum gläubige Menschen zu sein.´ Die Fratres der frommen Phrase, der Orden von der Windstille: daraus kann man was machen, heutzutage. Das Ereignis eines Friedenspreises sollte begrüßt werden, selbst von denen, die vor Prätention und Elogismus nicht den Hut ziehen; sollte begrüßt werden in einer Zeit, deren alltägliche Fakten mit dem Frieden nur insofern korrespondieren als sie sein Gegenteil darstellen; sollte begrüßt werden, wenn der Bezeichnung dieses Preises und der Praxis seiner Verleihung nicht eine Definition des Friedensbegriffes zugrunde liegen würde, die mit den gewaltgläubigen Tendenzen der Zeit aufs trefflichste übereinstimmt. Hier wird mit Mächten Frieden gemacht, die auf Aktion ein Monopol beanspruchen und vom Friedlichen verlangen, daß er die Schnauze hält angesichts aller Anstalten, die geeignet sind, ihm den Frieden zu rauben" (zitiert aus Werner Riegel: Gedichte und Prosa, 1961, S. 196).

Wie Peter Rühmkorf zu recht interpretiert, sagt dieses Pamphlet mehr über den Schreiber als über Preis und Preisträger aus: „Dieser Absatz eines aus Anlaß der Friedenspreisverleihung an Albert Schweitzer, Romano Guardini und Martin Buber geschriebenen Pamphlets lenkt unseren Blick auf den Schreiber politischer Kampfartikel. Ihn dürfen wir schon deshalb nicht unterschlagen, weil Riegel das konkurrierende Gegeneinander des Lyrikers und erpichten Leitartiklers immer wieder zum Gegenstande der Reflexion genommen hat. Denn nicht nur wir haben es auf der einen Seite mit dem Poeten, dem Sänger, dem schwarzen Anakreontiker, auf der anderen mit dem aufgeklärten, aufklärungsbesessenen Kopfe zu tun — der Inhaber beider Konträr-Neigungen war sich seiner anlage- und vielleicht zeit-bezogenen Wesensspaltung sehr wohl bewußt“ (Peter Rühmkorf: Die Jahre, die ihr kennt. Anfälle und Erinnerungen, hrsg. von Walter Rasch, Reinbek 1999, S. 126).

Guardini und die nachfolgenden Friedenspreise

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