Guardini-Begriffe: Unterschied zwischen den Versionen

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== Die Begriffe ==
== Die Begriffe ==
# [[Aktion]] als polarer Gegensatz zur [[Kontemplation]]
# [[Aktion]] als komplementärer Gegensatz zur [[Kontemplation]] (siehe auch [[Anschauung]] und [[Handlung]])
# [[Anschauung]]/[[Betrachtung]] als polarer Gegensatz zu [[Handlung]]
# [[Allonomie]] (alternativer Begriff für [[Heteronomie]])
# [[Andacht]] (siehe auch [[Andachtsbild]] in Unterscheidung zu [[Kult]]/[[Kultbild]])
# [[Anschauung]]/[[Betrachtung]] als komplementärer Gegensatz zu [[Handlung]] (siehe auch [[Kontemplation]] und [[Aktion]])
# [[Antike]]
# [[Antike]]
# [[Askese]]
# [[Ausdruck]]
# [[Ausdruck]]
# [[Autorität]]
# [[Autonomie]] als komplementärer Gegensatz zu [[Heteronomie]] ([[Allonomie]]) innerhalb der Spannungseinheit der [[Theonomie]]
# [[Begegnung]] und [[Bewährung]] als polare Gegensätze zu [[Bild]] und [[Bildung]]
# [[Autorität]] als komplementärer Gegensatz zu [[Freiheit]] (siehe auch [[Gehorsam]]/[[Gehorchen]] und [[Selbstständigkeit]]/[[Selbstgehörigkeit]])
# [[Bild]] und [[Bildung]] als polarer Gegensätze zu [[Begegnung und Bewährung]]
# [[Begegnung]] und [[Bewährung]] als komplementäre Gegensätze zu [[Bild]] und [[Bildung]]
# [[Besinnung]]
# [[Bild]] und [[Bildung]] als komplementäre Gegensätze zu [[Begegnung und Bewährung]]
# [[Charakter]]
# [[Charakter]]
# [[Dasein]]
# [[Dasein]] (nicht identisch mit [[Existenz]]) - Weise des [[Sein]]s (neben [[Wesen]])
# [[Erfahrungswissenschaft]]
# [[Ebenbild]] (nur beim Menschen, siehe für alle Dinge auch [[Spurbild]])
# [[Ernst]] als polarer Gegensatz zum [[Spiel]]
# [[Erfahrung]] als komplementärer Gegensatz zu [[Idee]] (im Kontext der Wahrheits- und [[Wesens-Erkenntnis]]) und zu [[Fülle]] (im Kontext der [[Bewährung]])
# [[Ethos]] als polarer Gegensatz zum [[Logos]]
# [[Erfahrungswissenschaft]] als komplementärer Gegensatz zu [[Metapysik]] und [[Theoretische Wissenschaft|Theoretischen Wissenschaften]]
# [[Erkenntnis]]
# [[Ernst]] als komplementärer Gegensatz zum [[Spiel]]
# [[Freiheit]]
# [[Ethos]] als komplementärer Gegensatz zum [[Logos]]
# [[Erkenntnis]] (als Ergebnis und Prozess) als komplementärer Gegensatz zu [[Gestalt]]/[[Gestaltung]]
# [[Essenz]] (nicht identisch mit [[Wesen]]) vgl. auch [[Essentialismus]])
# [[Existenz]] (nicht identisch mit [[Dasein]]), vgl. auch [[Existentialismus]]
# [[Form]] als komplementärer Gegensatz zu [[Fülle]] (im Kontext der [[Gestaltung]]) und zu [[Idee]] (im Kontext von [[Bild]]/[[Bildung]])
# [[Freiheit]] als komplementärer Gegensatz zu [[Autorität]] (siehe auch [[Selbständigkeit]]/[[Selbstgehörigkeit]] und [[Gehorsam]]/[[Gehorchen]])
# [[Fülle]] als komplementärer Gegensatz zu [[Erfahrung]] (im Kontext der [[Bewährung]]) und zu [[Form]] (im Kontext der [[Gestaltung]])
# [[Ganzheit]] und [[Gesamtganzheit]]
# [[Ganzheit]] und [[Gesamtganzheit]]
# [[Gebet]]
# [[Gebet]]
# [[Gegensatz]]
# [[Gegensatz]]
# [[Gehorsam]]/[[Gehorchen]]
# [[Gehorsam]]/[[Gehorchen]] als komplementärer Gegensatz zu [[Selbstständigkeit]]/[[Selbstgehörigkeit]] (siehe auch [[Freiheit]] und [[Autorität]])
# [[Geist]]
# [[Geist]] (von Guardini oft synonym mit [[Sinn]] und [[Wesen]] gebraucht)
# [[Gentleman]]
# [[Gentleman]]
# [[Gesinnung]] als polarer Gegensatz zu [[Haltung]]
# [[Gesamtganzheit]]en: Gott, Welt, Mensch als Selbst
# [[Gestalt]]/[[Gestaltung]]
# [[Gesinnung]] als komplementärer Gegensatz zu [[Haltung]]
# [[Gestalt]]/[[Gestaltung]] als komplementärer Gegensatz zu [[Erkenntnis]]
# [[Gnade]]
# [[Grenze]] mit [[Grenzwert]] und [[Grenzfall]]
# [[Grenze]] mit [[Grenzwert]] und [[Grenzfall]]
# [[Haltung]] als polarer Gegensatz zu [[Gesinnung]]
# [[Gut]] (im Sinne von "das Gute" oder das "höchste Gut")
# [[Handlung]] als polarer Gegensatz zu [[Anschauung]]/[[Betrachtung]]
# [[Haltung]] als komplementärer Gegensatz zu [[Gesinnung]]
# [[Handlung]] als komplementrer Gegensatz zu [[Anschauung]]/[[Betrachtung]]
# [[Heilige]]r und [[Heiligkeit]]
# [[Herz]]
# [[Herz]]
# [[Kontemplation]] als polarer Gegensatz zur [[Aktion]]
# [[Heteronomie]] (auch [[Allonomie) als komplementärer Gegensatz zu [[Autonomie]] innerhalb der Spannungseinheit der [[Theonomie]])
# [[Idee]] als komplementärer Gegensatz zu [[Form]] (im Kontext des [[Bild]]es) und zu [[Erfahrung]] (im Kontext der Wahrheits- und Wesens-[[Erkenntnis]])
# [[Kontemplation]] als komplementärer Gegensatz zur [[Aktion]]
# [[Kult]] (siehe auch [[Kultbild]] in Unterscheidung zu [[Andacht]]/[[Andachtsbild]])
# [[Kunstwerk]] und [[Gesamtkunstwerk]]
# [[Kunstwerk]] und [[Gesamtkunstwerk]]
# [[Leben]]
# [[Leben]]
# [[Lehre]]
# [[Lehre]]
# [[Liturgie]]
# [[Liturgie]]
# [[Logos]] als polarer Gegensatz zum [[Ethos]]
# [[Logos]] als komplementärer Gegensatz zum [[Ethos]]
# [[Macht]]
# [[Macht]]
# [[Metaphysik]]
# [[Metaphysik]] und [[Theoretische Wissenschaft]]en als komplementärer Gegensatz zu [[Erfahrungswissenschaft]]en
# [[Mittelalter]]
# [[Mittelalter]]
# [[Mysterium]]
# [[Mysterium]]
# [[Mystik]]
# [[Mystik]]
# [[Nach-Neuzeit]] (nicht zu verwechseln mit "modernem Zeitalter" oder [[Moderne]] oder [[Postmoderne]], siehe auch das Theorem vom [[Ende der Neuzeit]])
# [[Neuzeit]]
# [[Neuzeit]]
# [[Offenbarung]]
# [[Offenbarung]]
# [[Partizipation]]
# [[Partizipation]]
# [[Persönlichkeit]]
# [[Persönlichkeit]] (unterschieden von [[Person]])
# [[Person]]
# [[Person]] (unterschieden von [[Persönlichkeit]])
# [[Polarität]]
# [[Polarität]]
# [[Polyphonie]]
# [[Polyphonie]] (siehe insbesondere [[Polyphone Wahrheit]])
# [[Primat]]
# [[Primat]]
# [[Religion]]
# [[Religion]]
# [[Ritterlichkeit]]
# [[Ritterlichkeit]]
# [[Sammlung]]
# [[Sammlung]]
# [[Schau]] ([[Vision]])
# [[Schicksal]]
# [[Schwermut]]
# [[Schwermut]]
# [[Sein]]
# [[Selbst]] (der individuelle Mensch als Selbst)
# [[Selbstannahme]]
# [[Selbstannahme]]
# [[Selbstbildung]]
# [[Selbstbildung]]
# [[Selbstständigkeit]]
# [[Selbstgehörigkeit]]/[[Selbstständigkeit]] als komplementärer Gegensatz zu [[Gehorsam]]/[[Gehorchen]] (siehe auch [[Freiheit]] und [[Autorität]])
# [[Sinn]]
# [[Sinn]] (von Guardini oft synonym mit [[Geist]] und [[Wesen]] gebraucht)
# [[Spannungseinheit]]
# [[Spannungseinheit]]
# [[Spiel]] als polarer Gegensatz zum [[Ernst]]
# [[Spiel]] als komplementärer Gegensatz zum [[Ernst]]
# [[Spurbild]]
# [[Spurbild]] (siehe auch [[Ebenbild]] beim Menschen)
# [[Stille]]
# [[Theorie]]
# [[Theonomie]], Spannungseinheit von [[Autonomie]] und [[Heteronomie]] ([[Allonomie]])
# [[Theoretische Wissenschaft]]en und [[Metaphysik]] als komplementärer Gegensatz zu [[Erfahrungswissenschaft]]en
# [[Tugend]]
# [[Tugend]]
# [[Typ]]
# [[Typ]]
# [[Verheißung]]
# [[Verheißung]]
# [[Vision]]
# [[Vision]] ([[Schau]])
# [[Volksfrömmigkeit]]
# [[Volksfrömmigkeit]]
# [[Vorschule]]
# [[Waage]]
# [[Waage]]
# [[Wahrheit]]
# [[Wahrheit]]
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# [[Werk]]
# [[Werk]]
# [[Wert]]
# [[Wert]]
# [[Wesen]]
# [[Wesen]] (von Guardini oft synonym mit [[Geist]] und [[Sinn]] gebraucht), Form des [[Sein]]s (neben [[Dasein]])
# [[Weltanschauung]]
# [[Weltanschauung]] (Welt-Anschauung) und [[Weltschau]] (Welt-Schau) (siehe auch [[Kontemplation]] der Welt)
# [[Wille]]
# [[Widerspruch]]
# [[Widerspruch]]
# [[Wunder]]
# [[Wunder]]
# [[Zeichen]]
# [[Zeichen]]
# ''noch unvollständig''


== Theoreme ==
== Theoreme ==
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=== Welt-Anschauung und -Kontemplation ===
=== Welt-Anschauung und -Kontemplation ===
* Guardini weißt darauf hin, dass der dem Begriff [[Weltanschauung]] zugrunde gelegte Begriff ''Anschauung'' synynom mit ''Kontemplation'' und infolgedessen auch mit ''Betrachtung'' sei. Daher ist im Italienischen für ''Anschauung'' auch ''contemplazione'' und auch im Englischen ''contemplation'' zu verwenden. ''Weltanschauung'' wäre daher am ehesten mit ''contemplazione del mondo'' bzw. ''contemplation of the world'' zu übersetzen. Dem scheint die heutige Verwendung von Kontemplation für meditative Gebetspraxis entgegenzustehen. Bei Guardini ist ''Kontemplation'' aber eine Erkenntnisweise, keine Gestaltungsweise. Er stimmt darin begrifflich mit der auch noch bei [[Hannah Arendt]] zu findenden Polarität von ''contemplatio'' und ''actio'' überein. Diese Polarität geht nämlich auch bei Guardini nicht parallel zur benediktinischen Lebensgestaltung nach dem Motto ''Ora et labora'' parallel.
* Guardini weist darauf hin, dass der dem Begriff [[Weltanschauung]] zugrunde gelegte Begriff ''Anschauung'' synynom mit ''Kontemplation'' und infolgedessen auch mit ''Betrachtung'' sei. Daher ist im Italienischen für ''Anschauung'' auch ''contemplazione'' und auch im Englischen ''contemplation'' zu verwenden. ''Weltanschauung'' wäre daher am ehesten mit ''contemplazione del mondo'' bzw. ''contemplation of the world'' zu übersetzen. Dem scheint die heutige Verwendung von Kontemplation für meditative Gebetspraxis entgegenzustehen. Bei Guardini ist ''Kontemplation'' aber eine Erkenntnisweise, keine Gestaltungsweise. Er stimmt darin begrifflich mit der auch noch bei [[Hannah Arendt]] zu findenden Polarität von ''contemplatio'' und ''actio'' überein. Diese Polarität geht nämlich auch bei Guardini nicht parallel zur benediktinischen Lebensgestaltung nach dem Motto ''Ora et labora'' parallel, die eine Polarität im Bereich der Gestaltung, nämlich der religiösen und beruflichen Praxis ist.  Außerdem ist zu beachten, dass Guardini zwei "Flügel" (Typen) der Welt-Kontemplation kennt, von denen die Welt-Anschauung der mentale, geistige Typ ist, die [[Welt-Schau]] (Vision) der sensuale, sinnliche Typ. Um diese nur im Deutschen mögliche Unterscheidung Guardinis deutlich zu machen, wäre es sinnvoll bei der Übersetzung von "Anschauung" mit "contemplation"/"contemplazione" ein "mental(e)" davor zu setzen.


=== Wesen, Geist, Sinn und Seele ===
=== Wesen, Geist, Sinn und Seele ===
* Guardini verwendet die Begriffe ''[[Wesen]]'', ''[[Geist]]'' und ''[[Sinn]]'' weitgehend synonym (zunächst bis zu Klages Gegenüberstellung von Geist und Seele auch noch ''[[Seele]]''). ''Wesen'' steht dabei als zum ''Sein'' gehörig in einer komplementären Ergänzung zum ''Dasein''. Da die Polarität von der lateinischen Lehnwörter ''Essenz'' (Essentialismus) und ''Existenz'' (Existentialismus) im deutschen philosophischen Diskurs anders als ''Wesen'' und ''Dasein'' eine extremere Gegenüberstellung erfahren haben als dies bei Guardini für ''Wesen'' und ''Dasein'' der Fall ist, verbietet sich somit im doppelten Sinne ''Wesen'' im Italienischen mit ''essenza'' und im Englischen mit ''essence'' zu übersetzen, ebenso wie ''Dasein'' mit ''esistenza'' und im Englischen mit ''existence''. Ansonsten kommt es bei der Rückübersetzung zu Konfusionen, zumal Guardini auch im Deutschen die Lehnwörter Existenz und Essenz einige Male eigenständig gebraucht. Daher empfehle ich sowohl im Italienischen wie im Englischen die Klammerübersetzung ''essere'' bzw. ''being (Wesen)'' und ''essere'' bzw. ''being (Dasein)''; auch um deutlich zu machen, dass im Begriffsfeld von ''Sein'' die deutsche Sprache mehr Ausdrucksmöglichkeiten hat als das Italienische und erst recht als das Englische. Insofern ist Guardinis synyome Verwendung der Formeln ''Vom Geist der Liturgie'', ''Vom Sinn der Kirche'' und ''Vom Wesen des Kunstwerks'' mit der weitgehenden Synonymität von ''spirito'', ''senso'' und ''essere'' bzw. ''spirit'', ''sense'' und ''being'' zu übertragen.
* Guardini verwendet die Begriffe ''[[Wesen]]'', ''[[Geist]]'' und ''[[Sinn]]'' weitgehend synonym (zunächst bis zu Klages Gegenüberstellung von Geist und Seele auch noch ''[[Seele]]''). ''Wesen'' steht dabei als zum ''Sein'' gehörig in einer komplementären Ergänzung zum ''Dasein''. Da die Polarität von der lateinischen Lehnwörter ''Essenz'' (Essentialismus) und ''Existenz'' (Existentialismus) im deutschen philosophischen Diskurs anders als ''Wesen'' und ''Dasein'' eine extremere Gegenüberstellung erfahren haben als dies bei Guardini für ''Wesen'' und ''Dasein'' der Fall ist, verbietet sich somit im doppelten Sinne ''Wesen'' im Italienischen mit ''essenza'' und im Englischen mit ''essence'' zu übersetzen, ebenso wie ''Dasein'' mit ''esistenza'' und im Englischen mit ''existence''. Ansonsten kommt es bei der Rückübersetzung zu Konfusionen, zumal Guardini auch im Deutschen die Lehnwörter Existenz und Essenz einige Male eigenständig gebraucht. Daher empfehle ich sowohl im Italienischen wie im Englischen die Klammerübersetzung ''essere'' bzw. ''being (Wesen)'' und ''essere'' bzw. ''being (Dasein)''; auch um deutlich zu machen, dass im Begriffsfeld von ''Sein'' die deutsche Sprache mehr Ausdrucksmöglichkeiten hat als das Italienische und erst recht als das Englische. Insofern ist Guardinis synyome Verwendung der Formeln ''Vom Geist der Liturgie'', ''Vom Sinn der Kirche'' und ''Vom Wesen des Kunstwerks'' mit der weitgehenden Synonymität von ''spirito'', ''senso'' und ''essere'' bzw. ''spirit'', ''sense'' und ''being'' zu übertragen.
* Das Englische ''meaning'' für Guardinis Begriff ''Sinn'' zu verwenden ist aufgrund dessen Nähe zum deutschen ''Meinung'' nicht sinnvoll. Daher ist der Begriff ''Sinn'' im Englischen grundsätzlich mit ''sense'' zu übersetzen.
* Das Englische ''meaning'' für Guardinis Begriff ''Sinn'' zu verwenden ist aufgrund dessen Nähe zum deutschen ''Meinung'' nicht sinnvoll. Daher ist der Begriff ''Sinn'' im Englischen grundsätzlich mit ''sense'' zu übersetzen. Die englischen Begriffe "opinion", "meaning", "signification", "sense" haben also eine "Färbung" als die korrelierenden Begriffe einer ausgesprochenen "Meinung" zu etwas, einer zugeschriebenen "Meinung" über etwas, der "Bedeutung" und dem "Sinn" eines Gegenstandes.


=== Schwermut ===
=== Schwermut ===
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== Begriffsschema "Christliche Verwirklichung" ==
== Begriffsschema "Christliche Verwirklichung" ==
Guardini hat im Rahmen seiner Weltanschauungs- und Gegensatzlehre ein Begriffssystem mit vielen Begriffspaaren in Gegensatzreihen, -kreuzen und -räumen entwickelt, dass ich versucht habe, in folgendem Schema abzubilden. Grundsätzlich gilt dies für alle drei Gesamtganzheiten Welt - Gott - Mensch als Selbst. Für die Gesamtganzheit gibt es aber natürlich keine Gottgestaltung, sondern eine Gestaltung des Reiches Gottes, das bereits in der Welt begonnen hat, aber über diese endliche Welt in die Ewigkeit hinausreicht.
Guardini hat im Rahmen seiner Weltanschauungs- und Gegensatzlehre ein Begriffssystem mit vielen Begriffspaaren in Gegensatzreihen, -kreuzen und -räumen entwickelt, dass ich versucht habe, in folgendem Schema abzubilden. Grundsätzlich gilt dies für alle drei Gesamtganzheiten Welt - Gott - Mensch als Selbst. Für die Gesamtganzheit gibt es aber natürlich keine Gottgestaltung, sondern eine Gestaltung des Reiches Gottes, das bereits in der Welt begonnen hat, aber über diese endliche Welt in die Ewigkeit hinausreicht.
=== Beispiel: Erkennen und Gestalten im Gegensatzkreuz mit Bilden und Bewähren ===
Nachfolgend ist dies am Beispiel der Grund-Vollzüge Erkennen und Gestalten dargestellt, im Blick auf das Gegensatzkreuz, dieses Gegensatzpaar mit dem Gegensatzpaar der ebenfalls komplementären Grundvollzüge des Bildens und Bewährens bildet. Im Vordergrund steht also der Weg vom Erkennen der Wahrheit zum Gestalten des als wahr Erkannten zu einer wahrhaftigen, wahrheitsgemäßen Gestalt. Dabei bleibt zunächst außen vor, welche Gesamtganzheit (Gott - Welt - Mensch als Selbst) vorrangig oder ob diese Gesamtganzheit als Ganzes oder in einem "Fragment" davon angeschaut werden soll. So könnte man vor jedem dieser Begriffe entweder den Begriff "Welt-" oder den Begriff "Selbst-" vorangestellt werden. Bei der Voranstellung der Gesamtganzheit "Gott-" ist zu beachten, dass sich dies für den Bereich der Gestaltung unserer Möglichkeit entzieht, da wir nicht Gott "gestalten" können, sondern nur anfanghaft "Gottes Reich" als "Zeugen seiner Liebe" mitgestalten. Gott als Schöpfer und Erlöser der Welt und des Menschen als Selbst entzieht sich unseres erkennenden "Zugriffs" (im Letzten bleibt er ein "Glaubensgeheimnis"), erst recht entzieht er sein eigenes "Selbst" dem "Zugriff" unserer Gestaltung. Guardinis Fach/Disziplin war die "Welt-Anschauungslehre", sein Gegenstand damit die Welt-Anschauung als dritter Erkenntnisweg, der zugleich die sich auf einer anderen Ebene befindende Spannungseinheit der beiden anderen (welt-)wissenschaftlichen Erkenntniswege bildet. Es geht also um die Bedeutung der Welt-Anschauung innerhalb der Welt-Erkenntnis in der Zusammenschau mit den Welt-Wissenschaften, die er in zwei gegensätzlichen Wegen aufgestellt sieht, den theoretischen Welt-Wissenschaften (Metaphysik) sowie den erfahrungsbezogenen Welt-Wissenschaften (Erfahrungswissenschaft). Sein fachlicher "Gegenstand", über den er nicht nur forschend analysiert, sondern angeschaut (kontempliert) hat, liegt im nachfolgenden Schaubild im oberen linken Teil des Schemas.


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|<small> || || <small>[[Mentalität]] (Geistigkeit) || <small>Mentale [[Imagination]] (Vorstellungskraft) || <small>[[Bildung]] || <small>Mentale [[Expression]] (Ausdruckkraft)|| <small>[[Mentalität]] (Geistigkeit) || ||  
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|'''[[Wahrheit]]''' || <small>[[Wesen]]s-'''[[Erkenntnis]]''' || <small>"Erkennung" || <small>[[Gesinnung]] ("[[Logos]]") || <small>'''[[Metanoia]]''' (Geistes- und Sinnes-Umkehr / Vorstellungs- und Ausdrucks-Umkehr) || <small>[[Haltung]] ("[[Ethos]]") || <small>[[Gestaltung]] || <small>'''[[Gestalt]]''' (Figur/Werk) || '''Gestaltete Wahrheit''' <small>([[Wahrhaftigkeit]])
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|<small> || <small>[[Sinn]] || <small>Sensuale [[Kontemplation]] ([[Schau]] / [[Vision]]) || <small>Emotional-intuitive Erkenntniswege: "[[Gesunder Menschenverstand]]" ([[Theorie|Theoretisches]] "Spüren"/"Empfinden") und "[[Bauchgefühl]]" (Erfahrungs-"Spüren"/"Empfinden") || <small>unbewusstes [[Gespür]] / [[Empfindung]] || <small>[[Emotionalität|Emotional]]-[[Intuition|intuitive]] Gestaltungswege ([[Technik]]en) || <small>Sensuale [[Aktion]] ([[Praxis]] / [[Tätigkeit]]) || <small>[[Sinn]] ||
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Aktuelle Version vom 18. September 2024, 11:12 Uhr

Die Seite Guardini-Begriffe listet die für Guardinis Werke zentralen Begriffe und seine "Terminologie" bzw. "Grammatik".

Einführung

Während für Philosophen wie Heidegger und Jaspers deren eigenständige Terminologie - auch aufgrund besonders eigenwilliger Begriffsbildungen - unstrittig ist, billigt man sie Guardini in der Regel kaum zu. Dies liegt zum einen daran, dass er eine bewusst einfache Sprache wählt, kaum Fachterminologie oder auch Lehn- und Fremdwörter benutzt, zum anderen daran, dass er weitgehend auf eigene Begriffsbildungen verzichtet. Dies führt insbesondere aber bei Übersetzungen oft zu willkürlichen Übersetzungen auch bei für Guardini an sich zentralen Begriffsfeldern wie zum Beispiel Gestalt/Gestaltung. Lediglich beim Begriff Weltanschauung hat sich auch international weitgehend durchgesetzt, diesen als nicht adäquat übersetzbar in der Ursprungssprache stehen zu lassen, nachdem sich andere Übersetzungen als inadäquat herausgestellt haben.

Die Begriffe

  1. Aktion als komplementärer Gegensatz zur Kontemplation (siehe auch Anschauung und Handlung)
  2. Allonomie (alternativer Begriff für Heteronomie)
  3. Andacht (siehe auch Andachtsbild in Unterscheidung zu Kult/Kultbild)
  4. Anschauung/Betrachtung als komplementärer Gegensatz zu Handlung (siehe auch Kontemplation und Aktion)
  5. Antike
  6. Askese
  7. Ausdruck
  8. Autonomie als komplementärer Gegensatz zu Heteronomie (Allonomie) innerhalb der Spannungseinheit der Theonomie
  9. Autorität als komplementärer Gegensatz zu Freiheit (siehe auch Gehorsam/Gehorchen und Selbstständigkeit/Selbstgehörigkeit)
  10. Begegnung und Bewährung als komplementäre Gegensätze zu Bild und Bildung
  11. Besinnung
  12. Bild und Bildung als komplementäre Gegensätze zu Begegnung und Bewährung
  13. Charakter
  14. Dasein (nicht identisch mit Existenz) - Weise des Seins (neben Wesen)
  15. Ebenbild (nur beim Menschen, siehe für alle Dinge auch Spurbild)
  16. Erfahrung als komplementärer Gegensatz zu Idee (im Kontext der Wahrheits- und Wesens-Erkenntnis) und zu Fülle (im Kontext der Bewährung)
  17. Erfahrungswissenschaft als komplementärer Gegensatz zu Metapysik und Theoretischen Wissenschaften
  18. Ernst als komplementärer Gegensatz zum Spiel
  19. Ethos als komplementärer Gegensatz zum Logos
  20. Erkenntnis (als Ergebnis und Prozess) als komplementärer Gegensatz zu Gestalt/Gestaltung
  21. Essenz (nicht identisch mit Wesen) vgl. auch Essentialismus)
  22. Existenz (nicht identisch mit Dasein), vgl. auch Existentialismus
  23. Form als komplementärer Gegensatz zu Fülle (im Kontext der Gestaltung) und zu Idee (im Kontext von Bild/Bildung)
  24. Freiheit als komplementärer Gegensatz zu Autorität (siehe auch Selbständigkeit/Selbstgehörigkeit und Gehorsam/Gehorchen)
  25. Fülle als komplementärer Gegensatz zu Erfahrung (im Kontext der Bewährung) und zu Form (im Kontext der Gestaltung)
  26. Ganzheit und Gesamtganzheit
  27. Gebet
  28. Gegensatz
  29. Gehorsam/Gehorchen als komplementärer Gegensatz zu Selbstständigkeit/Selbstgehörigkeit (siehe auch Freiheit und Autorität)
  30. Geist (von Guardini oft synonym mit Sinn und Wesen gebraucht)
  31. Gentleman
  32. Gesamtganzheiten: Gott, Welt, Mensch als Selbst
  33. Gesinnung als komplementärer Gegensatz zu Haltung
  34. Gestalt/Gestaltung als komplementärer Gegensatz zu Erkenntnis
  35. Gnade
  36. Grenze mit Grenzwert und Grenzfall
  37. Gut (im Sinne von "das Gute" oder das "höchste Gut")
  38. Haltung als komplementärer Gegensatz zu Gesinnung
  39. Handlung als komplementrer Gegensatz zu Anschauung/Betrachtung
  40. Heiliger und Heiligkeit
  41. Herz
  42. Heteronomie (auch [[Allonomie) als komplementärer Gegensatz zu Autonomie innerhalb der Spannungseinheit der Theonomie)
  43. Idee als komplementärer Gegensatz zu Form (im Kontext des Bildes) und zu Erfahrung (im Kontext der Wahrheits- und Wesens-Erkenntnis)
  44. Kontemplation als komplementärer Gegensatz zur Aktion
  45. Kult (siehe auch Kultbild in Unterscheidung zu Andacht/Andachtsbild)
  46. Kunstwerk und Gesamtkunstwerk
  47. Leben
  48. Lehre
  49. Liturgie
  50. Logos als komplementärer Gegensatz zum Ethos
  51. Macht
  52. Metaphysik und Theoretische Wissenschaften als komplementärer Gegensatz zu Erfahrungswissenschaften
  53. Mittelalter
  54. Mysterium
  55. Mystik
  56. Nach-Neuzeit (nicht zu verwechseln mit "modernem Zeitalter" oder Moderne oder Postmoderne, siehe auch das Theorem vom Ende der Neuzeit)
  57. Neuzeit
  58. Offenbarung
  59. Partizipation
  60. Persönlichkeit (unterschieden von Person)
  61. Person (unterschieden von Persönlichkeit)
  62. Polarität
  63. Polyphonie (siehe insbesondere Polyphone Wahrheit)
  64. Primat
  65. Religion
  66. Ritterlichkeit
  67. Sammlung
  68. Schau (Vision)
  69. Schicksal
  70. Schwermut
  71. Sein
  72. Selbst (der individuelle Mensch als Selbst)
  73. Selbstannahme
  74. Selbstbildung
  75. Selbstgehörigkeit/Selbstständigkeit als komplementärer Gegensatz zu Gehorsam/Gehorchen (siehe auch Freiheit und Autorität)
  76. Sinn (von Guardini oft synonym mit Geist und Wesen gebraucht)
  77. Spannungseinheit
  78. Spiel als komplementärer Gegensatz zum Ernst
  79. Spurbild (siehe auch Ebenbild beim Menschen)
  80. Stille
  81. Theorie
  82. Theonomie, Spannungseinheit von Autonomie und Heteronomie (Allonomie)
  83. Theoretische Wissenschaften und Metaphysik als komplementärer Gegensatz zu Erfahrungswissenschaften
  84. Tugend
  85. Typ
  86. Verheißung
  87. Vision (Schau)
  88. Volksfrömmigkeit
  89. Vorschule
  90. Waage
  91. Wahrheit
  92. Welt
  93. Werk
  94. Wert
  95. Wesen (von Guardini oft synonym mit Geist und Sinn gebraucht), Form des Seins (neben Dasein)
  96. Weltanschauung (Welt-Anschauung) und Weltschau (Welt-Schau) (siehe auch Kontemplation der Welt)
  97. Wille
  98. Widerspruch
  99. Wunder
  100. Zeichen
  101. noch unvollständig

Theoreme

  1. Ende der Neuzeit
  2. Die Kirche erwacht in den Seelen
  3. Es-Macht/Es-Mächte
  4. Ethos der Macht
  5. Geist der Liturgie
  6. Gott ist ein Politikum
  7. Ihr sollt nicht in der Messe beten, ihr sollt die Messe beten! (von Guardini dem Papst Pius X. unterlegtes Zitat)
  8. Liturgiefähigkeit
  9. Magna Charta der Pflicht und Würde jeder menschlichen Gemeinschaft
  10. Philosophie des Lebendig-Konkreten
  11. Polyphone Wahrheit
  12. Primat des Logos über das Ethos
  13. Religiöse Sozialpädagogik
  14. Sinn der Kirche
  15. Sinn der Schwermut
  16. Solidarität aller Menschen in der Menschheitsverantwortung
  17. Spurbild der dreieinigen Gottesgemeinschaft
  18. Staat in uns
  19. Waage des Daseins
  20. Wesen katholischer Weltanschauung
  21. ...

Übersetzungshinweise

Nachfolgende beispielhafte Übersetzungshinweise sind vor allem für die Übersetzung ins Italienische und Englische formuliert, gelten aber analog auch für andere Sprachen. Sie werden zunehmend in den jeweiligen Einzelartikeln ausgeführt:

Gestalt

  • Gestalt/Gestaltung/Umgestaltung ist im Italienischen am ehesten mit figura, configurazione, trasfigurazione und im Englischen entsprechend mit figure, configuration und transfiguration wiederzugeben. Eine Übersetzung von Gestalt mit forma/form (in der deutschen Rückübersetzung eindeutig Form) oder von Gestaltung mit formazione/formation bzw. im Englischen mitunter sogar mit design verbietet sich dagegen. Mittlerweile ist aber die Eigenbedeutung des Begriffs "Gestalt" - vor allem über die Begriffe der Gestalt-Pädagogik und der Gestalt-Therapie - international so verbreitet, dass der Begriff auch unübersetzt stehen bleiben kann.

Welt-Anschauung und -Kontemplation

  • Guardini weist darauf hin, dass der dem Begriff Weltanschauung zugrunde gelegte Begriff Anschauung synynom mit Kontemplation und infolgedessen auch mit Betrachtung sei. Daher ist im Italienischen für Anschauung auch contemplazione und auch im Englischen contemplation zu verwenden. Weltanschauung wäre daher am ehesten mit contemplazione del mondo bzw. contemplation of the world zu übersetzen. Dem scheint die heutige Verwendung von Kontemplation für meditative Gebetspraxis entgegenzustehen. Bei Guardini ist Kontemplation aber eine Erkenntnisweise, keine Gestaltungsweise. Er stimmt darin begrifflich mit der auch noch bei Hannah Arendt zu findenden Polarität von contemplatio und actio überein. Diese Polarität geht nämlich auch bei Guardini nicht parallel zur benediktinischen Lebensgestaltung nach dem Motto Ora et labora parallel, die eine Polarität im Bereich der Gestaltung, nämlich der religiösen und beruflichen Praxis ist. Außerdem ist zu beachten, dass Guardini zwei "Flügel" (Typen) der Welt-Kontemplation kennt, von denen die Welt-Anschauung der mentale, geistige Typ ist, die Welt-Schau (Vision) der sensuale, sinnliche Typ. Um diese nur im Deutschen mögliche Unterscheidung Guardinis deutlich zu machen, wäre es sinnvoll bei der Übersetzung von "Anschauung" mit "contemplation"/"contemplazione" ein "mental(e)" davor zu setzen.

Wesen, Geist, Sinn und Seele

  • Guardini verwendet die Begriffe Wesen, Geist und Sinn weitgehend synonym (zunächst bis zu Klages Gegenüberstellung von Geist und Seele auch noch Seele). Wesen steht dabei als zum Sein gehörig in einer komplementären Ergänzung zum Dasein. Da die Polarität von der lateinischen Lehnwörter Essenz (Essentialismus) und Existenz (Existentialismus) im deutschen philosophischen Diskurs anders als Wesen und Dasein eine extremere Gegenüberstellung erfahren haben als dies bei Guardini für Wesen und Dasein der Fall ist, verbietet sich somit im doppelten Sinne Wesen im Italienischen mit essenza und im Englischen mit essence zu übersetzen, ebenso wie Dasein mit esistenza und im Englischen mit existence. Ansonsten kommt es bei der Rückübersetzung zu Konfusionen, zumal Guardini auch im Deutschen die Lehnwörter Existenz und Essenz einige Male eigenständig gebraucht. Daher empfehle ich sowohl im Italienischen wie im Englischen die Klammerübersetzung essere bzw. being (Wesen) und essere bzw. being (Dasein); auch um deutlich zu machen, dass im Begriffsfeld von Sein die deutsche Sprache mehr Ausdrucksmöglichkeiten hat als das Italienische und erst recht als das Englische. Insofern ist Guardinis synyome Verwendung der Formeln Vom Geist der Liturgie, Vom Sinn der Kirche und Vom Wesen des Kunstwerks mit der weitgehenden Synonymität von spirito, senso und essere bzw. spirit, sense und being zu übertragen.
  • Das Englische meaning für Guardinis Begriff Sinn zu verwenden ist aufgrund dessen Nähe zum deutschen Meinung nicht sinnvoll. Daher ist der Begriff Sinn im Englischen grundsätzlich mit sense zu übersetzen. Die englischen Begriffe "opinion", "meaning", "signification", "sense" haben also eine "Färbung" als die korrelierenden Begriffe einer ausgesprochenen "Meinung" zu etwas, einer zugeschriebenen "Meinung" über etwas, der "Bedeutung" und dem "Sinn" eines Gegenstandes.

Schwermut

  • Die deutschen Begriffe Schwermut bzw. Schwermütigkeit wurden schon zu Lebzeiten Guardinis in einigen Sprachen mangels Alternativen mit Melancholie gleichgesetzt. Für Guardini ist Melancholie eine Gemütsart im Sinne von Temperament (ähnlich wie für alle klassischen Temperamente sowie für Gemütsarten wie optimistisch-pessimistisch oder aktiv-passiv), Schwermut hingegen ein Gemütszustand auch im Sinne von Geisteshaltung - im Unterschied dann zum polaren Gegensatz des Leichtmuts und in Antivalenz zu Leichtfertigkeit. Daher ist es nicht verständlich, wenn auch in Sprachen - wie zum Beispiel im Holländischen - wo eine wörtliche Übersetzung möglich wäre, auch auf Melancholie ausgewichen wird.

Begriffsschema "Christliche Verwirklichung"

Guardini hat im Rahmen seiner Weltanschauungs- und Gegensatzlehre ein Begriffssystem mit vielen Begriffspaaren in Gegensatzreihen, -kreuzen und -räumen entwickelt, dass ich versucht habe, in folgendem Schema abzubilden. Grundsätzlich gilt dies für alle drei Gesamtganzheiten Welt - Gott - Mensch als Selbst. Für die Gesamtganzheit gibt es aber natürlich keine Gottgestaltung, sondern eine Gestaltung des Reiches Gottes, das bereits in der Welt begonnen hat, aber über diese endliche Welt in die Ewigkeit hinausreicht.

Beispiel: Erkennen und Gestalten im Gegensatzkreuz mit Bilden und Bewähren

Nachfolgend ist dies am Beispiel der Grund-Vollzüge Erkennen und Gestalten dargestellt, im Blick auf das Gegensatzkreuz, dieses Gegensatzpaar mit dem Gegensatzpaar der ebenfalls komplementären Grundvollzüge des Bildens und Bewährens bildet. Im Vordergrund steht also der Weg vom Erkennen der Wahrheit zum Gestalten des als wahr Erkannten zu einer wahrhaftigen, wahrheitsgemäßen Gestalt. Dabei bleibt zunächst außen vor, welche Gesamtganzheit (Gott - Welt - Mensch als Selbst) vorrangig oder ob diese Gesamtganzheit als Ganzes oder in einem "Fragment" davon angeschaut werden soll. So könnte man vor jedem dieser Begriffe entweder den Begriff "Welt-" oder den Begriff "Selbst-" vorangestellt werden. Bei der Voranstellung der Gesamtganzheit "Gott-" ist zu beachten, dass sich dies für den Bereich der Gestaltung unserer Möglichkeit entzieht, da wir nicht Gott "gestalten" können, sondern nur anfanghaft "Gottes Reich" als "Zeugen seiner Liebe" mitgestalten. Gott als Schöpfer und Erlöser der Welt und des Menschen als Selbst entzieht sich unseres erkennenden "Zugriffs" (im Letzten bleibt er ein "Glaubensgeheimnis"), erst recht entzieht er sein eigenes "Selbst" dem "Zugriff" unserer Gestaltung. Guardinis Fach/Disziplin war die "Welt-Anschauungslehre", sein Gegenstand damit die Welt-Anschauung als dritter Erkenntnisweg, der zugleich die sich auf einer anderen Ebene befindende Spannungseinheit der beiden anderen (welt-)wissenschaftlichen Erkenntniswege bildet. Es geht also um die Bedeutung der Welt-Anschauung innerhalb der Welt-Erkenntnis in der Zusammenschau mit den Welt-Wissenschaften, die er in zwei gegensätzlichen Wegen aufgestellt sieht, den theoretischen Welt-Wissenschaften (Metaphysik) sowie den erfahrungsbezogenen Welt-Wissenschaften (Erfahrungswissenschaft). Sein fachlicher "Gegenstand", über den er nicht nur forschend analysiert, sondern angeschaut (kontempliert) hat, liegt im nachfolgenden Schaubild im oberen linken Teil des Schemas.

Liebe
Idee Vorstellung Bild Ausdruck Form
Mentalität (Geistigkeit) Mentale Imagination (Vorstellungskraft) Bildung Mentale Expression (Ausdruckkraft) Mentalität (Geistigkeit)
Geist Mentale Kontemplation (Anschauung) Rational-intellektuelle Erkenntniswege (Denkweisen / Wissenschaften): deduktives Theoretisches Wissen (Metaphysik) und induktives Erfahrungswissen bewusstes Gedächtnis / Gedenken Rational-intellektuelle Gestaltungswege (Techniken) Mentale Aktion (Praxis / Tätigkeit) Geist
Wahrheit Wesens-Erkenntnis "Erkennung" (Wahrnehmung) Gesinnung ("Logos") Metanoia (Geistes- und Sinnes-Umkehr / Vorstellungs- und Ausdrucks-Umkehr) Haltung ("Ethos") Gestaltung Wesens-Gestalt (Figur/Werk) Gestaltete Wahrheit (Wahrhaftigkeit)
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Sinn Sensuale Kontemplation (Schau / Vision) Emotional-intuitive Erkenntniswege: "Gesunder Menschenverstand" (Theoretisches "Spüren"/"Empfinden") und "Bauchgefühl" (Erfahrungs-"Spüren"/"Empfinden") unbewusstes Gespür / Empfindung Emotional-intuitive Gestaltungswege (Techniken) Sensuale Aktion (Praxis / Tätigkeit) Sinn
Sensualität (Sinnlichkeit) Sensuale Imagination (Vorstellungskraft) Bewährung Sensuale Expression (Ausdruckskraft) Sensualität (Sinnlichkeit)
Erfahrung Vorstellung Bewährtes Ausdruck Fülle
Bewährte Liebe
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